IBM macht Fortschritte bei Graphen-Chips

Michael Günsch
18 Kommentare

Die Halbleiterindustrie setzt große Hoffnungen in den Werkstoff Graphen, der Silicium bei der elektrischen Leitfähigkeit deutlich übertrifft und als Transistormaterial ersetzen könnte. Forschern von IBM gelang nun der Durchbruch auf dem Weg, Graphen-Transistoren mit herkömmlichen Herstellungsverfahren zu kombinieren.

IBM hatte bereits 2011 demonstriert, welch hohe Frequenzen mit Transistoren auf Graphen-Basis möglich sind: 155 GHz wurden in einem Feldversuch im Rahmen eines DARPA-Projekts erzielt. Forscher vom MIT hatten vor Jahren sogar Frequenzen von 500 bis 1.000 GHz prognostiziert, während bei Silicium-Transistoren Taktraten jenseits 5 GHz in der Regel schwer zu erreichen sind.

Frequenzen jenseits von 100 GHz wurden allerdings nur mit allein operierenden Graphen-Transistoren erreicht. In integrierten Schaltkreisen erzielte IBM hingegen deutlich geringere 10 GHz, wie 2011 anhand eines Breitband-Frequenz-Mixers demonstriert wurde. Das Problem bei der Herstellung eines integrierten Schaltkreises sei jedoch, dass das aus einer einzigen Schicht aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoff-Atomen bestehende Graphen leicht beschädigt werden kann. IBM-Forscher Shu-Jen Han erklärt, dass die 2011 erzielte Leistung der Graphen-Transistoren durch den „harschen“ Herstellungsprozess nicht aufrecht erhalten werden konnte und mit der Zeit nachließ.

Graphen-Feldeffekttransistor (GFET) unter dem Elektronenmikroskop
Graphen-Feldeffekttransistor (GFET) unter dem Elektronenmikroskop (Bild: IBM)

Das Forscher-Team entschied sich, dieses Problem mit einer radikalen Änderung am Herstellungsverfahren anzugehen: Die Graphen-Transistoren wurden nun erst zum Schluss als allerletzter Schritt erzeugt. Dadurch gelang es, die Performance der Graphen-Transistoren zu erhalten und erstmals einen Funkfrequenz-Empfänger zu fertigen, der in der Lage ist, ähnliche Funktionen zur drahtlosen Kommunikation wie ein Pendant auf Silicium-Basis auszuführen. Im Test wurde die einfache Text-Nachricht „I-B-M“ über ein 4,3-GHz-Signal erfolgreich und unverzerrt übertragen, schreibt Shu-Jen Han in seinem Artikel im Blog von IBM Research, der den Titel „Graphene circuit ready for wireless“ trägt.

Dabei ist zudem die Rede von einer „10.000-mal besseren Performance“ als in vorherigen Versuchen. Was genau dies bedeutet, bleibt jedoch unklar. Die IBM-Forscher sehen ihren Fortschritt als wegweisenden Schritt auf dem Weg zu Elektronikgeräten mit Graphen-Schaltkreisen. Den Halbleiterherstellern dürfte vor allem die Tatsache, dass diese Schaltungen in einem herkömmlichen CMOS-Prozess für 200-mm-Silizium-Wafer gefertigt wurden, Hoffnung geben, dass die Technik ohne radikale und entsprechend teure Änderungen an den Produktionsanlagen umgesetzt werden kann.

Wafer mit Graphen-Transistoren bei IBM
Wafer mit Graphen-Transistoren bei IBM (Bild: extremetech.com)

Letztlich handelt es sich bei diesem „Graphen-Chip“ allerdings noch immer um ein analoges Design. Die Forschung arbeitet noch immer an Wegen, die für digitale Schaltungen nötige Bandlücke zu erzeugen, die natürliches Graphen nicht aufweist. Entsprechend kommt das Material für komplexe Prozessoren derzeit nicht in Frage. Hier setzt die Forschung unter anderem auf Kohlenstoffnanoröhren, die über eine Bandlücke verfügen können.

Nähere Details zu den neusten Errungenschaften von IBM im Bereich der Graphen-Transistoren liefert der im Magazin Nature Communications veröffentlichte Artikel „Graphene Radio Frequency Receiver Integrated Circuit“, der kostenpflichtig online abrufbar ist. Weitere Informationen liefert zudem Sebastian Anthony in einem Bericht bei ExtremeTech. Von ihm stammt auch das obige Foto eines „Graphen-Wafers“, das er bei einem Besuch bei IBM im Dezember aufnahm.