Audi, BMW, Tesla: Infotainmentsysteme fallen unter den Medien­staats­vertrag

Nicolas La Rocco
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Audi, BMW, Tesla: Infotainmentsysteme fallen unter den Medien­staats­vertrag

Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) hat in ihrer Sitzung vom März Info­tainmentsysteme von Audi, BMW, Mini und Tesla zu sogenannten Benutzeroberflächen erklärt. Damit einher gehen für die Anbieter gewisse Auflagen wie für das Ausspielen der Öffentlich-Rechtlichen. Bei Tesla gehen die Auflagen einen Schritt weiter.

Laut eigener Beschreibung ist die Kommission für Zulassung und Aufsicht das zentrale Organ der Medienanstalten und beschäftigt sich mit Kernfragen der Zulassung und Kontrolle für bundesweite private Rundfunkveranstalter, der Aufsicht über Onlinemedien, der Regulierung von Plattformen sowie der Entwicklung des digitalen Rundfunks. Die ZAK sieht auch eine Aufsichtspflicht gegenüber den Medienangeboten von Autoherstellern, die sie jetzt erstmals ausgeübt hat.

Die ZAK stuft ihrer Entscheidung die Info­tainmentsysteme von Audi, BMW, Mini und Tesla als sogenannte Benutzeroberflächen ein und will damit den Gedanken des Gesetzgebers unterstreichen, dass Vielfalt beim Verbraucher auch ankommen müsse, da eine Vielzahl von Angeboten noch keine Vielfalt schaffe. Medienrechtliche Prinzipien, die die Auffindbarkeit von Medienangeboten sicherstellen, müssen laut ZAK auch bei neuartigen Angeboten greifen.

Systeme fallen unter Medienstaatsvertrag

Die Info­tainmentsysteme fallen durch die Entscheidung unter den Medienstaatsvertrag (PDF), in dem Benutzeroberflächen als ein Telemedium definiert werden, das „eine textliche, bildliche oder akustische Übersicht über Angebote oder Inhalte einzelner oder mehrerer Medienplattformen vermittelt, die der Orientierung dient und unmittelbar die Auswahl von Angeboten, Inhalten oder softwarebasierten Anwendungen, welche im Wesentlichen der unmittelbaren Ansteuerung von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien oder Telemedien nach § 19 Abs. 1 dienen, ermöglicht.“ Benutzeroberflächen sind insbesondere:

  • Angebots- oder Programmübersichten einer Medienplattform
  • Angebots- oder Programmübersichten, die nicht zugleich Teil einer Medienplattform sind
  • Visuelle oder akustische Präsentationen auch gerätegebundener Medienplattformen, sofern sie die Funktion nach Satz 1 erfüllen (siehe PDF)

Einstufung hat Auflagen zur Folge

Mit dieser Einstufung gehen gewisse Auflagen einher. Die Anbieter von Benutzeroberflächen sind für ihre eigenen Angebote verantwortlich und bei Verfügungen der Aufsichtsbehörden gegen Angebote oder Inhalte Dritter, die über die Medienplattform verbreitet werden oder in Benutzeroberflächen enthalten sind, zur Umsetzung dieser Verfügung verpflichtet. Außerdem gilt:

Gleichartige Angebote oder Inhalte dürfen bei der Auffindbarkeit, insbesondere der Sortierung, Anordnung oder Präsentation in Benutzeroberflächen, nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden; die Auffindbarkeit darf nicht unbillig behindert werden. Zulässige Kriterien für eine Sortierung oder Anordnung sind insbesondere Alphabet, Genres oder Nutzungsreichweite. Alle Angebote müssen mittels einer Suchfunktion diskriminierungsfrei auffindbar sein.

Medienstaatsvertrag, § 84 Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen, (2)

Vorgeschrieben wird auch, dass der über eine Benutzeroberfläche vermittelte Rundfunk in seiner Gesamtheit auf der ersten Auswahlebene unmittelbar erreichbar und leicht auffindbar zu sein ist. Das gilt für die gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme, die Rundfunkprogramme, die Fensterprogramme (§ 59 Abs. 4) sowie die privaten Programme, die in besonderem Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten.

Autohersteller seien neue Gatekeeper

Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), spricht von neuen Gatekeepern.

Klingt erstmal komisch, ist aber so: In-Car-Entertainment-Systeme sind aus guten Gründen im Fokus der Medienaufsicht. Immerhin entscheiden diese Oberflächen darüber, welche Medienangebote im Auto an die Ohren der Hörerinnen und Hörer dringen können. Wir haben es also mit neuen Gatekeepern zu tun, die der Gesetzgeber daher konsequent der Medienaufsicht unterstellt.

Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der ZAK

Dr. Thorsten Schmiege, Koordinator des Fachausschusses Infrastruktur und Innovation, geht davon aus und fordert nachdrücklich ein, dass andere Automobilhersteller in Kürze nachziehen werden.

Radio spielt im Auto eine zentrale Rolle. Es geht um den Zugang zu lokalen Nachrichten oder aktuellen Warnmeldungen, aber auch um die Nutzenden, die erwarten, Radio und hörenswerte Inhalte im Auto leicht aufzufinden. Mit den Anzeigen bekennen sich die Automobilhersteller zu ihrer Verantwortung, Medienvielfalt auch im Auto praktisch umsetzen zu wollen. Wir gehen davon aus und werden es auch nachdrücklich einfordern, dass andere Automobilhersteller in Kürze nachziehen.

Dr. Thorsten Schmiege, Koordinator des Fachausschusses Infrastruktur und Innovation

Tesla Media Player ist eine Medienplattform

Speziell bei Tesla wurde der „Tesla Media Player“ zusätzlich als sogenannte Medienplattform eingestuft. Diese ist im Medienstaatsvertrag folgendermaßen definiert.

Medienplattform ist jedes Telemedium, soweit es Rundfunk, rundfunkähnliche Telemedien oder Telemedien nach § 19 Abs. 1 zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst. Die Zusammenfassung von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien oder Telemedien nach § 19 Abs. 1 ist auch die Zusammenfassung von softwarebasierten Anwendungen, welche im Wesentlichen der unmittelbaren Ansteuerung von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien, Telemedien nach § 19 Abs. 1 oder Telemedien im Sinne des Satz 1 dienen.

Medienstaatsvertrag, § 2 Begriffsbestimmungen, (2), 14.

Als Anbieter einer Medienplattform muss Tesla dem Medienstaatsvertrag zufolge innerhalb einer technischen Kapazität im Umfang von höchstens einem Drittel der Gesamtkapazität für die digitale Verbreitung von Fernsehprogrammen mehrere Regelungen sicherstellen. Tesla muss innerhalb dieses Drittels gewährleisten, dass die erforderlichen Kapazitäten für die bundesweiten gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme sowie für die Dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich programmbegleitender Dienste zur Verfügung stehen. Aber auch die Kapazitäten für die privaten Fernsehprogramme müssen gegeben sein, wenn diese Regionalfenster gemäß § 59 enthalten, einschließlich programmbegleitender Dienste. Die Auflage umfasst auch die im jeweiligen Land zugelassenen regionalen und lokalen Fernsehprogramme sowie die Offenen Kanäle.

Es gibt Ausnahmen

Der Medienstaatsvertrag sieht aber auch Ausnahmen beim Nachweis unzumutbarem Aufwands oder technischen Limitierungen vor. Befreit von den Anforderungen ist ein Anbieter auch, sofern dieser der zuständigen Landesmedienanstalt nachweisen kann, dass er selbst oder ein Dritter den Empfang der entsprechenden Angebote auf einem gleichartigen Übertragungsweg und demselben Endgerät unmittelbar und ohne zusätzlichen Aufwand ermöglicht, oder das Gebot der Meinungsvielfalt und Angebotsvielfalt bereits im Rahmen der Zuordnungs- oder Zuweisungsentscheidung nach den §§ 101 oder 102 berücksichtigt wurde. Es bleibt abzuwarten, wie die Autohersteller auf die Entscheidung der ZAK reagieren werden.