Inter-Site Anchoring: Telekom geht Problem der Ankerbänder bei 5G an

Nicolas La Rocco
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Inter-Site Anchoring: Telekom geht Problem der Ankerbänder bei 5G an
Bild: Deutsche Telekom

Das heutige 5G-Non-Standalone-Netz (5G NSA) setzt zwingend einen sogenannten LTE-Anker voraus, da über 5G derzeit nur ein neuer Datenkanal geboten wird. Nicht mit jedem Endgerät sind aber alle Kombinationen aus LTE-Anker und 5G New Radio möglich. Die Deutsche Telekom geht diesen Umstand mit Inter-Site Anchoring an.

5G, so wie es aktuell bundesweit von den drei Netzbetreibern angeboten wird, stellt ausschließlich einen zusätzlichen Datenkanal zur Verfügung, das sogenannte „enhanced Mobile Broadband“ (eMBB). Je nach Netzanbieter, Bandbreite und Auslastung der Funkzelle sind damit Geschwindigkeiten von bis zu 1 Gbit/s im Downlink möglich. Voraussetzung für den Aufbau des neuen Datenkanals ist ein Anker im LTE-Netz, über den das sogenannte Signaling stattfindet. Einfach ausgedrückt: Ohne 5G funktionieren zwar weiterhin LTE und die älteren Standards, ohne LTE gibt es aber kein 5G.

Telekom bietet 5G bei 3.600 und 2.100 MHz

Bei der Deutschen Telekom sind mehrere Kombinationen aus LTE-Anker und 5G New Radio möglich. 5G fährt der Netzbetreiber aktuell im neu ersteigerten Frequenzbereich bei 3,6 GHz mit 90 MHz Bandbreite sowie im ehemaligen 3G-Spektrum bei 2,1 GHz, das derzeit eine Restkapazität von 5 MHz für 3G zur Verfügung stellt und 15 MHz für den Dual-Betrieb von LTE und 5G mittels Dynamic Spectrum Sharing (DSS) bietet. Mit der Abschaltung von 3G im kommenden Jahr können die neueren Standards auf die vollen 20 MHz zugreifen.

Diese Frequenzkombinationen gibt es

Diese 5G-New-Radio-Frequenzen können als Anker die LTE-Frequenzen bei 2.600, 1.800, 900 und 800 MHz nutzen, wobei ganz konkret 5G New Radio bei 3.600 MHz auf 2.600 und 1.800 MHz als Anker und für 5G New Radio bei 2.100 MHz auf 1.800, 900 und 800 MHz als Anker setzt. Nicht alle Endgeräte unterstützen jedoch alle Kombinationen aus 5G New Radio und LTE-Ankerfrequenz, vor allem wenn die Frequenzen sehr nahe beieinander liegen, etwa die Mid-Mid-Band-Kombination aus 2.100 und 1.800 MHz. Um dennoch eine möglichst breite Abdeckung zu gewährleisten, wird mit dem sogenannten Inter-Site Anchoring ein technischer Kniff angewandt.

Inter-Site Anchoring
Inter-Site Anchoring (Bild: Deutsche Telekom)

5G New Radio aus benachbarter Zelle nutzen

Inter-Site Anchoring löst aufseiten des Endgerätes zwar keine der technischen Limitierungen, was die Kombinationen aus 5G New Radio und LTE-Ankerfrequenzen betrifft. Das Verfahren sorgt aber dafür, dass 5G dennoch an mehr Standorten verfügbar ist, auch wenn das Smartphone die Kombination aus 2.100 und 1.800 MHz nicht unterstützt und somit auf einen Teil der Netzabdeckung verzichten muss.

Christoph Lensch, bei der Telekom-Technik für „Radio Optimization“ zuständig, erklärt das Verfahren anschaulich im Video ab Minute 13:22. Inter-Site Anchoring sorgt dafür, dass das 5G-New-Radio-Signal einer Funkzelle auch von dem LTE-Anker einer anderen Funkzelle genutzt werden kann. Ist ein Anwender mit seinem Smartphone also mit dem LTE-Anker einer Funkzelle verbunden, in deren Abdeckung das 5G-New-Radio-Signal einer benachbarten Funkzelle reicht, kann dieses Signal ohne Wechsel des LTE-Ankers aufgegriffen und genutzt werden. Den Nachteil mancher Endgeräte habe die Deutsche Telekom so bis auf wenige Prozentpunkte im Vergleich zu allen Möglichkeiten der Abdeckung ausgeglichen, erklärt Lensch.

Vorarbeiten für das Inter-Site Anchoring, das das Intra-Site Anchoring, also die Nutzung von 5G New Radio nur mit dem LTE-Anker innerhalb derselben Zelle ermöglicht, waren zum Beispiel am Core-Netzwerk notwendig, da zum Beispiel die Funkzellen alle zeitlich synchron laufen müssen, da die Abhängigkeit untereinander ansonsten nicht funktioniere und es unter anderem zu Paketverlusten komme oder diese nicht angenommen werden.

Das Inter-Site Anchoring werde auch in Zukunft zum Einsatz kommen, selbst wenn irgendwann alle Endgeräte alle Frequenzkombinationen beherrschen sollten. Den Sachverhalt, dass eine LTE-Zelle mit ihrer nutzbaren Verbreitung kleiner ausfallen kann als die darüber liegende 5G-New-Radio-Zelle, werde man auch in Zukunft noch haben, erklärt Lensch, sodass Inter-Site Anchoring auch bei neueren Endgeräten Vorteile mitbringe. Das gelte selbst für 5G bei 3,6 GHz, wo die Deutsche Telekom ebenfalls Signale über den LTE-Anker hinaus beobachtet habe, sodass auch hier Smartphones aus benachbarten LTE-Zellen das 5G-Signal einer anderen Zelle nutzen können.

Inter-Site Anchoring wird sukzessive aufgebaut

Inter-Site Anchoring werde so lange notwendig sein, bis mit 5G New Radio dieselbe Zelldichte wie aktuell mit LTE erreicht wurde. „Inter-Site Anchoring wird uns noch lange lange begleiten“, sagte Lensch. Über die kommenden Monate will die Deutsche Telekom das Inter-Site Anchoring sukzessive weiter im Netz aufbauen und damit die Nutzung von 5G New Radio allein durch dieses neue Feature erweitern, ohne neue Funkzellen errichten zu müssen, wenngleich auch dies weiterhin vorgenommen werde.