Vorratsdatenspeicherung, Quick-Freeze oder Geldstrafe?

Andreas Frischholz
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Der langwierige Streit der Regierung um die Vorratsdatenspeicherung scheint allmählich zu einem Ergebnis zu kommen, auch wenn CDU/CSU und FDP nach wie vor auf ihren Positionen beharren. Vorangetrieben wird die Debatte von einem Ultimatum der EU-Kommission, zusätzlich beeinflusst von Ermittlungen in der französischen Mordserie.

Ohne die anlasslose Speicherung von Telekommunikations- und Verbindungsdaten hätte die Mordserie nicht aufgeklärt werden können, erklärte CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl gegenüber der Tageszeitung Die Welt. Deswegen habe die Innenministerkonferenz Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) beauftragt, den Druck auf Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu erhöhen. Allerdings bestehen Zweifel, ob die Vorratsdatenspeicherung wirklich der entscheidende Aspekt bei den Ermittlungen in Frankreich war. Nach einem Bericht des AK Vorratsdatenspeicherung waren nicht Vorratsdaten für die erfolgreiche Ermittlung verantwortlich, sondern der Hinweis eines Motorradhändlers.

Die FDP lehnt das Ansinnen der Union weiterhin ab. Parteichef Philipp Rösler sagte dem Hamburger Abendblatt: „Eine anlasslose Speicherung von Daten würde bedeuten, dass der Staat pauschal seine Bürger verdächtigt, sie könnten irgendwann einmal Straftäter werden.“ Die Liberalen werben stattdessen für das von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bevorzugte „Quick-Freeze“-Verfahren, das den Zugriff auf Daten durch Behörden stark einschränkt. Rösler erwartet nun, dass die Union Quick-Freeze als Kompromiss akzeptiert – diese lehnt bis dato den Vorstoß der Liberalen allerdings rigoros ab. Mittlerweile soll sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeschaltet haben, indem sie Rösler aufforderte, ein Gesetz entsprechend der Vorgaben der EU-Richtlinie zu verabschieden.

Das Quick-Freeze-Verfahren entspricht jedoch nicht den Vorgaben der Richtlinie, die eine anlasslose Datenspeicherung zwischen sechs Monaten und zwei Jahren vorsieht. Die EU-Kommission hat derweil den Druck auf die Bundesregierung erhöht, um endlich eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden, nachdem die ursprüngliche Umsetzung im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Nun will die Kommission in vier Wochen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen, sollte bis dahin keine Umsetzung der Richtlinie erfolgen. Ob am Ende des Prozesses eine Verurteilung zu einer Strafzahlung – und falls ja in welcher Höhe – folgt, ist bislang offen.

Die verantwortliche EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström will die Richtlinie überarbeiten, die auch auf europäischer Ebene umstritten ist. Studien im Auftrag der EU-Kommission haben Zweifel an der Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung bestärkt, ebenso wie die kürzlich offiziell veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts, die der Vorratsdatenspeicherung keine signifikante Wirkung auf die Aufklärungsquote attestiert. Trotz der drohenden Strafzahlung mahnen Politiker von FDP und Grüne, nicht überstürzt zu handeln. „Die Europäische Kommission hat Deutschland auch wegen des VW-Gesetzes verklagt, und niemand käme auf die Idee, deshalb das VW-Gesetz aufzuheben", sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Christian Ahrendt.

Für das VW-Gesetz wurde Deutschland zu einer Strafe von 46 Millionen Euro verurteilt, was 126.000 Euro pro Tag entspricht. Einen ähnlichen Tagessatz erwartet man auch bezüglich der Vorratsdatenspeicherung. Bis zu einer endgültigen Verurteilung dürfte es aber noch Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern – ein Zeitrahmen, in dem sich die Ausgangslage merklich ändern könnte. Malmström setzt nach wie vor auf die Vorratsdatenspeicherung, will im Juni aber Reformvorschläge präsentieren. Zudem lässt Irland derzeit vom Europäischen Gerichtshof prüfen, ob eine anlasslose Datenspeicherung überhaupt vereinbar ist mit der Europäischen Grundrechtecharta. Leutheusser-Schnarrenberger sieht nun die EU-Kommission in der Bringschuld. „Die überfällige Änderung der Richtlinie darf nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden“, sagte die Ministerin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es sei erklärungsbedürftig, warum eine Richtlinie mit „Brachialgewalt“ umgesetzt werden müsse, die ohnehin in absehbarer Zeit überarbeitet werden soll.

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