Fu Manchu schrieb:
Bei uns steht der Abschluss/Titel auf der Visitenkarte und in den Email-Signaturen, d.h. diese Info ist permanent präsent und wird jedem Mitarbeiter und Kunden aufs Auge gedrückt.
Mag sein. Aber stell Dir mal die Frage, warum ich als Auftraggeber Interesse an dieser Information haben sollte. Ich zahle für Kompetenz und nicht für Abschlüsse, die vielleicht auch noch zehn Jahre her sind. Erst letzte Woche hatte ich jemand da, der einen Master in Wirtschaftsinformatik hatte, mir aber nicht den Unterschied zwischen ftp und sftp erklären konnte.
Das EINZIGE, was mich auf einer Visitenkarte maximal interessiert, ist der Hinweis Prokura oder Geschäftsführer o.ä. Da geht es nämlich darum, wie verbindlich das Gespräch sein wird. Ob der wirtschaftlich Bevollmächtigte vor x Jahren mal Trommeltanzen studiert hat, bringt mir hingegen gar nichts. Aber das ist eher für den Sales-Pitch und nicht die Bewerbung interessant. Visitenkarten übrigens auch nicht...
Phear schrieb:
Das ist das perfekte Beispiel für die verkorkste Gesellschaft. ... Hauptsache Titel auf der Karte, aber keine Ahnung von seinem Job.
Absolute Zustimmung! Deshalb ist es auch zur Gewohnheit geworden, im ersten Schritt die Teammitglieder des externen Dienstleisters und im zweiten Schritt den Dienstleister auszutauschen. Denn im Sales-Meeting mag der Sales-Verantwortliche noch große Töne gespuckt haben. Wenn die Consultants dann auftauchen, will ich für 800 bis 1500 Euro Tagessatz einfach auch Ergebnisse sehen. Und wenn keine kommen, sitzen die schnell wieder in der Zentrale und produzieren nicht fakturierbare Stunden. Und solche Typen behält auf Dauer kein Consulting-Unternehmen, auch wenn er "König von Saba" auf der Visitenkarte stehen hat.
Fu Manchu schrieb:
Das ist nicht ganz korrekt. Kompetenz muss erst mal erlernt sein und ein guter Weg - und vor allem ein überprüfbarer Weg - ist ein Studienabschluss. Kompetent herüberkommen bei völliger Ahnungslosigkeit ist jeder Person möglich, aber die Chancen stehen gut, das jemand die theoretischen Grundlagen hat, wenn derjenige studiert hat und einen Titel besitzt.
Aus Erfahrung: nein.
Fu Manchu schrieb:
Des weiteren ist dein letzter Satz auch polemisch, so als würde ein Titel darauf hinweisen, dass jemand keine Ahnung hat. Seien wir ehrlich, wer sich mehrere Jahre durch ein Studium bewegt, der hat am Ende mehr Ahnung als derjenige, der das Studium nicht begonnen oder abgebrochen hat.
Das ist genau der Irrtum, auf den ich den TO hinweisen möchte. Gute Consultants können auch einen Titel tragen. Aber nicht jeder mit Titel hat die nötigen Voraussetzungen, ein guter Consultant zu sein. Deshalb ist es wichtig, was der Bewerber sonst noch gemacht hat. Einer mit hervorragenden Noten und einen Master, der aber sonst nichts vorzuweisen hat, gehört zu den idealen Kandidaten für den Stapel "zur Not". Mir ist ein Kandidat viel lieber, der schlüssig argumentieren kann, wieso er das CRM-Projekt in Seattle gemacht hat, statt seinen Master abzuschließen oder gar anzutreten.
Fu Manchu schrieb:
Du würdest im medizinischen Bereich ja auch nicht jemand, der kompetent rüberkommt, aber keinen Titel (im Sinne abgeschlossenes Medizinstudium, geht auch ohne Dr.) an dir rumwerkeln lassen.
Das ist aus gleich mehreren Gründen ein schlechtes Beispiel. Medizin vs. IT, Beratung vs. Development, ganz zu schweigen von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Wissensgenerierung.
Fu Manchu schrieb:
So wollen eben auch Firmen und Kunden prüfbare Titel sehen, damit nicht nur Kompetenz ausgestrahlt wird, sondern diese auch in Form eines Abschlusses überprüfbar ist.
Kann man nicht verallgemeinern. Ich kenne nur Firmen, bei denen das nicht so ist.
Funart schrieb:
Wer wirklich der Meinung ist, dass ein Master oder Doktor ein garannt für wissen ist, sollte anfangen sich mit eben diesen zu Unterhalten. Möglicherweise stellt man dann fest, dass dies eine Illusion ist.
Häufig ist das wissen einige Jahre alt, was im IT Bereich eine Ewigkeit darstellt.
Ein guter Punkt!
Dafür gibt es ja auch die Bewerbungsgespräche. Nur muss man halt immer überlegen, wen man überhaupt von den Kandidaten einlädt. Denn nichts ist ärgerlicher, als seine Zeit mit einem absolut unpassenden Kandidaten verschwendet zu haben. Um es bildlich zu machen: wenn ich einen Consultant für agile Methoden suche, dann verziehe ich bei "hat Wirtschaftsinformatik studiert" keine Miene. Wenn irgendwo steht "hat als Scrum Master in Projekt XY gearbeitet", fange ich langsam an, eine Augenbraue hoch zu ziehen und mich damit für den Kandidaten zu interessieren. Was die Inhalte seines Studiums waren, das schlage ich doch in 1000 kalten Wintern nicht nach!
Funart schrieb:
Mich hat bis dato niemand nach Noten gefragt und ich arbeite für eines der großen bekannten IT Unternehmen. Es wird sich bei mir auch kaum noch jemand für irgend eine Art von Abschluss wirklich interessieren. Nach 3-4 Jahren zählt Berufserfahrung/Wissen (das eine hat mit dem Anderen nichts zu tun)
Genau meine Erfahrung!