Mein Neffe mit kleiner Lernschwäche: neuer Arbeitgeber übt Druck aus

CB_usr90

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Hallo zusammen,

mein Neffe (23 Jahre) hat am Dienstag als ungelernte Hilfskraft im Lager begonnen. Die Stelle war explizit für Ungelernte ausgeschrieben, und im Lager werden technische Geräte hergestellt und verschickt. Sein Vertrag läuft für ein Jahr befristet. Den Schnuppertag hat er erfolgreich gemeistert, und sowohl der Teamleiter als auch der Personalchef finden ihn sehr sympathisch und kommunikativ.

Allerdings hat er mir heute Mittag berichtet, dass er nach den ersten Tagen noch nicht alles vollständig verstanden hat. Aufgrund einer leichten Lernschwäche benötigt er etwas mehr Zeit, um Aufgaben zu erfassen und umzusetzen, was er auch offen kommuniziert hat.

Nach ein paar Tagen hat er jedoch ein gutes Verständnis für die Abläufe entwickelt, und es hat bei ihm "klick" gemacht. Heute lief alles recht gut, abgesehen von ein paar Fragen zum Standort von Gegenständen. Beim Umsetzen hapert es noch ein wenig.

Dennoch setzt der Arbeitgeber hohe Anforderungen. Nächste Woche soll er bereits die Abläufe fehlerfrei umsetzen können. Dabei geht es nicht nur um Lagerarbeiten wie Verpacken, sondern auch um das Programmieren von 433 MHz Sendern für die Notrufsysteme der Senioren , die Bearbeitung von Kundenaufträgen, Chipsätze "brennen" von den Bauteilen der Notrufsysteme am PC "brennen" (keine Ahnung was genau das ist)
Zudem soll er Programme wie Micro Focus-Dienste, ESECA und Groupwise nächste Woche beherrschen.
Das alles sind ziemlich komplexe Abläufe.
All dies sollte er in den drei Tagen verstehen und nächste Woche bereits fehlerfrei umsetzen können.

Die Mitarbeiterin, die ihn einarbeitet, scheint ihn ziemlich zu belasten und sagt ihm, dass sie es noch nie erlebt hat, dass ein neuer Mitarbeiter länger braucht, um die Abläufe zu verinnerlichen.

Nächsten Freitag steht ein Feedback-Gespräch an, in dem entschieden wird, ob er bleiben darf oder nicht.

Ich finde, dass er enorm unter Druck gesetzt wird und dass der Zeitrahmen zu kurz ist, um eine Entscheidung darüber zu treffen, ob er bleiben darf oder nicht. Besonders, da er ungelernt ist und die Stelle auch für Ungelernte ausgeschrieben war.

Ist es heutzutage üblich, dass kleine Unternehmen so hohe Erwartungen haben und Mitarbeiter mit Einschränkungen so unter Druck setzen? Besonders, wenn er seine Aufgaben erfüllt und am Ende des Tages alles erledigt hat, jedoch öfter nachfragen muss und die Erklärungen mehrmals hören muss.

Wenn das tatsächlich heutzutage Standard ist, dann überrascht es mich nicht, dass kleine Unternehmen Schwierigkeiten haben, Stellen zu besetzen und mit solchen Anforderungen vor die Wand gefahren werden könnten, da solche negativen Erfahrungen mit dem Unternehmen auf Bewertungsportalen die Runde machen könnten.

Wie seht ihr das? Sollten solche Unternehmen, die sowieso schon Schwierigkeiten haben, Stellen zu besetzen, von ihrem hohen Ross herunterkommen?
 
Zuletzt bearbeitet:
ungelernte Hilfskraft und ungelernte Hilfskraft mit Lernschwäche ist mMn. zwei verschiedene Dinge.

Ansonsten ist sowas aus der Ferne immer schwer zu beurteilen. Wie klar wurde tatsächlich die Lernschwäche und deren Auswirkung kommuniziert? Ist die Schwäche allen Beteiligten klar mitgeteilt worden (die Mitarbeiterin, die ihn einlernt ist ja anscheinend jemand anders als der Teamleiter und Personalchef). Was beinhaltet das Programmieren der Sender und die Bearbeitung von Kundenaufträgen genau? Sind das nur drei Klicks oder sind das Komplexe Abläufe?
 
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Nilson schrieb:
Was beinhaltet das Programmieren der Sender und die Bearbeitung von Kundenaufträgen genau? Sind das nur drei Klicks oder sind das Komplexe Abläufe?
Chipsätze von den Bauteilen der Notrufsysteme am PC "brennen" (keine Ahnung was genau das ist)
Zudem soll er Programme wie Micro Focus-Dienste, ESECA und Groupwise nächste Woche beherrschen.
Das alles sind ziemlich komplexe Abläufe.
 
Wurde dem Arbeitgeber gegenüber kommuniziert, dass er eine Lernschwäche hat?
 
CB_usr90 schrieb:
Das alles sind ziemlich komplexe Abläufe.
KKommt halt drauf an, was sich dahinter verbirgt. Möglicherweise nur die Artikel Nummer in eine Such Maske eingeben und 2,3 Haken setzen.

Ansonsten ist das beschriebene erstmal keine typische Aufgabe für einen Lageristen.
 
CB_usr90 schrieb:
Chipsätze von den Bauteilen der Notrufsysteme am PC "brennen" (keine Ahnung was genau das ist)
Ich geh mal davon aus, die Chips sollen "geflasht" werden. Meistens passiert das über ein Programm, bei dem man immer die selben Optionen auswählt, genauso, wie es @Micha- schon beschrieben hat. Wenn man da eine (ausgedruckte) Vorlage hat, ist das kein großes Ding und sollte meiner unqualifizierten Meinung nach auch für jemanden mit Lernschwäche binnen eines Tages gelernt werden können.
 
Ich habe jahrelang unser Lager (Bürokommunikation) geleitet und da musste man noch keine speziellen Anforderungen besitzen (Mitte der 90'er bis Anfang der 2000'er). Als Lagerleiter war ich zusätzlich nur für die laufenden Bestellungen zuständig. Ansonsten nur übliche Lagerpflege, Verpacken und Versandfertig machen. Und jetzt sollen sogar Hilfskräfte wohl am besten noch ein Studium absolviert haben? Unglaublich, diese Anforderungen hier.
 
Wenn man nur dumm einfach Computern und bunten Lichtern folgen will, sollte man sich bei Amazon als Picker bewerben. Ansonsten sind Arbeiter in Deutschland zu teuer.

Ohne wirklich die Anforderungen zu kennen, kann man hier keine Aussage treffen. Zwischen “Software beherrschen” und “mit beiliegender SOP drei Haken setzen” liegen Welten. Ebenso gibt es Abstufungen bei Lernschwächen.
 
Er könnte sich jetzt ransetzen und es versuchen, anstatt zu verzweifeln oder er sucht sich etwas Neues und passenderes. In der Tierpflege werden immer wieder Leute gesucht. Das stelle ich mir auch weniger stressig vor, und die Abläufe sind irgendwann alle gleich. Voraussetzung ist natürlich das er Tiere mag und behutsam mit ihnen umgehen kann.
 
@CB_usr90

Hat dein Neffe die Lernschwäche mit angegeben? Wenn nicht - kann er nicht nochmal das Gespräch suchen und dies ansprechen.

Das Eine ist ja, dass man eine ungelernte Hilfskraft benötigt und das Andere, dass man bei dem Einlernprozess noch Lernschwächen berücksichtigen muss. Wenn ich die verantwortliche Person bin für die Einführung, muss ich ja wissen, wie derjenige vor mir am Besten eingelernt werden sollte.

Also ansprechen und dann schauen, wie es weitergeht!
 
nun, chips flashen ist jedenfalls ned der job eines lagerhacklers, soviel ist klar.
da soll wohl billig bezahlt werden.
 
CB_usr90 schrieb:
Die Mitarbeiterin, die ihn einarbeitet, scheint ihn ziemlich zu belasten und sagt ihm, dass sie es noch nie erlebt hat, dass ein neuer Mitarbeiter länger braucht, um die Abläufe zu verinnerlichen.
Da stellt sich mir die Frage, ob diese Mitarbeiterin noch längerfristig dort arbeitet. Das klingt irgendwie so, als ob ihr gekündigt wurde und sie jetzt gefrustet ist. Diese Programme kenne ich nicht. Jedoch halte ich es für unangebracht das alles zusammen so schnell verinnerlichen zu können. Ich denke, dass @Restart001 Recht hat, und die drei Schritte auf eine Person abwälzen wollen.
 
whats4 schrieb:
nun, chips flashen ist jedenfalls ned der job eines lagerhacklers, soviel ist klar.
Und ich tippe Mal in seinem AV (wie in eig. jedem der mit bisher unter meine Nase geflogen kam) steht ein Passus drin à la "Der AG behält sich vor, Herrn Max Mustermann im Bedarfsfall im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für gleichwertige Tätigkeiten anderweitig zu verwenden"
Klar wird hier aus einem Schreiner kein Kampfpilot, aber da herrscht schon etwas Spielraum-

Bei mir sogar teilweise "an einen anderen Ort (hier Niederlassung o.Ä.) in Deutschland versetzen" - gut das ist Dank virtuellen Calls eh wohl eher nicht notwendig heutzutage.

Das wird keine Operation am offenen Herzen sein.
Ich habe vor Äonen in einer Behindertenwertstatt als Schüler ausgeholfen. Das ist ja nochmal "mehr" als nur Lernschwäche. Dort gab es alles bebildert für die notwendigen Arbeitsschritte.
Dies kann er ja auch erstellen/anfragen oder er schreibt sich das halt auf. 5 min Arbeit und dann "weiss" man es.
Ich gehe mal laienhaft von wiederkehrenden klicks/Arbeitsschritten/Maskenbedienung im jeweiligen Programm aus. Und selbst Sonderfälle schreibt man sich halt mal kurz raus.

Auch ich hab für Spezifika bei irgendwelchen Geschäftsvorfällen ein selbsterstelltes "schlaues Buch/excel/word", wo ich schnell nachschlagen kann wie das berücksichtigt werden muss, wenn ich es nicht auswendig weis oder mir ableiten kann.

MfG, R++

EDIT: Falls es aber doch zu "raketenwissenschaftlich" werden sollte oder einfach zu viel: offen (gerne auch nach oben) kommunizieren. Wenn das Arbeitsverhältnis deswegen in der Probezeit endet, dann ist das nunmal so. Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende^^
 
Zuletzt bearbeitet: (Edit)
R++ schrieb:
Dies kann er ja auch erstellen/anfragen oder er schreibt sich das halt auf. 5 min Arbeit und dann "weiss" man es.
Ich gehe mal laienhaft von wiederkehrenden klicks/Arbeitsschritten/Maskenbedienung im jeweiligen Programm aus. Und selbst Sonderfälle schreibt man sich halt mal kurz raus.
Du magst es nicht glauben, aber damit sind viele nicht lernbehinderte schon überfordert, bzw kommen anscheinend nicht auf so eine Idee. Oder haben die Attitüde "das muss der Chef machen". Oder Angst was falsches aufzuschreiben. Gibt unendlich viele Gründe.
 
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