Japanische Wissenschaftler erproben Billard-Computer mit Krabben

Maximilian Schlafer
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Wissenschaftler der japanischen Kobe University haben einen Modellcomputer erbaut, welcher sich das Schwarmverhalten von Krabben zu Nutze macht. Dabei lehnten sie sich an das in den 1980er Jahren entwickelte Konzept des sogenannten „Billard-Computers“ an.

Dieser „Billard-Computer“ stellt einen hypothetischen mechanisch arbeitenden Computer dar, der auf der Bewegung von Billard-Kugeln in einer idealisierten reibungsfreien Umgebung aus Puffern basiert, an denen die Billard-Kugeln bei einem Aufprall jeweils wieder perfekt abprallen. Die Idee dahinter war damals Zusammenhänge zwischen reversiblen physikalischen Prozessen und herkömmlichen Computerberechnungen eingehender zu beleuchten. Der Informationstransport in diesem Modell erfolgt dabei über einen Kanal, in dem sich entweder Billard-Kugeln befinden oder eben nicht. Die Verarbeitung geschieht dann mit Hilfe von verschiedenen sogenannten „Gates“. Je nachdem, ob und wenn ja, wie sie dort hineinfallen bzw. durch den Aufprall aufeinander abgestoßen werden, variiert dann das Ergebnis. Erdacht wurde dieses Konzept von den Wissenschaftlern Edward Fredkin und Tommaso Toffoli.

An diesen Gedankenansatz schlossen nun Yukio-Pegio Gunji, Yuta Nishiyama – beide vom „Department of Earth and Planetary Sciences“ der Kobe University – und Andrew Adamatzky vom „Unconventional Computing Centre“ der University of the West of England an und wendeten das Konzept auf Krabben der Gattung „Mictyris guinotae“an, die sie anstatt der Billard-Kugeln nutzten.

Besagte Krabben leben normalerweise in großen Kolonien mit hunderttausenden Einzeltieren und bevölkern mit Vorliebe flache Lagunen an der japanischen Küste. Die Struktur der Schwärme lässt sich dabei nun in zwei unterschiedliche Verhaltensweisen zerlegen, die die Krabben abhängig von ihrer „geographischen“ Position innerhalb des Schwarmes zeigen. Jene am vorderen Rand des Schwarmes zeigen ein progressives Verhalten und geben dabei die Richtung vor, während am „passiven“ hinteren Rand des Schwarmes die Tiere eher nur schlicht ihren Nachbarn folgen. Zudem sind die Ränder das Schwarmes scharf und glatt, das Innere doch von großer Dynamik geprägt.

Krabben-Versuchsanordnung 2 (Quelle: www.complex-systems.com/pdf/20-2-2.pdf)
Krabben-Versuchsanordnung 2 (Quelle: www.complex-systems.com/pdf/20-2-2.pdf)

Werden nun zwei solcher Schwärme in zwei aufeinander zulaufende Korridore platziert und dort mittels einfacher Mittel – ein simpler Schatten zur Simulation eines anfliegendes Meeresvogels, der sich seinen Magen füllen möchte, reicht hier schon – aufeinander zugetrieben, so zeigen die Krabbenschwärme ein Verhalten, wie man es auch von Billiardkugeln kennt. Beide Schwärme bewegen sich dann in jene Richtung, die der Summe ihrer Geschwindigkeit und ihrem Auftreffwinkel entspricht. Aufgrund ihrer Dynamik vereinen sie sich dabei zu einem einzelnen, was Billardkugeln aus naheliegenden Gründen verwehrt bliebe.

Basierend auf dieser vorhersehbaren Verhaltensweise erstellte das Forscherteam nun diverse Versuchsanordnungen, die ihrem Aufbau nach einem logischen Element entsprachen. Dort wurden dann insgesamt 80 der Krabben – geteilt in zwei 40 Krabben zählende Schwärme – platziert und mit dem bereits erwähnten Pseudo-Vogelschatten in Bewegung versetzt. Zusätzlich wurden Untersuchungen über die Robustheit des Krabbenverhaltens angestellt, etwa durch das Zulassen von diversen Störfaktoren wie externen Lärmquellen.

Krabben-Versuchsanordnung (Quelle: www.complex-systems.com/pdf/20-2-2.pdf)
Krabben-Versuchsanordnung (Quelle: www.complex-systems.com/pdf/20-2-2.pdf)

Die Wissenschaftler konnten feststellen, dass sie ohne Störquellen sowohl OR- als auch AND und NOT-Gates simulieren konnten.

Das OR-Gate – auf der Graphik ist das jener Ort, an dem sich die Schwärme vereinigen – vermochte es, auch noch unter Störeinflüssen gute Ergebnisse zu liefern. Das AND-Gate – hier musste der akkumulierte Krabbenschwarm einen der drei Wege wählen – dieses Versuches war hingegen um einiges störanfälliger. Dies glauben die Wissenschaftler jedoch derart lösen zu können, indem sie eine krabbenfreundlichere Umgebung bereitstellen.

Mit dieser Art von Grundlagenforschung wollen die Forscher darlegen, dass auch Berechnungsmodi auf biologischer Basis prinzipiell machbar und auch unter erschwerten Bedingungen zuverlässig sein können.