US-Musikpiratin geht gegen Urteil in Berufung

Jirko Alex
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Nachdem in der letzten Woche eine allein erziehende Mutter zu einem Schadensersatz von 220.000 US-Dollar verurteilt wurde, weil sie über ihren KaZaA-Account 24 Lieder angeboten haben soll, geht die Verurteilte nun mit Rückenwind in die Berufung.

Jammie Thomas wurde vor einigen Tagen aufgrund von Indizien von der Jury für schuldig befunden und zu einem Schadensersatz von insgesamt 220.000 US-Dollar verurteilt. Ihr wurde zur Last gelegt, dass sie insgesamt 24 Titel (deren Wert sich bei legalen Online-Musikplattformen bei etwa 23 US-Dollar insgesamt einpegelt) über KaZaA angeboten haben soll. Die Jury-Mitglieder setzten die Strafe in dem vom US-Tonträgerindustrieverband RIAA angestrengten Prozess mit 9250 US-Dollar Strafe pro Titel deutlich über der Mindeststrafe für dieses Vergehen (750 US-Dollar pro Song) an. Zum anderen möglichen Extrem von 150.000 US-Dollar pro Titel (Maximalwert der Geldstrafe) hielt die Jury jedoch auch viel Abstand.

Nichts desto trotz sei man sich bereits nach fünf Minuten einig gewesen, dass Jammie Thomas schuldig sei, so der Juror Micheal Hegg im Interview mit dem Wired-Weblog. Weitere fünf Stunden hätte man dann damit verbracht, die Höhe des Urteils auszuhandeln, so das Jury-Mitglied aus dem Thomas-Prozess weiter. Während zwei Jury-Mitglieder für die Höchststrafe plädiert hätten, was Jammie Thomas eine Geldstrafe von 3,6 Millionen US-Dollar eingebracht hätte, wäre nur ein Juror für den Mindestbetrag bei diesem Vergehen gewesen. Alle wollten ein Zeichen setzen, so Micheal Hegg.

Vor allem aber schimpfte der Juror über die Verteidigung der allein erziehenden Mutter und stellte klar, dass diese wohl mit einer naiven Jury gerechnet habe. Die Verteidigung habe nicht nur versucht, den KaZaA-Account „Tereastarr“, über dessen Shared-Folder die Musiktitel angeboten wurden, von der Person Jammie Thomas zu distanzieren, obwohl diese nachweislich auch in ihrer E-Mail-Adresse, ihrem MySpace-Profil sowie zum Chatten und Einkaufen via Internet dieses Pseudonym benutzt, laut Hegg habe Thomas ferner der RIAA eine andere Festplatte übergeben, als bei der Feststellung ihres Vergehens im Jahre 2005 verwendet wurde. Zudem wollte die Verteidigung die Möglichkeit schaffen, dass auch ein Hacker in das WLAN von Jammie Thomas hätte eindringen und die Dateien vertreiben können. Thomas nutzte jedoch nachweißlich keinen WLAN-Router. Auch dies habe die Jury davon überzeugt, dass die Mutter zweier Kinder schuldig sei und log.

In der Berufung, die Jammie Thomas nun anstrengt und bei der sie unter anderem von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstützt wird, ist zu erwarten, dass die Verteidigung anzweifeln wird, dass das bloße Anbieten von kopiergeschützten Dateien im Internet ausreiche um das Copyright zu verletzen. So wurde im aktuellen Prozess nicht berücksichtigt, dass die RIAA einen Nachweis dafür, dass die Dateien heruntergeladen wurden, schuldig blieb. Ferner sehe EFF-Anwalt Fred von Lohmann in der „Verbreitung“, wie sie vom US-Copyrightgesetz beschrieben wird, das physische Verteilen von CDs und anderen Medien. Für eine urheberrechtliche Verletzung via Internet gäbe es demnach noch keine Grundlage.

Thomas richtete auch eine Webseite ein, über die Spenden für den Berufungsprozess gesammelt werden. So wurde die Internetseite FreeJammie.com eingerichtet, die laut Thomas' Blog-Eintrag auf der MySpace-Seite künftig über den Stand der Spenden informieren soll. Der Ausgang des Berufungsprozesses könnte bedeutend für weitere Klagen der RIAA gegen private Musikpiraten sein. So hat der US-Tonträgerverband bereits über 20.000 solcher Verfahren eingeleitet.