Child of Light im Test: Märchenhafter Genremix

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Sasan Abdi
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Child of Light auf einen Blick

Schon der Einstieg in „Child of Light“ (CoL) verläuft im besten Sinne verwunderlich. In einem Königreich namens Austria lebt am Ende des 19. Jahrhunderts eine Königstochter ein erfülltes Leben, bis etwas Schreckliches geschieht. Die Prinzessin verfällt – was hat die fiese Stiefmutter damit zu tun? – in einen nicht enden wollenden Schlaf, während es ihr Ich in eine bizarre Traumwelt verschlägt, in der viele Regeln unserer Realität aufgehoben sind. Aller Fantasterei zum trotz: Die Königstochter mit Namen Aurora möchte nichts lieber, als endlich erwachen – und so zu ihrem Vater zurückkehren.

Kein Wunder also, dass sie sich anfänglich nicht um die Probleme der Lemuria genannten Welt schert. Dabei sind diese durchaus gravierend: Die Königin der Nacht hat der Welt die Sonne, den Mond und alle Sterne gestohlen und damit jedes Leben im wahrsten Sinne des Wortes eingedunkelt.

Nur gut, dass die Zukunft von Lemuria und die Rückkehr von Aurora eng miteinander verknüpft sind, sodass die Prinzessin schnell einsieht, dass die Rettung der märchenhaften Welt auch ihre Rettung sein wird.

Child of Light im Test
Child of Light im Test

Märchenhafte Leichtigkeit

„Märchenhaft“, das wird schon bei dieser kurzen Zusammenfassung deutlich, umschreibt am besten, was „Child of Light“ ist. Bewusst versuchen die Entwickler, sich an die Erzählungen für Jung und Alt anzulehnen. Dabei wählen sie allerdings nicht den grausam realistischen Weg eines Grimm'schen Märchens, sondern verlegen sich auf das leichte, manchmal absurde einer einfachen aber doch fantastischen Erzählung für Kinder.

Diese Eigenschaft hat – im Unterschied zu den besagten Grimm'schen Märchen, in denen die fantastische Grausamkeit nicht selten etwas beängstigend Lebensnahes hat – etwas naiv-kindliches. Diesen Umstand müssen sich potentielle Spieler bewusst machen, denn wer eine düstere, schwere Erzählung erwartet, wird sich an der Leichtigkeit von „Child of Light“ stören.

Wir haben uns allerdings schnell mit dieser Eigenschaft des Spiels angefreundet. Begünstigt wurde dies dadurch, dass das gesamte Paket von CoL zu dem Ansatz passt. Da ist zunächst die auf dem Framework UbiArt basierende Grafik, die Spieler von der ersten Minute an über bunte, abwechslungsreiche und wunderbar gezeichnete Abschnitte in ihren Bann zieht. Und da sind passende Hintergrundklänge, absurd-sympathische Mitstreiter und Gegner sowie eine häufig auf Reimen basierende Erzählung, die ihr Übriges zu einer gelungenen Märchenatmosphäre beitragen.

Völlig ohne Fehl und Tadel ist die Stimmung aber nicht. Stichwort Reime: Was ein sinnvoller Ansatz ist, verliert sich in der Praxis zu häufig in verschwurbelten Phrasen die Lokalisation hat hier ihr Übrigens beigetragen.

Darüber hinaus hat uns etwas enttäuscht, dass der im Kern gelungene kindlich-naive Auftritt von CoL auch auf die Ausgestaltung der Story durchschlägt: In dieser Hinsicht halten sich die Entwickler etwas zu eng an die typischen Merkmale eines 0815-Märchens. Zwar darf man die ein oder andere Wendung erwarten; es zeichnet sich aber doch schnell ab, in welche Richtung sich die knapp zehnstündige Erzählung entwickelt.

Eigenwilliger Genremix

Diese Problemzone ist allerdings schnell verziehen, da sich „Child of Light“ spielerisch kaum nennenswerte Patzer leistet. In dieser Hinsicht ist allen voran der zugrundeliegende Genremix zu nennen: CoL ist eine insgesamt gelungene Mischung aus Jump 'n' Run, Plattform- und Rollenspiel.

Das einzige, das man den Entwicklern dabei kritisch entgegenhalten kann, ist, dass sich das Spiel für keinen Schwerpunkt entscheidet. Puristen werden deswegen zurecht monieren, dass CoL weder „richtiges“ Jump 'n' Run noch „richtiges“ Rollenspiel ist und auch nicht „richtiges“ Plattforming bietet. Die Vermengung der Elemente führt zu einer gewissen Beliebigkeit, die auch Auswirkungen auf den Schwierigkeitsgrad hat: Jump 'n' Run ist nicht fordernd (schließlich kann Aurora schnell fliegen), die Rätsel haben es nicht in sich und auch die Rollenspielelemente bleiben oberflächlich.

Aurora muss all zu oft simple Logikaufgaben lösen, die vom Schema her nicht selten darauf hinauslaufen, dass unter Einsatz der Umgebung ein Klotz auf einen Schalter gehievt und ein Hebel umgelegt wird, um ein Tor durchlaufen zu können.

In puncto Rollenspiel-Elemente kann der Spieler Aurora und ihren Mitstreitern im Rahmen von großzügig zugesprochenen Stufenaufstiegen immer wieder neue Angriffe und Pluspunkte bei den Mana- und Lebenspunkten organisieren. Außerdem lassen sich gefundene Elemente wie Edelsteine über wenige Klicks verbinden und zu sogenannten Oculi „craften“, die abermals Vorteile bieten und als Schmuckstücke angelegt werden können. Darüber hinaus ist man immer wieder auf das Inventar angewiesen, in dem sich allerlei offensive und defensive Tränke finden, aber trotzdem: Auch beim RPG-Teil kratzt „Child of Light“ nur an der Oberfläche des Möglichen.

Es gibt gute Argumente dafür, diese Oberflächlichkeit anzuprangern. Uns hat sie aber nicht gestört, da es irgendwie nicht zum leichten aber trotzdem wirkenden Spielfluss passen würde, wenn der Spieler ständig über den besten Skilltree nachgrübeln oder sich latent frustriert an allzu harten Rätseln abarbeiten würde. Trotzdem findet sich hier ein Merkmal, das unterstrichen werden muss, da es je nach Spielerpräferenzen durchaus für Verstimmung sorgen kann.

Dynamisches Kampfsystem und Sidekick

Beim Kampfsystem setzt Ubisoft Montreal auf einen dynamischen, rundenbasierten Ablauf. Trifft Aurora auf einen Gegner, wechselt die Ansicht in eine optisch an die Umgebung angepasste Kampfarena. In einer Leiste am unteren Bildschirmrand laufen hier die Avatare der aktiven Charaktere auf einen Aktionsbereich zu, in dem es neben der Auswahl von unterschiedlichen Angriffen auch möglich ist, schützende Zauber zu erwirken, Tränke zu sich zu nehmen oder in eine Verteidigungsstellung zu gehen.

Child of Light im Test
Child of Light im Test

Sind die ersten Abschnitte überwunden, entwickeln die Kämpfe auf dieser Basis eine packende Dynamik, die auch daher rührt, dass der Eintritt in den Aktionsmodus auch unterbrochen werden kann. Dies kann zum einen durch gelungene Angriffe geschehen, sodass eine clevere Vorgehensweise dazu führen kann, dass die Gegner praktisch nicht zum Zug kommen. Auf der anderen Seite lässt sich aber auch Auroras dauerhafter Begleiter, der kleine Lichtgeist Igniculus, durch das Blenden der Gegner zu deren Verlangsamung nutzen.

Igniculus ist ein eigenwilliger kleiner Sidekick, der parallel oder durch einen weiteren Spieler gesteuert werden kann. Blendet er nicht gerade im Kampf die Gegner oder heilt seine Freunde, kann er unterwegs zur Erleuchtung von dunklen Abschnitten und zum Einsammeln von schwer zugänglichen Tränken genutzt werden. Es ist nicht revolutionär, was die Entwickler mit Igniculus ermöglichen – sinnvoll ist es aber allemal.

Doch nicht nur der Druck durch die Zeitleiste und der kleine Igniculus, auch der Wechsel zwischen den Gefährten und der Einsatz von ihren unterschiedlichen defensiven und offensiven Eigenschaften sorgt dafür, dass die Kämpfe von CoL richtig Spaß machen. Allerdings empfehlen wir dringend, von vornherein auf den schweren Schwierigkeitsgrad zu wechseln, da die Party unter „normal“ deutlich zu mächtig ist.

Einwandfreie Technik

Und auch technisch gibt es kaum etwas zu meckern. Die Grafik überzeugt mit einem wunderbaren Artwork und lief auf unserem Testsystem stabil bei 60 Bildern pro Sekunde, die Vertonung passt und auch die Synchronisation geht in Ordnung. Ein Lob verdient sich auch die Steuerung, die sowohl unter der Maus-Tastatur-Kombination als auch mit dem Gamepad sauber von der Hand geht: Man kann erstere wirklich gut nutzen, auch wenn das Gamepad bei einem solchen Spiel für die Allermeisten die erste Wahl sein dürfte.