Epos 2, Vision 5 & Page 2 im Test: Lesen und PDF-Unterstützung

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Michael Schäfer
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Lesen auf Tolinos neuen Readern

An das Lesen auf dem Epos 2 und Vision 5 müssen sich neue Nutzer wie beim Kindle Oasis unter Umständen erst einmal gewöhnen. Bei anderen Readern mit Blättertasten war es meist so, dass eine Hand für das Vorblättern, die andere Hand für das Zurückblättern zuständig war. Bei den beiden neuen Probanden wird dieser Vorgang mit einer Hand vorgenommen, wobei die Belegung der Tasten zunächst etwas weniger optimal gelöst ist. So wird mit dem unteren Taster eine Seite vor-, mit dem anderen eine Seite zurückgeblättert. Da der Daumen beim normalen Halten des Readers jedoch fast schon automatisch auf der oberen Taste liegt, mutet die Belegung etwas unlogisch an. Diese kann jedoch in den Einstellungen geändert werden. Ein Blättern mittels Tippen auf das Display wird natürlich weiterhin unterstützt.

Eine manuelle Einteilung der Blätterzonen auf dem Display, wie es bei Kobo der Fall ist, gestattet Tolino jedoch nach wie vor nicht. Lediglich über den Linkshänder-Modus lassen sich die Bereiche vertauschen, so dass links vor- und rechts zurückgeblättert wird.

Beim Epos 2 (links) sind die Tasten größer und liegen weiter auseinander als beim Vision 5 (rechts)
Beim Epos 2 (links) sind die Tasten größer und liegen weiter auseinander als beim Vision 5 (rechts)

In den Einstellungen können die Blättertasten zudem mit Zusatzfunktionen belegt werden, wenn auch nicht in der Form, wie es Nutzer von PocketBook-Readern gewohnt sind. Dazu stellt Tolino lediglich zwei Funktionen zur Verfügung, die über einen längeren Druck auf die jeweilige Taste aufgerufen werden können: das Beleuchtungsmenü und der direkte Sprung zur Startseite. Diese beiden Bereiche können jedoch auch per Geste aufgerufen werden: Mit einem Wischen von unten in die Mitte gelangt der Nutzer zurück auf die Startseite, von oben zur Mitte in das Beleuchtungsmenü.

Eine direkte Einflussnahme auf die Beleuchtung und die Intensität des Blaulichtfilters mittels Gesten am Bildschirmrand, wie es bei PocketBook und teilweise bei Kobo möglich ist, bietet die Software von Tolino nicht. Per Geste kann lediglich zusätzlich die Größe des Textes eingestellt werden, dabei sollte jedoch ein Finger auf dem Display gelassen werden, da nur so mehrere Größen übersprungen werden können. Werden beide Finger vom Display gehoben, wird die Textdarstellung nur um eine Größenordnung geändert.

Begrenzte Einflussnahme

An Leseeinstellungen bietet auch Tolino bei den Readern nur gewohnte Kost: So lassen sich Texte in neun Größen und mit sechs Schriftarten plus Verlagsschrift darstellen. Bei dem Zeilenabstand, der Textausrichtung und dem Seitenrand stehen die bekannten drei Abstufungen zur Verfügung. Mit dem Verlagsstandard sollen Inhalte zudem so dargestellt werden, wie es vom Verlag gewünscht ist. Die gewählte Schriftart kann weder im Stil noch in der Stärke angepasst werden.

Beim Page 2 befindet sich der USB-Anschluss immer noch unten
Beim Page 2 befindet sich der USB-Anschluss immer noch unten

Lesen nicht immer komfortabel

Das Lesen mit den neuen Readern gestaltet sich nur teilweise bequem. Der Seitenwechsel wird schnell erledigt, doch standardmäßig soll laut Menü keine Invertierung, also eine komplette Neuausrichtung der einzelnen Bildpunkte, vorgenommen werden. Das entspricht aber nicht der ganzen Wahrheit. Je nach Textdarstellung wurden im Test nach sieben bis zehn Seiten Fragmente der vorher dargestellten Seiten, das sogenannte „Ghosting“, immer deutlicher. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurde dann seitens des Systems doch ein kompletter Refresh der Seite vorgenommen. Um solch ein Ghosting generell zu verhindern, kann in den Einstellungen die Invertierung für jede Seite eingestellt werden. Dies hat jedoch zum Ergebnis, dass der Bildschirm bei jedem Seitenwechsel für einen sehr kurzen Moment komplett schwarz wird – woran sich in den meisten Fällen jedoch schnell gewöhnt wird.

Das Design des Tolino Epos 2 und Vision 5 lässt eine Nutzung sowohl in der rechten wie auch in der linken Hand sowie im Querformat zu. Bei einem Handwechsel richtet sich der Inhalt jedoch nicht automatisch neu aus, wie es beim Kindle Oasis der Fall ist, sondern es wird zunächst ein kleines unscheinbares Icon eingeblendet, auf das der Leser drücken muss. Erst dann wird die Seite neu ausgerichtet.

Die Schriftdarstellung fällt gut aus, das Schriftbild erscheint ruhig und homogen. Auch der in seiner Auflösung stark eingeschränkte Page 2 stellt Texte gut lesbar dar. Bei der Blättergeschwindigkeit besitzt er dadurch leichte Vorteile.

Unschön ist beim Epos 2 und Vision 5 dagegen der Schatten der Beleuchtung, der seitlich deutlich zu sehen ist und bei normaler Einstellung der Seitenränder bis in den Text hineinragt. Noch deutlich wird das Verhalten, wenn der sich noch im Betastadium befindliche Nachtmodus aktiviert wird. Dieser hat eine komplette Invertierung der Darstellung zur Folge, womit der Hintergrund schwarz und der Text weiß dargestellt wird.

Dieses Problem konnte beim Kindle Oasis trotz der Verwendung des gleichen Beleuchtungsprinzips nicht in dieser Intensität beobachtet werden. Zwar sind auch hier leichte Schatten zu erkennen, die jedoch deutlich geringer ausfallen, dadurch nicht in den Text hineinragen und somit auch nicht als störend empfunden werden.

Die PDF-Funktion zeugt von Ignoranz

Die Unterstützung des PDF-Formats bei den neuen Readern als stiefmütterlich zu bezeichnen, wäre noch geschmeichelt. Entsprechende Dateien werden zwar dargestellt, mehr als ein Zoomen bieten die Entwickler dem Nutzer jedoch nicht. Eine Möglichkeit, die Seitenränder zu beschneiden, um somit die Darstellung zumindest etwas zu vergrößern, sucht der Anwender vergebens.

Zum Thema PDF-Reflow wird es dem Autor dieses Tests immer mühsamer, über die im Grunde nicht vorhandene Funktion zu schreiben. Bereits im Test zum Tolino Shine, dem ersten auf ComputerBase getesteten Tolino-Reader, der am 18. April 2013 veröffentlicht wurde, hieß es:

Zwar beherrscht der Tolino Shine laut Datenblatt PDF-Reflow, bei welchem der Text aus dem Dokument herausgetrennt und ans Display angepasst angezeigt wird, in der Praxis ist diese Funktion auf dem Reader aber so gut wie nicht zu gebrauchen. Bei der Umsetzung braucht der Tolino bei komplexen Dokumenten recht lange, um am Ende alle Zeilenumbrüche, Absätze und Leerzeichen komplett zu ignorieren und nur noch einen reinen Zeichenwurm darzustellen.

Auch rund sieben Jahre später hat sich im Grunde nichts geändert – die Entwickler haben es immerhin geschafft, dass die Funktion mittlerweile auch Leerzeichen erkennt. Das Dilemma rund um PDF-Reflow wird jedoch nicht nur auf ComputerBase seither kritisiert, auch andere Veröffentlichungen gehen mit dem Thema teilweise hart ins Gericht. Da stellt sich die berechtigte Frage, ob die Verantwortlichen solche Tests überhaupt lesen.

PocketBook hat die Funktionen rund um das Dateiformat PDF stetig ausgebaut, wie unter anderem die Spalten- oder Zuschneidefunktion. Amazon stellt entsprechende Dokumente zwar auf seinen Kindle-Readern dar, lässt aber weitere Funktionen vermissen und bietet erst gar kein PDF-Reflow an – im Grunde eine vernünftige Entscheidung. Wenn aber etwas angeboten wird, dann sollte es auch vernünftig umgesetzt sein.

Dies ist jedoch auch bei den neuen Tolino-Readern nicht einmal im Ansatz der Fall: Nicht nur, dass Sätze ohne Absätze wie ein Buchstabenwurm aneinandergereiht werden und damit unlesbar sind, die Funktion merkt sich zudem nicht einmal die Seite, auf der sie aufgerufen wurde, sondern beginnt wieder auf der ersten Seite. Dabei dürfte es ohne Suchfunktion schwierig sein, den Anfang des jeweiligen Textes zu finden.

Das seit Jahren fehlerhafte PDF-Reflow von Tolino
Das seit Jahren fehlerhafte PDF-Reflow von Tolino

Weitere Werkzeuge

Auch bei den zusätzlichen Funktionen geben sich alle drei Tolinos karg. Wörterbücher stehen in den gängigsten Sprachen zur Verfügung, auch eine Übersetzung ist möglich. Gleiches gilt für das Erstellen von Notizen; das direkte Nachschlagen bei Wikipedia, wie es manche Systeme unterstützen, ist dagegen nicht möglich. Hier müsste sich des Webbrowsers bedient werden, der aber nicht aus dem Buch heraus aufgerufen werden kann.

Dass die Qualitätskontrolle bei Tolino dringend überholt werden muss, zeigt sich auch bei der Möglichkeit, Bilder vom jeweiligen Bildschirminhalt zu erstellen. Einmal komplett davon abgesehen, dass der Nutzer diese nicht auf dem Reader ansehen kann, da ein Bildbetrachter fehlt, stehen die Aufnahmen, je nachdem wie herum der Reader gehalten wird, auf den späteren Bildern auf dem Kopf. Da will man als Autor nicht mal mehr mit eben gleichem schütteln. Weitere zusätzliche Funktionen bieten alle drei Lesegeräte nicht.