Von 377 Millionen auf 3 Millionen: Bundesregierung streicht rigoros Mittel für Digitalisierung

Andreas Frischholz
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Von 377 Millionen auf 3 Millionen: Bundesregierung streicht rigoros Mittel für Digitalisierung
Bild: Carsten | CC BY 2.0

Die Bundesregierung will das Budget für die Digitalisierung im kommenden Jahr rigoros zusammenstreichen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Demnach sollen die Mittel von 377 Millionen Euro im Jahr 2022 auf drei Millionen Euro im kommenden Jahr sinken.

Bei der Verwaltungsdigitalisierung handelt es sich im Kern um das Online-Zugangsgesetz (OZG), das ursprünglich regelte, dass Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen bis Ende 2022 auch online angeboten werden müssen. Das Ziel wurde klar verfehlt, ein unter dem Titel OZG 2.0 kursierendes Nachfolgegesetz ist noch nicht in Kraft.

Kritik an digitalen Versäumnissen

An vielen Stellen hapert es ohnehin. Durch die zusammengestrichenen Mittel könnte sich das noch weiter verschärfen, heißt es etwa in Schleswig-Holstein. Das Land entwickelt als eines der sogenannten Leuchtturmprojekte eine Online-Beantragung für das Wohngeld – das Verfahren könnten rund zwei Millionen Haushalte nutzen. In wie viele Kommunen es am Ende ankommt, bleibt nun aber offen.

In der FAZ erklärt Dirk Schrödter von der Staatskanzlei Schleswig-Holsteins: „Durch die unmissverständliche Absage des Bundes, sich weiterhin finanziell an der Umsetzung des OZG zu beteiligen, hat der Bund der Vereinbarung eine wesentliche Geschäftsgrundlage entzogen.“ Kooperationen werden also bereits eingestellt.

Bundestagsabgeordnete kritisieren die Pläne – das gilt sowohl für Vertreter der Regierungsparteien als auch der Opposition. Der FDP-Haushaltspolitiker Thorsten Lieb erklärte in der FAZ, er vermisse in der Haushaltsplanung 575 Millionen Euro, die für die Umsetzung des OZG 2.0 erforderlich seien. Hinzu würden noch 27 Millionen Euro für laufende Kosten kommen. „Ein Stillstand bei der Digitalisierung darf es nicht geben“, so Lieb. 2024 dürfe kein digitalpolitisches Übergangsjahr sein. Die Unions-Haushaltspolitikerin Franziska Hoppermann bemängelt ebenfalls eine „desaströse Digitalpolitik“, die Bundesregierung verschlafe „dringend wichtige Zukunftsvisionen“.

Ein Sprecher des Digitalministeriums erklärte derweil der FAZ, die Finanzierung im kommenden Jahr sei gesichert. So würden „Ausgabereste“ aus zurückliegenden Haushaltsjahren verwendet, zudem habe sich das Budget der FItko, eine Koordinierungsstelle von Bund und Ländern, erhöht.

Weitere Projekte wie digitale Identitäten betroffen

Neben der Verwaltungsdigitalisierung sind auch weitere Projekte von Budgetkürzungen betroffen. Dazu zählt auch die Entwicklung eines Systems für digitale Identitäten. Bei diesem sinken die Mittel von 60 Millionen auf 40 Millionen Euro.

Digitale Identitäten gelten als besonders bedeutsam, weil die Verfahren künftig im Mittelpunkt stehen, wenn sich Bürger online rechtlich verbindlich ausweisen sollen. Das ist für die digitale Verwaltung relevant, weil Bürger dann nicht mehr vor Ort erscheinen müssen. Ebenso soll aber auch Unternehmen die Systeme nutzen können, damit sich etwa Bankgeschäfte komfortabler im Netz abwickeln lassen.

Konzeptuell fehlt aber weiterhin eine klare Strategie, heißt es in einer Analyse von Netzpolitik.org aus dem Januar dieses Jahres. Die CDU-geführte Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel verstrickte sich in Projekte wie die ID-Wallet für einen digitalen Führerschein, bei der schnell Sicherheitslücken entdeckt wurden – die entsprechende App verschwand schnell wieder. Die Ampel selbst feilt noch an einer Strategie.