Bundestag verabschiedet Gesetz zu Internetsperren

Jirko Alex
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Der Bundestag hat gestern Abend den Gesetzentwurf zu Internetsperren im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet verabschiedet. Während die große Koalition den erst kürzlich geänderten Gesetzesentwurf getragen hat, stimmte die Opposition geschlossen gegen das Gesetz.

Vor der Abstimmung betonte die Koalition, hohe Hürden in dem Spezialgesetz gesetzt zu haben, sodass dieses nicht – wie von Kritikern befürchtet – auf andere Bereiche ausgeweitet werden könne. Martina Krogmann, parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion, führte dabei aus, dass es sich um eine Maßnahme handele, die sich vor allem gegen Zufallsnutzer richte, die durch die Stopp-Seite abgeschreckt werden sollen. Martin Dörmann von der SPD betonte, dass bereits mit fünf großen deutschen Providern auf Vertragsbasis ähnliche Sperrmaßnahmen etabliert wurden, die auch ohne das Gesetz umgesetzt worden wären und nun eine rechtsstaatliche Grundlage erhalten. Jörg Tauss, ebenfalls von der SPD, intervenierte, dass die Vereinbarungen mit den Providern durch Nötigung zustande gekommen seien. Diese nachträglich zu legalisieren sei „rechtsstaatlich unmöglich“.

Die Opposition führte hingegen aus, dass die geplanten Sperren ihr Ziel völlig verfehlten. Max Stadler (FDP) ist etwa davon überzeugt, dass Kinderpornografie mit dem Gesetz "um kein Jota zurückgedrängt wird". Er kritisierte darüber hinaus, dass am gestrigen Donnerstag über ein anderes Gesetz debattiert wurde als ursprünglich geplant, da es sich durch die am Dienstag eingebauten Änderungen erheblich von dem ursprünglichen Entwurf unterscheide. Es sei daher mit Verfassungsbeschwerden zu rechnen. Jörn Wunderlich, Abgeordneter der Linken, monierte, dass eine rechtsstaatliche Kontrolle der Sperrlisten nicht stattfinde. Es sei dabei bezeichnend, dass Polizeibehörden darüber entscheiden, was publiziert werden dürfe. Für die Grünen warf Wolfgang Wieland ein, dass das Vorhaben unter der Flagge des Wirtschaftsrechts durchgesetzt werde. Es müsse zumindest ein verwaltungsrechtliches Widerrufsverfahren gegen die Aufnahme auf die Listen vorgesehen werden. Auch sei der Bundesdatenschutzbeauftragte, der das Kontrollgremium bestellen soll, das die Sperrlisten des Bundeskriminalamtes (BKA) überprüft, für diese Aufgabe ungeeignet. Hier hätte man einen Richter einsetzen müssen.

Auch nach zahlreichen Änderungen am Gesetz bleibt die Kritik, dass der nunmehr vorhandene Ansatz „Löschen statt Sperren“ nicht konsequent umgesetzt werde. So darf das BKA Internetangebote, die sich im außereuropäischen Ausland befindet sofort auf eine Sperrliste setzen, wenn die Löschbarkeit der Inhalte nach Einschätzung der Behörde nicht in „angemessener Zeit“ möglich ist. Auch ist nicht festgeschrieben, dass der Anbieter der Inhalte über die Sperrung derselben informiert werden muss, sofern er nicht mit „zumutbarem Aufwand“ festgestellt werden kann. Die Etablierung einer Zensurinfrastruktur für das Internet ist darüber hinaus weiterhin ein großer Punkt, an dem Kritiker anstoßen. Gerade diesen Gedankengang kritisierte allerdings die Initiatorin des Gesetzes, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Es sei ihrer Meinung nach „zynisch, im Zusammenhang mit Kinderpornografie von Zensur zu sprechen“.

Noch kurz vor der Abstimmung ermahnten 13 Bundestagskandidaten der SPD in einem offenen Brief ihre Parteikollegen, die Zustimmung zu dem Gesetz zu verweigern, um vor allem junge Wähler nicht zu verprellen. Das Eintreten für ein „wirkungsloses“ Vorhaben schüre Zensurängste und vergrätze selbst „unsere treusten Fürsprecher in der digitalen Welt“. Dabei verwiesen die Abgeordneten auch auf die Online-Petition zum Gesetz, die mit über 130.000 Mitzeichnern die erfolgreichste ihrer Art ist.

Nach erfolgreicher Abstimmung im Bundestag muss sich nun die Länderkammer mit dem Gesetzesentwurf befassen. Eine Zustimmung ist allerdings nicht notwendig, sodass das Gesetz schon bald in Kraft treten könnte, sofern der Bundesrat keinen Einspruch erhebt. Dies allerdings ist unwahrscheinlich, da die Kritik des Bundesrats zu großen Teilen im aktuellen Gesetzesentwurf umgesetzt wurde.

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