ATX12VO: Ausblick

 3/3
Nico Schleippmann
488 Kommentare

Ein Mainboard wie das im Bericht untersuchte ASRock Phantom Gaming 4SR muss für hohe Ausgangsnennströme auf den Minor-Rails von jeweils 20 A (3,3 Volt) respektive 17 A (5 Volt) ausgelegt sein, damit keine weiteren Einschränkungen für die Leistungsaufnahme angeschlossener Peripherie nötig sind. Auf den Endanwender kommen dadurch doppelte Kosten zu, denn für jedes Ampere wird die Stromversorgung auf dem Mainboard in der Kühlung und in elektrischen Bauelementen teurer. Selbst mit der sehr effizienten Umsetzung von ASRock bei einem Wirkungsgrad von etwa 93 bis 94 Prozent würden bei einer Maximalauslastung 10 W Verlust in den Abwärtswandlern entfallen, für die separate Kühlkörper vorgesehen werden müssten.

Ein Netzteilstandard für Systemintegratoren

Der Grundgedanke, die DC-DC-Abwärtswandler näher an die Verbraucher zu bringen, ist grundsätzlich gut, da Verluste in den Kabeln und Kabel an sich eingespart werden können. Für ein Full-Size-ATX-Mainboard, wie es in diesem Bericht untersucht wurde, bleibt der Nutzen letztlich aber gering. Die höhere Bauraum-Effizienz unter anderem durch den kleineren ATX-Stecker ist lediglich für Mini-ITX-Mainboards relevant. Für diese Platinen ergibt sich zudem der Vorteil, dass aufgrund der eingeschränkten Ausstattungsvielfalt weniger Leistung auf den Minor-Rails benötigt wird. Daher obliegt dem Mainboard-Hersteller die Design-Entscheidung, auf welche Nennströme die Minor-Rails auszulegen sind, was im Gesamtsystem letztendlich Kosten und Raum spart, weil der Bedarf besser abgeschätzt werden kann.

ATX12VO-Netzteil – Innenleben
ATX12VO-Netzteil – Innenleben

Kosten werden letzten Endes nur Systemintegratoren einsparen können, da die DC-DC-Abwärtswandler genau auf die Systemzusammenstellung abgestimmt und günstigere Netzteiltopologien eingesetzt werden können, ohne dass System-Instabilitäten zu befürchten sind. Aus diesem Grund existieren schon unlängst Standards abseits von ATX12V, die Systemintegratoren von großen Netzteil-OEMs angeboten werden.

„Intelligentes“ Powermanagement kein Muss

Mit ATX12VO hat Intel letztendlich einen etablierten Industriestandard übernommen, ohne dabei weitere technologische Fortschritte zu erwägen oder höhere Wirkungsgrade anzustreben, als es die Energiesparrichtlinien fordern. ATX12VO-Systeme sind im „Modern Standby“ nicht automatisch sparsamer als ATX12V-Systeme. Dass zumindest eine ähnliche Leistungsaufnahme wie im bisher üblichen S3-Standby-Zustand erwartet werden könnte, bleibt technisch auf dem Desktop mit der Versorgung zahlreicher Systemkomponenten zwar eine große Hürde, wäre aus Green-Computing-Sicht aber erstrebenswert gewesen. Von dem Ziel ist ATX12VO am Beispiel der getesteten Systemkomponenten noch etwas weiter entfernt, da in diesem Szenario mit 4,42 W knapp das Dreifache an Leistung verglichen mit S3 aufgenommen wird. Zwar kann das Netzteil die kalifornische Energiesparrichtlinie der CEC problemlos einhalten, allerdings wäre es ein schlechtes Zeichen, wenn der Nutzer dem Irrglaube verfiele, der „Modern Standby“ würde einen besseren Energiespar-Effekt bewirken.

Höhere Effizienz über erweiterte Spannungsregelungsverfahren

Alle Schaltwandler des Netzteils und auch Mainboards können selbst bei Schwachlast einen hohen Wirkungsgrad erzielen, indem erweiterte Regelungsverfahren für ein solches Szenario angewandt werden. Entsprechende Controller sind aber teurer im Einkauf, was auch der Kostenvergleich der Schaltwandler des ATX12VO-Mainboards mit 11 Euro gegenüber einer gewöhnlichen Implementierung im Netzteil mit knapp 4 Euro zeigt. Da Mainboard-Hersteller über die ATX12VO nicht zu der fortschrittlicheren Umsetzung gezwungen sind, können auch hier Kosteneinsparungen zu Lasten der Effizienz stattfinden.

Netzteil mit einzelner Spannungsschiene technisch realisierbar

Intel hätte mit ATX12VO noch einen Schritt weiter gehen und die Standby-Schiene komplett entfernen können, da technisch dafür bereits durchaus Lösungsansätze existieren. Ein einzelner Controller wie der Infineon IDP2308 kann beispielsweise sowohl die PFC als auch den LLC-Resonanzwandler ansteuern und dabei selbst im Milliwatt-Bereich einen hohen Wirkungsgrad erzielen, damit die von der EU geforderte Standby-Leistungsaufnahme von maximal 0,5 W nicht überschritten wird. Das Powermanagement hätte in diesem Zug dann komplett dem Mainboard überlassen werden können, das Energie je nach aktuellem Systemzustand verteilt.

Intel NUC9 Extreme
Intel NUC9 Extreme

Wegbereiter für neue Schaltungsdesigns?

Die geringere Komplexität eines ATX12VO-Netzteils und die Reduzierung der Hitzequellen eines ATX12VO-Netzteils könnten den Weg für kompakte Netzteil-Gehäuseformate bereiten. Das ATX-Netzteilgehäuse-Format dominiert den Endkundenmarkt aufgrund der simplen Top-down-Kühllösung, mit der auf alle Teile des Netzteils ein Luftstrom forciert werden kann. Weniger Hitzequellen und effizientere Netzteilschaltungstopologien begünstigen aber Gehäusedesigns mit höherer Bauraum-Effizienz, weshalb in letzter Zeit mit FlexATX ein Kompaktformat wieder vermehrt zu sehen ist, so auch im Intel NUC9 mit dem FSP FSP500-30AS.

ComputerBase hat das ASRock Z490 Phantom Gaming 4SR und das High Power HP1-P650GD-F12S von Intel sowie das ASRock Z490 Phantom Gaming 4 von ASRock leihweise zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.