Leserartikel Praktisch: eGPU in Munitionskiste

Naturtrüb

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Im Folgenden geht es um die Transplantation der Innereien eines ‚normalen‘ eGPU-Gehäuses in eine Munitionskiste. Richtig gelesen: Eine Munitionskiste.

Warum? Warum leckt sich der Hund die Eier? Weil er‘s kann... ;-)

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Es gibt natürlich auch ein paar andere, praktische und ‚ästhetische‘ Gründe (...für den Kistenumbau, nicht den Hund...). Der noch am ehesten Vermittelbare: Mein ursprüngliches, bereits umgebautes eGPU-Gehäuse (dazu gleich mehr) war mir zu groß. Ich mag kleine Gehäuse und vor allem mag ich es nicht, ungenutztes, leeres Gehäusevolumen in der Gegend rumstehen zu haben (Exkurs: Wassergekühlter Mini-ITX-PC).

Daher begann mich auch der große, schwarze Brocken namens Razer Core X auf dem Schreibtisch neben dem Mac Mini zunehmend zu nerven, der dort fürs WoW-Zocken und gelegentliches Video-Recodieren hockte: So viel Volumen nur für eine Graphikkarte und ein Netzteil. Welche Verschwendung! Und so hässlich! Warum ist das Ding so idiotisch groß - nur um warme Luft zu beherbergen?

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Eines Abends schweifte der darob verzweifelte Blick zufällig über eine alte, kleine Munitionskiste, in der ich aus Sicherheitsgründen diverse ungenutzte LiPo-Akkus lagere. Das Ding hat doch ungefähr die Länge einer Graphikkarte... Und von der Breite müsste daneben auch das SFX-Netzteil unterbringen lassen! Also schnell das Maßband geholt und nachgemessen. Euphorisierende Erkenntnis: Das Zeug wird reinpassen, wenn auch knapp! Die Kiste hat für den Zweck die idealen Maße! Das Olivgrün passt dazu farblich gut zum Gun-Metal-farbenen Mac Mini 2018.

Die Folge: Spontan aufkeimende spätpuberträre Albernheit: Wie Geil ist das denn?!?! Ich bin zwar aus dem Alter längst raus, aber für LAN-Partys mit leichtem Laptop (Voraussetzung: TB3-Schnittstelle) wäre das doch der Bringer! Vor allem die Robustheit und gute Transportfähigkeit dank solidem, einklappbarem Tragegriff ist dafür doch geradezu ideal!
Das sind alles viel zu gute Argumente um den Umbau nicht durchzuziehen, selbst wenn ich wohl niemals auf eine LAN-Party gehen werde... ;-)

Also wie anfangen? Die vorhandene Kiste, die vor `zig Jahren als Verkaufsverpackung für einen grausam schlechten Ballerfilm diente (den Namen habe ich längst vergessen, ich weiss aber noch, daß ich den Film damals nur wegen der coolen Kiste gekauft habe...) wollte ich aber nicht dafür nutzen: Zum einen, weil ich sie ja für meine LiPos brauche, zum anderen, weil sie eine so schön authentische Patina hat. Wie sich rausstellte, gibt es die exakt (!) gleichen Kisten für unter dreißig Euronen immer noch beim grossen Fluß zu kaufen, sogar in nagelneu ohne einen Kratzer, mit Silicagel-Tütchen und in Luftblasenfolie verpackt. Vermutlich stammen sie aus irgendwelchen niemals genutzten US-Army-Restbeständen, denn die Beschriftung deutet auf Leuchtspur-Maschinengewehrmunition hin (für Munitionsgurte mit je vier normalen Patronen und dann einer Leuchtspur-Patrone). Die Kiste selbst ist unglaublich robust und wasserdicht: Sie hat eine Gummidichtung im Deckel, der mit einem soliden Kniehebelverschluß auf das Gehäuse gepresst und verriegelt wird. Das enorm robuste Scharnier des Deckels lässt sich aushängen, was die Bearbeitung des 1 mm dicken Stahlblechs der Kiste sehr erleichtert.

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Kurz zum Implantat - der eGPU-Platine aus dem Razer Core X. Das ist das Einzige was was davon übernommen wird, denn alles Andere ist überflüssig oder taugt nichts: Das ursprünglich im Razer-Gehäuse verbaute Netzteil hat einen permanent (!) durchlaufenden Netzteillüfter. Mir ging der so dermassen auf den Keks, daß ich das Netzteil kurz nach dem Kauf durch das sehr gute (und temperaturgeregelt leise) Corsair SF600 Netzteil ersetzt und dazu das Gehäuse etwas angepasst habe. Da ich wegen der kleinen Gehäuse zur direkten Wärmeableitung bei der Graphikkartenkühlung sowieso auf Blower-Konstruktionen setze, flog damals auch gleich der verbaute Gehäuselüfter mit raus. Somit bleibt vom Razer Core X nur die kleine Thunderbolt3-PCIe-Platine übrig, die ist aber wirklich gut. Sie hat einen ganz normalen PC-Mainboardanschluß und Zusatz-Stromanschluß, so daß sich Standard-SFX-Netzteile nutzen lassen.

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Die Arbeiten an der Munitionskiste beschränken sich auf das Anbringen von drei Öffnungen im Blech und einigen Bohrungen: Als wichtigstes Hilfsmittel hat sich der bewährte Dremel mit 420er Trennscheiben erwiesen, man sollte allerdings genügend davon da haben - das 1 mm dicke Stahlblech der Kiste hat etwa zehn davon ‚gefressen‘. Mit den Trennscheiben kann man sehr genau arbeiten, allerdings sollte man bei der Arbeit auf eine sichere Befestigung der Kiste (mit Schraubzwingen) und eine gute Polsterung achten (Stück alte Isomatte gegen Kratzer). Kreppband zum Schutz von Lack und Kanten ist sinnvoll, noch wichtiger ist allerdings eine Schutzbrille, denn Stahlfunken und Trennscheibenmaterial will man ganz sicher nicht im Auge haben.

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Die meiste Arbeitszeit ging jedoch für das Messen und Markieren drauf: Ich habe die später für die Befestigung am Kistenboden benötigten Abstandsbolzen umgekehrt an die Platine geschraubt und diese an die Graphikkarte gesteckt, um mit dieser ganzen Konstruktion zunächst innerhalb der Kiste die exakten Höhen für den Slotblech-Durchbruch markieren zu können. Die Maße liessen sich danach leicht auf die Aussenseite übertragen, die Breite war dann auch kein Problem mehr. Wichtig ist hier allerdings gutes Werkzeug in Form von Meßschieber, Reißnadel und Messwinkel und vor allem viel Geduld und gutes Licht zum Arbeiten.

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Die Öffnung für das Slotblech der Graphikkarte ist etwa 15 mm höher als eigentlich erforderlich, dies ist den engen Platzverhältnissen geschuldet. Man bekommt die Graphikkarte nur rein, indem man sie zunächst diagonal in das Gehäuse setzt und dann dreht (dafür die Öffnung), um sie dann gerade nach unten in den PCIe-Slot setzen zu können. Wichtig: In die Seitenwand muß auf Höhe des Slot-Entriegelungshebelchens ein kleines Loch angebracht werden, um mit einem Schraubendreher dort draufdrücken zu können - sonst bekommt man die Graphikkarte nicht mehr heraus... ;-)

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Hat man das Loch für das Slotblech und die TB3-Anschlußbuchse fertig, kann man die Graphikkarte an ihre Position schieben und die Bohrungen für die Befestigungsbolzen markieren. Hier hilft es, diese nacheinander zu entfernen und die Position durch die Bohrung in der Platine mit einer langen, dicken Bleistiftmine zu markieren. Ordentlich ankörnen, bohren, fertig.

Das Anbringen der restlichen Öffnungen ist vergleichsweise einfach und läuft ähnlich ab. Die Kanten der Belüftungsöffnung habe ich mit einem Gummiprofil versteckt und dahinter ein Sechseck-Lochblech aus Stahl mit Popnieten befestigt, damit die ‚Optik‘ stimmt.

Die Graphikkarte benötigt zur Befestigung am Slotblech noch ein kleines Winkelblech, ein Stück zurechtgesägtes Alu-Winkelprofil aus dem Baumarkt reicht völlig.


Benötigte Teile:

  • Munitionskiste (280 x 185 x 145 mm)
  • TB3 / PCIe-Platine aus dem Razer Core X
  • SFX-Netzteil (Corsair SF600)
  • Graphikkarte in Blower-Ausführung (MSI Vega 56 Airboost)
  • Abstandsbolzen (Spacer) M3 aus Nylon, Länge 15 und 10 mm
  • M3-Unterlegscheiben (zur Höhen-Feinjustierung)
  • Alu-Winkelprofil
  • Lochblech (mit möglichst viel Durchlass)
  • Gummi-Kantenschutzprofil
  • Popnieten (Schrauben gehen natürlich auch)
  • Gehäusefüße

Maximale Maße der Graphikkarte (Gehäuse, ohne den Winkel des Slotblechs): 268 x 40 mm. Viel höher als 100 mm sollte das Gehäuse auch nicht sein, damit noch genügend Höhe für die Stromanschlüsse bleibt.

ACHTUNG: Wegen der direkten Wärmeabfuhr kann man eigentlich nur Graphikkarten mit Blower-Kühlung (Radiallüfter) einsetzen. Mit einer weiteren großen Belüftungsöffnung auf der Graphikkarten-Seite des Gehäuses und einem zusätzlichen Gehäuselüfter lassen sich evtl. auch Axiallüfter-Karten nutzen, mir wäre das bei dem kleinen Gehäuse zu risikoreich, vor allem wenn das Netzteil noch die heisse Graphikkartenluft ansaugt…

Viel Spaß beim Nachbauen, vielleicht schafft es ja jemand, auch einen kompletten Gaming-PC in so einer Kiste unterzubringen... ;-)
 
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Ist das in Deutschland eigentlich erlaubt scharfe Hardware in Munitionskisten vorzuhalten?
 
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Allein schon das du an das kleine Loch zum Entriegeln gedacht hast - grandios

Auch krass eGPU Gehäuse kaufen und eigentlich nur die Platine nutzen xD
Jetzt könnte man aus dem Razer Gehäuse ein ITX Case basteln ^^
 
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Die alte Kiste gefällt mir auch besser ;)

Die Umsetzung gefällt mir richtig gut, am Anfang habe ich mich gefragt, wozu das Loch in der Seite dient, wie schön dass das Geheimnis später noch aufgedeckt wurde
 
Naturtrüb schrieb:
Viel Spaß beim Nachbauen, vielleicht schafft es ja jemand, auch einen kompletten Gaming-PC in so einer Kiste unterzubringen... ;-)
SRY habe ein blöde Idee.
  • Man nehme ein wunderschönes DAN A4 und entledige sich der Seitenteile.
  • Man halbiere den Korpus zwischen Riser-Karte und HDD-Käfig und kürzt den rechten Teil um ca. 50mm.
  • Anschließend schneidet man den Korpus etwas oberhalb der I/O-Blende durch und entfernt etwa 20mm in der Höhe.
  • Jetzt den Korpus mit den geschrumpften Abmessungen wieder zusammensetzen und ab damit in die Munitionskiste.
DAN A4.png


Alternativ: Baut man sich den gesamten Rahmen aus Aluprofilen selbst zusammen.
 
burnout150 schrieb:
SRY habe ein blöde Idee.
  • Man nehme ein wunderschönes DAN A4 und entledige sich der Seitenteile.
  • Man halbiere den Korpus zwischen Riser-Karte und HDD-Käfig und kürzt den rechten Teil um ca. 50mm.
  • Anschließend schneidet man den Korpus etwas oberhalb der I/O-Blende durch und entfernt etwa 20mm in der Höhe.
  • Jetzt den Korpus mit den geschrumpften Abmessungen wieder zusammensetzen und ab damit in die Munitionskiste.

...in die Richtung habe ich auch schon mal überlegt, allerdings scheitert das wohl am Kistenverschluß: Aufgrund der Kistenlänge müsste man das Netzteil wohl hochkant einbauen, damit wäre die Abluftöffnung und die Netzkabel-Buchse an der vorderen Kisten-Schmalseite. Dort befindet sich jedoch der ziemlich große Kniehebelverschluß des Deckels. Evtl. müsste man diesen verkleinern und mit Öffnungen versehen und diesen merkwürdigen dünnen Tragebügel an der Schmalseite entfernen. Es könnte allerdings trotzdem sein, daß das Netzteil den RAM-Riegeln im Weg ist. Die 280 mm Gehäuselänge sind halt problematisch (müsste man nochmal nachmessen, das DAN hat ja auch nur 295 mm Länge...)
 
Idunno in Bezug auf so klein und so wenig Luft wie möglich... aber definitiv eine fetzige Idee abseits ausgetretener Pfade.

Ralph like. :daumen:

Der nächste pc paßt dann vielleicht in irgendwelche shells.
 
Sehr gut und stilgerecht umgesetzt!
So viel besser, origineller und individueller als ein Blingbling-Gehäuse von der Stange! 👍
 
Es ist wirklich ein so guter Artikel, da kommt Lust auf das nachzubauen!
Die Munitionskiste ist eine praktische Sache.

Extra eine andere Graka kaufen fällt allerdings aus. Und ein Blick auf die Spezifikationen meiner RTX2080 verraten leider sofort, dass sie zu lang, zu breit und zu hoch für diesen Plan. Wirklich schade...
 
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