US-Musikindustrie stoppt Massenklagen

Jirko Alex
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Wie das Wall Street Journal berichtet, will die US-Musikindustrie nicht mehr mit tausenden Klagen gegen Bürger vorgehen, die als Filesharer enttarnt werden. Stattdessen wolle man enger mit den Providern zusammenarbeiten, um notfalls den Internetzugang eines hartnäckigen Anbieters urheberrechtlich geschützten Materials zu sperren.

Der Kurswechsel ist dabei nicht trivial, strengte der Interessenverband der US-Musikindustrie, die Recording Industry Association of America (RIAA), seit 2003 doch über 35.000 Klagen gegen Privatpersonen an. Das harte Vorgehen gegen die Filesharer hatte jedoch gleich im doppelten Sinne keinen Erfolg: Weder war ein Abschwung der Filesharing-Zahlen zu beobachten, noch bildete sich in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür, Urheberrechte zu wahren. Tatsächlich blieb die Zahl der Filesharer in den USA in den vergangenen Jahren konstant. Sie liegt bei etwa 19 Prozent der im Internet tätigen Bevölkerung. Zeitgleich stieg das Datenvolumen, welches über P2P-Portale über die Leitungen geschickt wurde, jedoch konstant an. Zudem handelte sich die US-Musiklobby ein desaströses Image ein, da immer wieder Klagen gegen alleinerziehende Mütter, Tote oder Kinder angestrengt wurden. Es fehlte auch an sichtbarem Willen, sich der wachsenden Internetgemeinschaft anzupassen und neue Vertriebswege zu erschließen.

Der Strategiewechsel ist daher pure Notwendigkeit. Die RIAA will dabei nicht auf die Eindämmung von Filesharern verzichten, sie unterlässt jedoch vorerst das Einschalten der Anwälte. So habe man Vereinbarungen mit mehreren Internetprovidern geschlossen, heißt es, die man künftig über illegale Aktivitäten ihrer Kunden informieren wolle. Der Provider werde dann eine Mitteilung an seinen Kunden schicken, in der er dazu aufgefordert wird, den illegalen Upload geschützter Inhalte zu unterlassen. Tut er dies nicht, könnte weitere Ermahnungen folgen. Auch eine Einschränkung der Service-Qualität oder der Internetgeschwindigkeit ist denkbar. In letzter Konsequenz könnte dem Kunden der Internetanschluss gekündigt werden. Das geplante Vorgehen in den USA erinnert an das französische Modell, das ebenfalls erzieherisch mit seinen Internetnutzern umgehen will.

Über die Langzeitwirkungen ist mangels großflächigem Einsatz des Vorgehens bisher aber nichts bekannt. Es könnte sich auch als ineffektiv herausstellen, sodass auf lange Sicht wieder rechtliche Auseinandersetzungen angestrebt werden. Ausstehende Rechtsprozesse werden, so die RIAA, zu Ende geführt. Ob überdies tatsächlich auch der größte Filesharer rechtlich unangetastet bleibt, muss sich zeigen.