Crytek droht mit Auswanderung

Jirko Alex
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Passend zur Games Convention, die in zwei Tagen für die Besucher öffnet, verschärft sich auch die Debatte über den Umgang mit Gewaltspielen erneut. Das größte deutsche Entwicklerstudio Crytek, das derzeit an der Fertigstellung des international beachteten Crysis arbeitet, droht präventiv mit der Auswanderung.

Wenn am 23. August die Tore der Leipziger Games Convention öffnen, wird ein Spiel besondere Beachtung finden: Der Ego-Shooter Crysis, der noch in diesem Jahr erscheinen soll und schon jetzt als Verkaufserfolg gilt, kann auch auf der diesjährigen Computerspielemesse begutachtet werden. Dass jedoch nicht nur begeisternde Vorfreude mit dem Namen Crysis und dem Spielprinzip der Ego-Shooter verbunden ist, zeigen neuerliche Äußerungen der Macher des Computerspiels. So bezogen die drei Firmeninhaber von Crytek, Faruk, Avni und Cevat Yerli, im Welt-Online-Interview Stellung zu ihrem Werk.

Dabei haben sie deutlich gemacht, dass sie nicht nur vollends hinter dem Produkt stehen, sondern bei einer Eskalation der Debatte über sogenannte „Killerspiele“ auch kein Problem damit hätten, Deutschland den Rücken zu kehren, sollte es zu einem Herstellungsverbot von Gewaltspielen kommen. Da die Firma ohnehin international ausgerichtet sei und man Budapest für eine schöne Stadt halte, in der Crytek zudem bereits einen Firmensitz unterhält, könnte man sich durchaus eine Abwanderung dorthin vorstellen. Zudem klopfen monatlich Wirtschaftsminister anderer Ländern an die Türen der Crysis-Macher, um ihr Land als neues Heimatland von Crytek zu empfehlen. „Vor allem England, Schottland, Österreich und Singapur sind sehr aktiv“, so Faruk Yerli, „die klopfen regelmäßig bei uns an die Tür“.

Das mit dem Verlust der Spielefirma, die derzeit in Frankfurt am Main ansässig ist, kein Niemand Deutschland verlassen würde, ist vielen Anhängern der Spiele aus diesem Hause klar. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich bei Crytek jedoch zudem um den größten Entwickler im deutschsprachigen Raum. Außerdem entwickelt er als einziger international gefragte Produkte. Dies zeigt nicht nur die Kooperation mit Electronic Arts, dem weltweit größten Spiele-Publisher, der auch Crysis vertreiben wird; auch die bis heute 2,5 Millionen verkauften FarCry-Spiele zeichnen ein deutliches Bild vom Erfolg.

Dass die Spiele-Branche zudem eine wachsende ist, veranschaulicht eine aktuelle Studie von PricewaterhouseCoopers. Aus ihr geht hervor, dass der Umsatz mit PC- und Videospielen bis 2011 um jährlich etwa 9,7 Prozentpunkte wachsen wird. Das europäische Marktvolumen betrage folglich in vier Jahren 15,4 Milliarden US-Dollar; 2006 lag dieser Wert noch bei einem Jahresumsatz von 9,4 Milliarden US-Dollar.

Ein Abwandern von Crytek aus Deutschland steht auf kurze Sicht aber noch nicht an. Zwar platzieren sich einige Politiker noch immer als Verfechter eines Verbotes von „virtuellen Killerspielen“ – ohne bisher jedoch eine Definition für die Problemspiele gefunden zu haben, als realpolitisch durchsetzbar erwies sich jedoch bisher nur eine Ausweitung der Definition von potenziell indizierungsgefährdeten Computerspielen. So sieht das im Februar dieses Jahres vorgestellte und wohl im Herbst umgesetzte „Sofortprogramm gegen Killerspiele“ vor, dass neben „gewaltverherrlichenden“ Computerspielen auch „gewaltbeherrschte“ PC- und Videospiele indiziert werden können. Die Grenze für einen Platz auf dem Index wurde also nach unten verschoben, ohne jedoch ein generelles Verbot von Gewaltspielen umzusetzen. Auch die USK wird in Folge der Debatte umstrukturiert, um ihren Aufgaben besser nachkommen zu können. Schlussendlich dürfte es aber die offiziell vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegebene Studie zur Auswirkung von Gewaltspielen auf Jugendliche sein, die am ehesten verdeutlicht, dass ein „Killerspielverbot“ mehr politische Phrase denn reale Ursachenbekämpfung von Jugendgewalt und Amokläufe ist.

Sollten sich die Politiker dieses Landes an die wissenschaftlichen Empfehlungen der eigenen Studie halten, steht auch in nächster Zeit kein Grund ins Haus, der Crytek allzu sehr zum Auswandern zwingt – auch und gerade weil dies ohnehin nur eine Verschiebung des Problems an sich wäre, das viele Menschen mit Gewaltspielen haben.

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