Online Summit: Quo Vadis Ubuntu?

Ferdinand Thommes
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Online Summit: Quo Vadis Ubuntu?
Bild: blumblaum | CC BY 2.0

Die Entwickler-Konferenz zu Ubuntu 15.10 (UOS), die in der vergangenen Woche online stattfand, ist vorbei und erlaubt Einsicht in Canonicals Pläne für Ubuntus Desktop-Variante. Man nähert sich zwar mit kleinen Schritten dem Ziel der Konvergenz, entfernt sich andererseits aber mit großen Schritten aus dem Linux-Ökosystem.

Canonical geht oft gern eigene Wege und ersetzt grundlegende Komponenten des Linux-Systems mit Eigenentwicklungen. So etwa geschehen beim hauseigenen Init-System Upstart, das mittlerweile zähneknirschend zugunsten von Systemd wieder aufgegeben wurde. Zähneknirschend deshalb, weil Upstart nicht nur am Desktop funktionierte, sondern bereits gut mit Ubuntu Touch, der Ubuntu-Variante für Smartphones, zusammenarbeitete.

Weitere Beispiele sind die Desktop-Umgebung Unity und der Display-Server Mir. Letzterer sollte bereits mit Ubuntu 14.04 Trusty Tahr ausgeliefert werden, funktioniert aber bisher nur auf Ubuntu Touch. Gleiches gilt für Unity 8, das, ebenfalls verspätet, vermutlich nicht vor 16.04 erscheinen wird und das ebenfalls am Desktop bisher so unbrauchbar ist, dass nicht einmal die Entwickler es zum täglichen Gebrauch einsetzen. Für Ubuntu 16.04 will Mark Shuttleworth den Anwendern die Entscheidung überlassen, ob Unity 7 oder 8 der Standard werden soll.

Hatten diese Eigenentwicklungen bereits viele Anwender abgeschreckt, so erzeugt die neueste Nachricht, Ubuntu wolle weg vom Debian-Paketsystem neben Unverständnis auch Zustimmung und Lob für den Mut, das bewährte Paketsystem der Mutterdistribution aufgeben zu wollen.

Wie passt das alles in das Zukunftsbild, das Canonical von Ubuntu zeichnet? Dreh- und Angelpunkt bei all dem ist wiederum der in den Zusammenhang viel geschundene Begriff der Konvergenz. Gemeint ist die Möglichkeit, die gleiche Software mit der exakt gleichen Codebasis sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem Desktop-Rechner und allem dazwischen einsetzen zu können. Dabei soll die Oberfläche etwa eines Smartphones, das in eine Dockingstation gesteckt wird, an der Display und Maus hängen, automatisch auf die Auflösung des zusätzlichen Displays hochskalieren.

Unter diesem Aspekt betrachtet ergeben die Eigenentwicklungen schon etwas mehr Sinn, aber natürlich begibt sich Canonical damit auf sandigen Boden, was in den bereits aufgelaufenen Verspätungen resultiert und weiteres Vertrauen in die Desktop-Variante der Distribution verspielt. Auf dem UOS wurden jetzt weitere Konturen einer tiefgreifenden Umstrukturierung bekannt. Snappy Personal soll auf lange Sicht Debians DEB-Format ablösen, während einer Übergangsphase sollen beide nebeneinander existieren.

Snappy Personal ist eine Weiterentwicklung des von Ubuntu Touch bekannten Click-Paketsystems, das damit auf den Desktop übertragen wird. Auch das ergibt im Hinblick auf Konvergenz Sinn, ganz abgesehen davon, dass man nur ein Paketsystem pflegen muss, wenn auch Debian hier die Hauptarbeit leistet.

Status Quo

Der derzeitige Stand bei Unity 8 und Mir, die bereits eng verzahnt auf Ubuntu Touch laufen sieht wie folgt aus: Beide sind zwar am Desktop installierbar, erlauben aber lediglich die Nutzung von Apps von Ubuntu Touch, die mit dem Ubuntu-SDK erstellt wurden, da diese bereits auf Mir optimiert sind. Zudem erscheinen andauernd Hinweise, man möge doch in diese oder jene Richtung wischen oder eine SIM-Karte einstecken und das Telefon neu starten. Das klingt nach Pre-Alpha und bedeutet bei solchen Basiskomponenten, dass noch sehr viel Arbeit zu tun bleibt.

Dazu gehört auch viele Core-Apps so umzubauen, damit sie mit Mir zusammenarbeiten. Wenn man aber schon so tief ins System eingreifen muss, so der Gedankengang bei Canonical, kann man auch gleich ein einfacheres Paketsystem implementieren.

Die Implementierung von Mir sieht zunächst vor, alle Apps, die bisher unter X liefen, in ein LXD-Container-System zu stecken und mittels des Kompatibilitätslevels XMir auszugeben. Der Probleme sind aber noch mehr, denn bisher funktioniert Mir nur mit freien Grafiktreibern. Canonical arbeitet mit Nvidia und AMD an der Unterstützung von Mir in den proprietären Treibern. Zudem wird zur Installation der Pakete des neuen Paketformats an einer grafischen Schnittstelle gearbeitet.

Gleichzeitig kündigte Mark Shuttleworth in seiner Eröffnungsrede für den Summit die Verfügbarkeit eines konvergenzfähigen Smartphones für den Jahresverlauf an.