Big Pharma Beta im Test: Moralapostel haben einen schweren Stand

Sasan Abdi
41 Kommentare
Big Pharma Beta im Test: Moralapostel haben einen schweren Stand

Vorwort

Simulationen waren vor langer Zeit eines der wichtigsten Genres für PC-Spiele. Mittlerweile fristen sie nur noch ein Schattendasein. Wären da nicht die vielen kleinen, nicht selten crowdfinanzierten Projekte: Diese eigentlich famose, weil einfache und zugleich doch fordernde Art der Videospiele wäre wohl bereits ausgestorben.

Zu genau diesen Projekten ist auch das vom Indie-Studio Twice Circle entwickelte Big Pharma zu zählen. Ohne großen Publisher im Hintergrund versucht hier ein kleines Entwicklerteam, eine Wirtschaftssimulation auf die Beine zu stellen, die vom Spielspaß her an große Vorbilder wie etwa Theme Hospital heranreicht. Die Beta macht deutlich: Das Projekt ist auf einem guten Weg.

Systemanforderungen

Bei den Systemanforderungen präsentiert sich Big Pharma genügsam. Die – allerdings unspezifische – CPU-Empfehlung überrascht dann aber doch ein wenig.

Testsystem und Herstellerempfehlung (Minimum)
Komponente Testsystem Herstellerempfehlung
Betriebssystem Windows 8.1 (64 Bit) Windows XP, 7, 8
Prozessor Core i7-4790 Intel i5
Arbeitsspeicher 8 GByte 4 GByte
Grafik Radeon R9 290X DirectX 9 kompatibel, 512 MByte VRAM
Festplattenspeicher ca. 1 GByte
Internetanbindung Für Steam-Aktivierung

Auf die Moral kommt es (nicht) an

Spiele sind dann besonders, wenn sie den Spieler unversehens in eine Rolle hineinversetzen, die er oder sie eigentlich ablehnt. Genau das geschieht bei Big Pharma, denn hier übernimmt man die Geschicke eines (zunächst) kleinen Pharmaunternehmens, das binnen kürzester Zeit ordentliche Gewinne erwirtschaften soll. Und obwohl das Gros der Spieler wahrscheinlich die einschlägigen Praktiken der Branche moralisch ablehnen wird: Mir nichts, dir nichts erwischt man sich dabei, wie man genau diese Praktiken kopiert, ohne mit der Wimper zu zucken.

Big Pharma im Test
Big Pharma im Test

Stark ist, dass Big Pharma diesen Vorgang ganz subtil erzeugt. Immer wieder wirft das Spiel unterschwellige Fragen auf. Sollen wir hochwirksame, von Nebenwirkungen nahezu freie Medikamente auf den Markt bringen, auch wenn die Marge durch die dazu notwendigen zusätzlichen Prozesse gedrückt wird? Oder produzieren wir in der Grippesaison lieber Knall auf Fall ein Schmerzmittel, das vielleicht nicht so gut wirkt und Schlaflosigkeit verursacht, dafür aber reißenden Absatz findet? Und sollen wir ein Malaria-Mittel sofort auf den Markt werfen, um einen Ausbruch einzudämmen und den Menschen schnell zu helfen? Oder warten wir lieber noch ein wenig, um die Nachfrage nach unserem patentierten Produkt und damit den Preis in die Höhe zu treiben?

Vielleicht gibt es moralisch einwandfreie Spieler, die diese Fragen ethisch stets korrekt beantworten. Die Folge aber wird sein, dass man die Zielvorgaben des Spiels nicht erreichen wird. Ein hoher Gewinn, fulminante Absatzzahlen, eine schnelle Forschung und knallharte Patente: All das wird der Spieler in Big Pharma nur dann erreichen, wenn er die Moral regelmäßig zugunsten der nackten Zahlen links liegen lässt.

Das Spielprinzip

Der Druck ist so immer hoch. Denn schon die leichteren der insgesamt 25 Missionen haben es in sich: Unter Zeitdruck gilt es, bestimmte Zielvorgaben zu erfüllen. Gestört wird der Spieler dabei von Wettbewerbern, die mit Konkurrenzprodukten und Patenten zu einer richtigen Belastung werden können.

Am Anfang steht stets eine leere Fabrik – und der Blick in das Blatt mit den verfügbaren Rohstoffen. Diese geben vor, welche Medikamente zu Beginn ohne weitere Forschung hergestellt werden können. Mit Hilfe von unterschiedlichen Maschinen werden die Rohstoffe dazu zunächst in den richtigen Zustand gebracht. Ein zentrales Maß ist dabei die Konzentration: Diese muss beispielsweise durch hintereinandergeschaltete Ionisatoren oder Agglomeratoren so weit gesenkt oder erhöht werden, bis ein Zustand erreicht ist, in dem ein erstes, grundlegendes Medikament produziert werden kann.

Schon an dieser Stelle entscheidet der Spieler sich ganz subtil dafür, was für ein Pharmamanager er oder sie sein möchte, da es zumeist nicht einen Idealwert für die Konzentration, sondern einen großzügigen Bereich gibt. Der Rohstoff mit der Ausgangskonzentration 6 könnte zum Beispiel schon in der Konzentration 10 zu einem Antibiotikum verarbeitet werden. Erst bei Konzentration 14 – also einige Maschinenvorgänge später – aber wäre es nahezu frei von Nebenwirkungen. Soll also zugunsten der Kunden in diese Vorgänge investiert werden?

An dieser Stelle ist Big Pharma richtig schön perfide, aber leider auch etwas undurchsichtig. So kann es vorkommen, dass der Spieler sich für den unmoralischen Weg entscheidet. Die Aufsicht wird dem Medikament zwar eine schlechte Note geben, im Vergleich aber wird es aufgrund der geringeren Produktionskosten sehr rentabel verkauft werden. Manchmal tritt jedoch ein gegenteiliger Effekt ein: Ein dreckig produziertes Produkt erhält eine schlechte Wertung – und verkauft sich daraufhin auch schlecht. Diese Unberechenbarkeit dürfte realistisch sein. Sie ist im Rahmen eines Spiels aber schwierig, weil sie teilweise zu beliebig wirkt.

Trotzdem ist das Spielprinzip eine gute Grundlage für jede Menge Spielspaß. Für wachsende Gewinne müssen viele Faktoren im Auge behalten werden: Wir prüfen die Produktionsstraßen, tüfteln anhand von Nachfrage und Preisen die Produkt- und Patentstrategien aus, analysieren die Portfolios der Konkurrenz und legen möglichst platzsparende, kurze und damit effiziente Fertigungsstraßen an, die im Idealfall zügig jede Menge Pillen und später auch alternative Formen wie Cremes ausspucken.

Ist so erst einmal eine grundlegende Produktion etabliert, geht es ans Eingemachte. Wir schicken Erkundungsmissionen los, die neue Rohstoffe entdecken sollen. Und wir weisen Forscher an, effizientere Strukturen und neue Geräte zu entwickeln. Mit diesen lassen sich dann auch mehrere Rohstoffe auf unterschiedlichen Niveaus miteinander vermengen. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem das große Geld lockt: Auf komplizierten, langen Produktionsstraßen werden hochkomplexe Medikamente produziert, die hunderte Dollar pro Verkaufseinheit einbringen.

Die Technik: Einfach, aber gut

Wem der Zeitdruck vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten und Anforderungen zu viel ist, der kann sich in der neuesten Version des Titels auch am Endlosspiel versuchen. In jedem Fall wird man schon jetzt mit einer Spielversion beglückt, die nahezu fehlerfrei ist.

Big Pharma im Test
Big Pharma im Test

Grafisch darf der geneigte Spieler allerdings nicht zu viel erwarten: Big Pharma orientiert sich optisch stark an den großen, alten Vorbildern. Dementsprechend einfach sehen die Fabrikhallen des zukünftigen Imperiums aus. Wäre da nicht die packende, über viele Ebenen verfügende Spielmechanik: rein optisch würde der Titel wohl allenfalls einen Retro-Blumentopf gewinnen.

Ein Vorteil davon ist aber wiederum der niedrige Hardware-Hunger. Big Pharma dürfte selbst auf älteren Systemen ohne Probleme flüssig laufen.

Problematisch könnte für manchem potenziellen Spieler sein, dass bisher nur eine englische Sprachausgabe vorliegt. Dies ist deswegen erwähnenswert, weil das Spiel naturgemäß einige Fachbegriffe beinhaltet. Mittelfristig ist aber geplant, auch eine deutsche Version von Big Pharma anzubieten.