Leserartikel Kurzer Test - was bringen bessere Latenzen bei Picasso?

Einleitung
AMD's aktuelle Mobilgeneration Renoir ist seit dem Frühjahr in aller Munde. Zum einen, weil in ultramobilen Geräten der 15-Watt-Klasse 8 vollwertige Kerne angeboten werden. Zum anderen, weil man sich in der 45-Watt-Klasse selbst im Vergleich zu Desktopsystemen nicht verstecken braucht.
Leider ist aber selbst im Herbst noch keine volle Marktdurchdringung erreicht. Nicht alle Konfigurationen sind verfügbar, Hersteller verschieben Modelle, wirkliche Schnäppchen sind rar.

Aus diesem Grund habe ich schon vor einigen Wochen entschieden, mich beim anstehenden Kauf abseits von Renoir umzusehen. Neben brauchbarer Arbeitsgeschwindigkeit stand für mich fest, dass der Laptop auch mit simplen Spielen zurecht kommen sollte. Eine integrierte Intel UHD war somit eher raus.
Mein Blick fiel somit auf AMD's Picasso-Generation, Renoirs direktem Vorgänger. Im Rahmen eines Black-Friday-Deals konnte ich mir für knapp 292,- Euro ein HP 15s-eq0355ng sichern.
Dieses ist wie folgt ausgestattet:
  • Ryzen 5 3500U - 4 Kerne, 8 Threads, bis 3.7 GHz, 15 Watt, 12nm, Zen+
  • Vega 8 Grafik - bis 1,2 GHz
  • 8 GB Ram - 2x4 GB in Dual Channel, 2400 MHz, 17-17-17-39 CR1
  • FullHD TN-Panel in 15,6"
  • 512 GB Samsung PM981a - ja, in einem Gerät für unter 300 Euro steckt dieses Schätzchen, welches jeweils sequenziell über 3550 MB/s lesend und 2950 MB/s schreibend schafft
Ansich für das Geld ein super Gerät. Die gefühlte Systemperformance beim Surfen etc. ist überraschend hoch und steht meinem Desktop-PC erstmal in nichts nach. Der 3500U ist zwar nicht mehr taufrisch, aber halt doch ein echter Ryzen, die flotte SSD und Ram im Dualchannel tun ihr übriges.
Meiner Meinung nach reichen 8 GB für die alltäglichen Dinge auch gut aus. Hier kommt das große Aber: die integrierte Vega 8 gönnt sich stets 2 GB des verbauten Rams. Leider ist dieser Teil nicht veränderbar oder dynamisch zugewiesen, sondern schlicht "weg".
Von den verbauten 8 GB sind somit nur noch gut 5,9 GB nutzbar, was dann in meinem Anwendungsfall doch öfter mal knapp wird. Da beim HP 15s-eq der Ram nicht verlötet, sondern gesockelt ist, entschied ich mich, auf 16 GB aufzurüsten.

Wahl des Rams
Bei der Auswahl des zu verbauenden Speichers gibt es einige Dinge, die man bei Picasso berücksichtigen sollte. Aus dem Desktop-Bereich weiß man, dass Ram-OC nochmals einen Leistungsschub bringen kann und gerade eine integrierte Grafikkarte von schnellem Speicher deutlich profitiert.
Picasso ist jedoch auf 2400 MHz Ramtakt beschränkt, Anpassungen nicht möglich, Übertaktung ausgeschlossen - zumindest auf dem vorliegenden Gerät.
Allerdings liegt theoretisch auch Leistung in den Latenzen verborgen, weswegen ich Speicher mit möglichst guten Timings erwerben wollte.

Dabei muss beachtet werden, dass Taktrate und Timings als Jedec-Angabe im SPD des Rams einprogrammiert sind, damit sie das Gerät anwenden kann. Ein XMP-Eintrag (Intel Extrem Memory Profil) sollte von der AMD-Plattform schlichtweg ignoriert werden.
Genauso werden höhere mögliche Taktraten nicht angewendet - entweder es gibt ein Jedec-Profil mit 2400 MHz, oder das nächst langsamere wird geladen.
Leider sind viele Hersteller sehr intrasparent und geben jeweils nur das schnellste einprogrammierte Profil ihres Produkts an, zum Beispiel 3200 MHz bei Timings von 18-18-18-43.
Wie schnell so ein Kit dann auf einer Picasso-Plattform wirklich läuft, weiß man erst, wenn man es ausprobiert hat.

Daher entschied ich mich dazu, 2x8 GB Kingston HyperX Impact zu kaufen, in der Ausführung 2400 MHz bei Timings von 14-14-14-35.
Dies ist bei Geizhals der 2400er Ram mit den niedrigsten Timings, alle anderen bieten CL16/17.
Kingston selbst gibt bei ihrem Speicher alle programmierten Stände an, so dass man nachvollziehen kann, dass die Werte sowohl als XMP- als auch Jedec-Profil hinterlegt ist.

Da es hier vor allem um die Auswirkungen der niedrigeren Timings geht, spare ich mir Details zum Umbau. Entscheidender ist an dieser Stelle die Frage: erkennt das System den Ram korrekt?
In meinem Fall kann ich sagen: alles hat hingehauen, 2400 MHz CL14: check.
1607723831103.png

Benchmarks
Somit schließt sich direkt die Frage an: profitiert man wirklich vom Ram mit niedrigeren Timings, oder hätte es auch der günstigere Value-Ram getan?
Zu diesem Zweck habe ich einige Tests laufen lassen. Da im besten Fall sowohl die generelle Leistung, als auch die Grafikperformance leicht ansteigen sollten,
habe ich beides mit synthetischen Benchmarks getestet. Dabei habe ich darauf geachtet, dass der Ram zu keinem Zeitpunkt vollläuft, damit rein die Timings 17-17-17-39 (alter Ram) mit 14-14-14-35 verglichen werden.

AIDA64
Aida ist ein Tool, das direkt Speicherbandbreite und Speicherverzögerung messen kann. Hier habe ich folgende Werte erhalten:
LesenSchreibenKopierenLatenz
CL1732648 MB/s33085 MB/s28619 MB/s118,3 ns
CL1435600 MB/s35932 MB/s31454 MB/s114,7 ns

1607724937705.png1607724951883.png

Rund 9% mehr Durchsatz in allen drei Tests haben mich doch staunen lassen, da der Speichertakt sich nicht verändert hat.
Im Gegenzug hätte ich erwartet, dass sich die Latenz stärker verbessert. Hier zeigt sich, dass die doch recht hohe Gesamtverzögerung vor allem auch der Plattform geschuldet ist, und schnellerer Speicher das nicht entsprechend kompensieren kann.
Leider habe ich nicht festgehalten, wie das System die Subtimings mit dem alten Ram gesetzt hat - der bessere Durchsatz suggeriert imo. aber, dass sich hier einiges geändert hat.
Die doch recht guten Ergebnisse hier machten mich jedenfalls zuversichtlich, dass in praxisnaheren Anwendungen doch ein relevanter Unterschied vorhanden wäre.


Cinebench
Cinebench profitiert bekanntlich kaum von schnellerem Arbeitsspeicher. Trotzdem habe ich Version 20 und 23 getestet.

CB20Single CoreMulti Core
CL173701300
CL143651322


1607725446542.png1607725468873.png

CB23Single CoreMulti Core
CL179473539
CL149453516

1607725702282.png1607725716146.png

Wie erwartet reagieren beide Versionen von Cinebench nicht auf den Wechsel. Die Unterschiede sind Messungenauigkeiten, die man durch größere Testreihen ausgleichen könnte. Ich denke aber, dass hier auch so klar ersichtlich ist, dass der eingesetzte Speicher hier keine Auswirkungen hat.
Abgesehen davon finde ich 370 Punkte Singlecore im CB20 schon sehenswert. Auch wenn Tigerlake und Zen3 die 600-Punkte-Marke durchbrechen, ist das im Alltag alles andere als langsam und schlägt auch so manche nicht mehr taufrische Desktop-Plattform.

PC Mark 10
Der PC Mark möchte ein anwendungsnaher Test sein und simuliert daher verschiedene Alltagsaufgaben, um festzustellen, wie gut sich das System zum Arbeiten eignet.
Hier ging ich von moderaten, aber doch relevanten Performancevorteilen aus.

EssentialsProduktivitätContent CreationGesamt
CL177500613234613885
CL147699631736104014

1607727061092.png1607727088999.png

Ca. 3 Prozent Leistungsgewinn sind zwar gut mess-, im Alltagsgebrauch aber sicherlich nicht spürbar. Im Endeffekt ist das Ergebniss schlechter als erwartet, die guten Ergebnisse der theoretischen Messungen von Aida schlagen sich nur zu einem kleinen Teil im realitätsnäheren PC Mark nieder.


Superposition Benchmark


Dieser Test ist der erste Grafikbenchmark. Die zugrundeliegende Technik Unigine wird als Spiele-Engine lizensiert, aber auch im Unternehmensbereich für Simulationen, Virtual Reality usw. eingesetzt.

Min FPSAvg FPSMax FPSScore
CL 177,7911,1015,241484
CL147,9411,2116,221498

1607727708425.png1607727721145.png

Hier zeigt sich, dass der schnellere Speicher keine Auswirkungen auf die Rendergeschwindigkeit der Vega8 im Test hat. Die Unterschiede liegen im Bereich der natürlichen Ungenauigkeit, durch Wiederholung kann das Ergebnis auch genau andersherum ausfallen.
Das ist soweit schon ernüchternd.


3D Mark - Time Spy

Vom 3D Mark erhoffte ich mir, dass wenigstens ein bisschen des 9% schnelleren Speichers auch in Grafikleistung umgesetzt wird.

Grafik-PunkteCPU-PunkteTime Spy Punkte
CL177722468860
CL147362397821

1607728091393.png1607728106869.png

Zuerstmal: ich habe die Ergebnisse nicht vertauscht. Das System erreicht mit dem neuen Speicher in der Tat einen niedrigeren Wert. Sowohl die Grafik- als auch die CPU-Punkte sind messbar zurück gegangen. Auch durch mehrmalige Wiederholung des Tests bin ich mit CL14 nicht auf die Werte des alten Speichers gekommen. Da sich an den System- und Umgebungsvariablen beim Testen absolut nichts geändert hat, kann ich nur mutmaßen, dass der zusätzliche Speicher CPU/GPU etwas von ihrem Powerbudget wegnimmt.


Fazit
Was habe ich also durch die Tests festgestellt?
Picasso profitiert durch "besseren" Ram wenig bis gar nicht. Die Limitierung auf 2400 MHz schiebt generell einen Riegel vor, der Wechsel von 17-17-17-39 auf 14-14-14-35 bringt zwar messbare Unterschiede, dürfte aber im Alltag allerdings zu keinem Zeitpunkt spürbar sein.
Gerade die Vega8 zeigt sich herzlich unbeeindruckt vom höheren Speicherdurchsatz, offenbar liegt hier kein Flaschenhals vor, der auf diese Weise behoben werden kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass man vor allem nach Preis und Kompatibilität kaufen sollte. Bei Renoir mag das anders aussehen, wo sich auch bis zu 16 Threads die Speicherbandbreite teilen müssen und die komplette Architektur überarbeitet wurde. Auch im Desktop kann passender Ram einem System Beine machen, vor allem, wenn man auch Subtimings manuell straffen kann. Für Picasso ist das in dieser Form nicht möglich, und man sollte hauptsächlich darauf achten, Dual Channel nutzen zu können und genug Speicher im System zu haben.

Generell kann die Picasso-Plattform meiner Meinung nach aber immer noch empfohlen werden. Die Grafikleistung von Renoir ist nur unwesentlich höher, die Single-Core-Leistung "der alten Garde" akzeptabel. Erst Multi-Core trumpft Renoir so richtig auf, während Intel mit Comet Lake H und Tiger Lake vor allem beim Thema Verbrauch unter Teillast punkten kann. Jedoch wird keine diese Plattformen verramscht, wärend bei Picasso immer mal Schnäpchen zu machen sind.
Überlegen sollte man sich generell, wie viel Speicher man benötigt, ob aufrüsten sinnvoll und überhaupt möglich ist. Von 8 GB nochmal gezwungener Maßen 2 GB an die Vega 8 abgeben zu müssen, kann schon einen spürbaren Unterschied ausmachen.
 
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Schöner Test....sehr interessant.
Mir war gar nicht klar, dass nur 2400er Ram funktioniert...das ist ja sehr ärgerlich, vor allem weil es die Bandbreite und den IF einschränkt.

Aber wenn man mal ehrlich ist, würde die APU auch mit 3200 CL14 keine Bäume ausreißen. ;)
 
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Pjack schrieb:
die integrierte Vega 8 gönnt sich stets 2 GB des verbauten Rams.
Das ist nur teilweise richtig. Der Wert wird im Bios vorgegeben und kann je nach Modell/Bios von 256MB bis 2GB (oder bei 16GB Desktop APUs).
 
Baal Netbeck schrieb:
Aber wenn man mal ehrlich ist, würde die APU auch mit 3200 CL14 keine Bäume ausreißen.
Sehe ich auch so. Es bleibt halt doch eine Mittelklasse-APU auf Basis von Zen+, die dazu noch ins 15-Watt-Korsett gezwängt wurde.

Tenferenzu schrieb:
Alles klar, danke für den Hinweis. Diese Option hat sich HP bei meinem Modell wohl leider weg gespart.
2 GB empfinde ich als ganz gute Wahl, solange halt nicht nur 8 GB gesamt verbaut sind.

Kann Intels UHD nicht sogar dynamisch benötigten Ram reservieren? Also je nach Bedarf?
 
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Pjack schrieb:
Ich glaube ja, jedenfalls wird bei meinem Pentium weniger RAM von der Grafikkarte in Dauerbeschlag genommen, als beim Ryzen.
Im Alltag fällt es jetzt aber nicht so extrem auf.

Sind das eigentlich Dual Rank RAMs, die du verbaut hast?

PS ich hab bei Youtube auch schon gesehen, das DDR4-3200 in diesem hp Gerät verbaut wurde
 
Also laut CPU-Z sind die Module jeweils Single Rank.

Kann denke ich immer sein, dass WLAN/Ram/SSD irgendwas anderes verbaut wird. HP und Konsorten werden da riesige Chargen von den Herstellern beziehen und dann munter in verschiedenste Geräte rein puzzlen, wie es halt kommt.
Dadurch kann man halt Glück haben, und hat zB. in einem Einstiegsgerät eine PM981a verbaut.
3200er Ram widerrum nützt einem halt nur, wenn die Plattform es auch kann.
 
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