Softwarepatente als Test für EU-Demokratie?

Steffen Weber
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Alan Cox, Linux-Entwickler und Verfechter freier Software, hat in einer Rede vor der zweiten Lesung der Softwarepatentrichtlinie im EU-Parlament dessen Entscheidung als Test der Demokratie in der Europäischen Union bezeichnet. Sollte das Parlament der Fassung des Rats nicht wiedersprechen, sei dies „der Anfang vom Ende Europas“.

Die Fassung der Richtlinie des aus Ministern der Mitgliedsländer zusammengesetzten EU-Rats lässt so viel Interpretationsspielraum, dass die Patentierbarkeit von Software nicht effektiv eingeschränkt würde. Stattdessen würden sogenannte Trivialpatente, wie sie das Europäische Patentamt trotz deren momentaner Ungültigkeit bereits seit Jahren erteilt, zu einer Gefahr für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie Entwickler freier Software werden, da der Angeklagte im Zweifelsfall beweisen muss, dass die durch ein Patent geschützte Idee bereits vor dessen Anmeldung existierte.

Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation, schlägt in die gleiche Kerbe wie Alan Cox und beschuldigte auf der von den Grünen veranstalteten Konferenz ferner den dänischen Wirtschaftsminister Bendt Bendtsen des Hochverrats, da dieser während der Lesung im EU-Rat eine Weisung seines Parlaments ignoriert hatte und somit die Entscheidung des Rates zustande hat kommen lassen. Seiner Meinung nach sollten der Rat und die Kommission abgeschafft werden und allein das Parlament Richtlinien verabschieden, woraufhin dann das Volk in einem Plebiszit das letzte Wort hat. Des Weiteren zeigte er sich empört über das Vorgehen von Konzernen wie Siemens, die per Brief dem Premierminister Polens für den Fall der Ablehnung der Richtlinienfassung des Rats mit dem Abzug einer Forschungseinrichtung gedroht haben.

Jason Schultz von der Electronic Frontier Foundation nutze die Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, dass in den USA derzeit der Inhaber eines Patentes über ein Telefon, das über ein Netzwerk mit einem weiteren Telefon kommuniziert, Klagen gegen VoIP-Anbieter einreicht und somit Innovation verhindere. Auch die zögerliche Adaptierung des neuen Internet-Protokolls IPv6 sei teilweise auf die Befürchtung zurückzuführen, dass eine Implementierung dieses Standards irgendein Patent verletzten könne. Aufgrund der völlig unüberschaubaren Anzahl an Patenten lässt sich das nicht klären, man muss es einfach drauf ankommen lassen, was sich aufgrund der damit verbundenen Gefahr wiederum KMU nicht erlauben können.

Im letzten Abschnitt der dieser News als Quelle dienenden Meldung des Heise-Newstickers, der detailliert wie keine andere Publikation über die Softwarepatente berichtet und dessen über den Werdegang der Richtlinie aufklärende bisherige Meldungen zum Thema Softwarepatente am Ende der News aufgelistet werden, heißt es: „Auf einer parallelen Anhörung der Christdemokraten im EU-Parlament, die unter der Regie des Rechtsausschuss-Koordinators Klaus-Heiner Lehne stand, sprachen sich Patentanwälte, Vertreter von Siemens, Nokia und von Computerverbänden wie der CompTIA vehement für die Ratslinie aus.“ Am heutigen Nachmittag demonstrierten noch rund 200 Aktivisten unter dem Motto „Alle Macht dem Parlament – Nein zu Softwarepatenten“ in Brüssel.