Parteien streiten über Netzneutralität

Andreas Frischholz
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Am Freitag stand im Bundestag das Thema Netzneutralität auf der Tagesordnung, von einer Einigung über eine verbindliche Regulierung ist man derzeit aber noch weit entfernt. Während die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP jegliche Vorstöße ablehnten, forderte die Opposition aus SPD, Linke und Grüne eine gesetzliche Verankerung.

Die Oppositionsparteien wollen das Prinzip des offenen Internets festschreiben, um ein Zwei-Klassen-System zu verhindern. Dezidierte Anträge wurden bereits von der Linken (PDF-Datei) und den Grünen (PDF-Datei) vorgelegt. Die SPD arbeitet noch an einem Entschließungspapier, das auf Erkenntnisse aus der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zurückgreifen soll, erklärte Martin Dörmann (SPD). Bislang verfolgt die Partei das Ziel, die Netzneutralität in das Telekommunikationsgesetz (TKG) einzubinden und Netzbetreibern eindeutige Vorgaben bezüglich Informations- und Transparenzpflichten zu erteilen. Um die Einhaltung der gesetzlichen Regelung zu überwachen, soll die Bundesnetzagentur mit ausreichenden Kontroll- und Sanktionsinstrumenten ausgestattet werden, damit die Netzneutralität nicht als „Fußnote der Internetkommunikation“ endet.

Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, fordert eine gesetzliche Regelung, um im Internet Grundrechte wie die Informations- und Meinungsfreiheit zu bewahren. Ein begrenztes Netzwerkmanagement ist seiner Ansicht nach noch im Rahmen, eine Vorzugsbehandlung gegen Bezahlung bei der Übertragung von Informationen müsse man allerdings unterbinden. Die Linke zeigt sich ebenfalls offen gegenüber einer „rein technisch bedingten Priorisierung von Datenpaketen“, schließt aber eine bessere Behandlung aufgrund geschäftlicher Interessen aus – ein „Geschäftsmodell zur Profitsteigerung der Betreiber“ soll nicht etabliert werden.

Auf Seiten der Regierung betrachtet man die Regulierungspläne der Koalition mit Skepsis. Peter Tauber von der CDU spricht sogar von einer „Phantomdebatte“ mit „schizophrenen Zügen“, da Netzpolitiker das Internet als freien Raum beschreiben, dann aber bei jedweder Gelegenheit nach dem Staat riefen. Parteikollegin Nadine Schön sprach sich gegen die Behinderung einzelner Dienste sowie die Differenzierung nach Inhalten aus, eine Bedrohung der Netzneutralität erkenne sie bislang aber nicht. Schön vertraut auf den Wettbewerb, der bislang alle Probleme hätte lösen können. Ähnlich stellt sich der Standpunkt der FDP dar, allerdings mit der obskur anmutenden Begründung, man wolle keine sozialistische Gleichmacherei im Internet. Ein „Sozialismus-Internet“ existiere schon in China und das wolle niemand.

Bei der Bundesnetzagentur sieht man derzeit „keinen besonderen Bedarf, regulatorisch tätig zu werden“, erklärte Vizepräsidentin Iris Henseler-Unger am Donnerstag im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung des Branchenverbandes eco. Man verfüge bereits über ausreichend Korrektive gegenüber Nutzungseinschränkungen. Netzbetreiber haben bezüglich der Zugangsbedingungen eine Transparenzverpflichtung und Nutzer können den Betreiber wechseln, zudem biete das Telekommunikationsgesetz bereits Ansatzpunkte, sofern es doch zu diskriminierendem Marktverhalten kommen sollte.

Hans-Joachim Otto, FDP-Mitglied und parlamentarischer Staatssekretär, setzt ebenfalls auf Transparenz und will den eingeschlagenen Weg fortführen. Zudem verweist er auf die kommende Novellierung des Telekommunikationsgesetzes, mit der die Bundesnetzagentur mit der „Verordnungsermächtigung“ zusätzliche Befugnisse erhält, die eine stärkere Transparenzvorschrift und Mindestqualitätsstandards ermöglichen. Der Grünen-Politiker von Notz hat an dieser Veranstaltung ebenfalls teilgenommen und stellte die Frage, ob „der Wettbewerb die Netzneutralität oder die Netzneutralität den Wettbewerb gewährleistet“. Er ist von der zweiten Variante überzeugt und hat erneut für eine präzisere gesetzliche Verankerung der Netzneutralität in das Telekommunikationsgesetz geworben – man dürfe mit der Regulierung nicht zu spät kommen.

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