ATX 3.1: Der kritische 12VHPWR-Stecker wird als 12V-2×6 neu aufgelegt

Update 3 Jan-Frederik Timm
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ATX 3.1: Der kritische 12VHPWR-Stecker wird als 12V-2×6 neu aufgelegt
Bild: Gamers Nexus

Wie Igor's Lab und Hardware Busters unisono berichten, hat das Industriekonsortium PCI SIG einen Vorschlag für die Überarbeitung des in Verruf geratenen 12VHPWR-Steckers (12+4 Pin) vorgelegt. Im Kern bleibt das bekannte Design erhalten, doch im Detail ändern sich nicht nur Buchse und Stecker, sondern auch der Name auf „12V-2×6“.

Die Spezifikationen für den neuen 12V-2×6-Stecker finden sich im Entwurf der Version 5.1 für die Normierung der elektromechanischen Eigenschaften von PCIe-Steckkarten (CEM), die auch in ATX 3.1 einfließen wird.

Im Kern bleibt 12VHPWR erhalten

Nutzer, die gehofft hatten, der mit 12VHPWR verfolgte Ansatz zur Miniaturisierung des insbesondere auf Grafikkarten zum Einsatz kommenden Steckers bei gleichzeitig signifikant gestiegener Leistung würde wieder aufgegeben werden, werden allerdings enttäuscht: Im Kern bleibt es bei 12VHPWR.

Das ändert sich an Buchse und Stecker

Eine Überarbeitung betrifft die vier so genannten Sense-Pins: Deren Spitzen liegen bei 12V-2×6 um 1,7 mm tiefer in der Buchse, so dass der vollständige Kontakt zum Stecker nur dann hergestellt werden kann, wenn er vollständig in der Buchse eingerastet ist. Für den Fall einer nicht vollständigen oder mit der Zeit gelösten Verbindung sollen sich PCIe-Zusatzkarten in Zukunft frühzeitig abschalten, weil sie den Kontakt zu den Sense-Pins verlieren.

Zur Einführung des neuen Steckers mit GeForce RTX 4000 im Herbst 2022 hatten unvollständig geschlossene Steckverbindungen wiederholt zu verkohlten oder gar brennenden 12HVPWR-Steckern geführt, weil die von Grafikkarten abgerufenen hohen Ströme über viel zu kleine Kontaktflächen geleitet wurden, die sich daraufhin zu stark erhitzten.

Der Kontaktschluss im alten 12VHPWR- und im neuen 12V-2x6-Stecker (rechts)
Der Kontaktschluss im alten 12VHPWR- und im neuen 12V-2x6-Stecker (rechts) (Bild: Hardware Busters)

Um die Kontaktflächen in Zukunft auch im perfekt geschlossenen Zustand zu erhöhen, ragen die zwölf Strom oder Masse führenden Pins im Stecker dem neuen Standard zufolge um 0,25 mm tiefer in die Buchse hinein. Der 12V-2×6-Entwurf soll zu bisher erschienenen Produkten mit 12VHPWR-Stecker respektive -Buchse kompatibel sein.

150 und 300 Watt werden anders signalisiert

12V-2×6-Pin ändert auch, wie Netzteile signalisieren, dass sie maximal 150 oder 300 Watt über 12VHPWR bereitstellen können. Im Falle von 150 Watt werden Sense 0 und Sense 1 kurzgeschlossen, im Falle von 300 Watt wird Sense 0 mit Masse belegt und Sense 1 offen gelassen. Bisher gingen PCIe-Steckkarten mit 12VHPWR für den Fall, dass Sense 0 und Sense 1 offen gelassen wurden, davon aus, dass die Gegenseite 150 Watt liefern kann.

Bitte nicht knicken und nicht kochen

In Zukunft explizit Teil der Norm ist der Hinweis, dass die Kabel nicht kurz nach dem Heraustreten aus dem Stecker gebogen werden dürfen. Hohe Belastungen im rechten Winkel auf die Stecker-Achse dürfen darüber hinaus nicht dazu führen, dass der Strom derart ungleichmäßig über die Kontakte geleitet wird, dass einzelne davon die maximal zulässige Belastung überschreiten.

Mit diesem Punkt könnte die PCI SIG neben nicht korrekt geschlossenen Kontakten eine weitere Ursache für die 12VHPWR-Ausfälle adressieren, deren Verhinderung nicht in der Hand von Endanwendern, sondern einer unzureichenden Spezifizierung der ersten Generation gelegen hätte.

12V-2x6: Buchse und Stecker des 12VHPWR-Nachfolgers
12V-2x6: Buchse und Stecker des 12VHPWR-Nachfolgers (Bild: Igor's Lab)

Ebenfalls neu ist, dass die 12V-2×6-Steckverbindungen auch hohen thermischen Belastungen standhalten muss. Ein Testszenario sieht den Einsatz bei 105 °C über sieben Tage vor.

Mit der vorgeschlagenen Spezifikationsänderung geht die PCI SIG Ursachen für defekte 12VHPWR-Steckverbindungen und die betroffene Hardware an. Insbesondere die Anpassungen an Buchse und Stecker scheinen sinnvoll zu sein. Zugleich wird abermals deutlich: Der kompakte Stecker mit 12 Leitungen zur Stromversorgung mit bis zu 600 Watt kann zwar mehr als die bekannten 6- oder 8-Pin-Vorgänger, ist aber schwerer zu beherrschen. Heute für Kunden und Hersteller, in Zukunft mindestens noch für letztere.

Update

Wie Igor's Lab beim Blick auf den 12VHPWR-Stecker der GeForce RTX 4070 aufgefallen ist, setzt die Founders Edition der GeForce RTX 4070 bereits auf eine 12VHPWR-Buchse, die Sense-Pins aufweist, deren Spitzen tiefer in der Buchse enden, als das bei GeForce RTX 4090 oder 4080 der Fall gewesen ist. Um den für 12V-2×6 geplanten neuen Header H++ handelt es sich aber noch nicht.

ComputerBase kann das bestätigen – sowohl für die GeForce RTX 4070 Founders Edition als auch für die im Nachgang veröffentlichte GeForce RTX 4060 Ti.

Bei der 4070 FE (oben) enden die Sense-Pins (wie für 12V-2x6 geplant) weiter hinten in der Buchse als bei der 4080 TUF (unten)
Bei der 4070 FE (oben) enden die Sense-Pins (wie für 12V-2x6 geplant) weiter hinten in der Buchse als bei der 4080 TUF (unten)
Update

Allem Anschein nach setzt Nvidia auch bei den bereits seit Herbst 2022 verfügbaren Founders Editions sukzessive auf die leicht modifizierte 12VHPWR-Buchse, die die Spitzen der Sense-Pins weiter nach hinten versetzt. Darauf deutet das Foto einer neu erworbenen GeForce RTX 4090 Founders Edition auf Reddit hin.

Auch die GeForce RTX 4080 Founders Edition und mit neuen Chargen auch Custom-Designs aller verfügbaren RTX 4000 dürften damit auf die modifizierte Buchse wechseln. Bei RTX 4080 und RTX 4070 Ti könnte das allerdings noch etwas dauern, denn aus Branchenkreisen ist zu hören, dass Nvidia GPU-Speicher-Bundle für diese beiden Klassen aktuell nicht an Hersteller liefert, weil der Bestand an gefertigten Grafikkarten zurzeit mehr als ausreichend ist.

Update

Die im Juli vorab durchgesickerten Anpassungen am 12VHPWR-Stecker (siehe oben) sind wie erwartet Teil der Spezifikationen von ATX 3.1, die inzwischen von Intel veröffentlicht wurde. Und wie erwartet hat der im Kern unverändert übernommene, im Detail aber angepasste 12VHPWR-Stecker einen neuen Namen bekommen: 12V-2×6. Gekennzeichnet wird die neue Buchse mit der Aufschrift „H++“, der 12VHPWR-Stecker trug die Bezeichnung „H+“. Beide Systeme sind zueinander kompatibel.

Die 12V-2x6-Buchsen tragen die Aufschrift H++ statt H+ bei 12VHPWR
Die 12V-2x6-Buchsen tragen die Aufschrift H++ statt H+ bei 12VHPWR

Neben den Anpassungen an den strom- und nicht stromführenden Leitungen weist die neue Norm auch die erwarteten wesentlich umfassenderen Vorgaben für die Auslegung der Stecker (Dimensionen, Materialwahl) und deren Test vor dem Serieneinsatz aus. Die alte Norm ließ Herstellern in wesentlichen Punkten freie Hand. Details liefert das Whitepaper zur ATX-3.0-Norm in der Revision 3.1 auf Intel.com. Ein Auszug:

The 12VHPWR connector, introduced in the earlier 2.0 revision of this document and the PCIe CEM 5.0 Specification, has been deprecated and replaced with the 12V-2x6 connector, as shown in th PCIe CEM 5.1 specification. While the 12V-2x6 connector specification is mechanically identical to the 12VHPWR connector in most respects, multiple updates have been incorporated into the newer, 12V-2x6 connector, to improve its reliability.

The chief improvements introduced in the 12V-2x6 connector include:

  • The power pins have been lengthened and the sideband pins have been shortened in the PCB Header to ensure first-mate/last break engagement of the power pins. This mechanical revision is present in the 12V-2x6 PCB header component to ensure that the sideband pins engage only after the power pins are sufficiently mated.
  • The sideband signals SENSE0/SENSE1 definitions, which signal maximum available power available from the PSU, have been updated, as shown in Table 3-6.
    • The 150 watts power level now requires the SENSE0/SENSE1 pins to be shorted together in the power supply or the cable.
    • When both SENSE0/SENSE1 are unasserted, as defined by their high-impedance Open-Open state, no power may be drawn by the load. This is new SENSE0/SENSE1 combination now defines the new 0 watt state, which was not present in the 12VHPWR connector. These updated SENSE0/SENSE1 combinations ensure that an Add-in Card may only draw power only when the power pins and the sideband pins are engaged and correctly asserted. The Open-Open condition signals that the PCB plug is either poorly seated or absent. These two conditions are now functionally equivalent. A PCIe CEM 5.1 Add-in Card will explicitly interpret the Open-Open SENSE0/SENSE1 stat as the 0 watt configuration, and it will not attempt to draw power from the cable.
  • It is important that the power supply provide these updated SENSE0/SENSE1 encodings to the cable, to ensure compatibility with PCIe CEM 5.1 compliant Add-in Cards. See 3.3.1 for more details on SENSE0/SENSE1 encoding.