James Cameron’s Avatar im Test: Die einäugige Umsetzung unter den blinden

 2/4
Sasan Abdi
70 Kommentare

Inhaltliches

Plot

Den löblichen Versuch einer direkten Verquickung von Film und Videospiel in allen Ehren: Schon bei der Betrachtung der Handlung offenbart sich, dass das eine mit dem anderen nicht so richtig viel zu tun zu haben scheint. Wer also zumindest in etwa den Plot des Films erwartet – herzzerreißende Liebesgeschichte inklusive – wird, soweit sich dies vor Kinostart sagen lässt, mit „James Cameron's Avatar“ eher schlecht bedient. Denn stattdessen bekommt man im Videospiel eine abgewandelte Handlung serviert, die dem Kino-Pendant eher über die Rahmenbedingungen als über das Geschehen ähnelt.

Und so wird der Spieler gleich zu Beginn in persona eines Signalexperten namens Ryder Hals über Kopf auf den malerisch-fremden Planeten Pandora entlassen, den die Menschen zum Zwecke der Ausbeutung von Ressourcen und mehr zunächst ohne kriegerische Auseinandersetzung mit der ansässigen Urbevölkerung, den Na'vi, kolonisiert haben. Dank ausgefeilter Technologie ist es den Menschen möglich, ausgewählte Personen über eine Art Sarkophag in einen Na'vi-Klon, den sogenannten Avatar, zu versetzen, was nicht nur namensgebend sondern auch inhaltlich entscheidend ist.

Eine der seltenen aber mäßigen Cutscenes
Eine der seltenen aber mäßigen Cutscenes

Schon bald stellt sich nämlich heraus, dass auf dem Planeten bzw. in der Beziehung von „Himmelsvolk“ und Na'vi einiges im Argen liegt, was schließlich in einem Krieg mündet. Vor diesem Hintergrund wird der Spieler nach gut einer Stunde Geplänkel vor die Entscheidung gestellt: Entweder er spielt auf Seiten der imperialistischen Menschen oder er schlägt sich in Gestalt des Avatars auf die Seite der alteingesessenen Bevölkerung Pandoras.

Die Entscheidung ist insofern geschickt gesetzt bzw. relevant, weil sie zumindest theoretisch eine gewisse Vielfalt bedingt. Zum einen unterscheiden sich die von da an entspinnenden Handlungsstränge; zum anderen bringt die Entscheidung für die ein oder andere Seite handfeste spielerische Unterschiede mit sich. Während man als Na'vi auf Waffen wie Pfeile und allerlei Schlagwerkzeuge zurückgreift und auf einer Art Pferd oder Drachen Pandora erkundet, rückt man als Marine mit diversen Schießprügeln und Jeeps oder Hubschraubern in den Dschungel ein.

Alles in allem hat die Handlung somit durchaus Potential und passt mit der Geißelung des Ausbeutungsterrors der Menschheit insbesondere vor dem Hintergrund des Kopenhagener Klimagipfels und dem historisch eindeutig belegten stets brutalen Umgang mit alteingesessenen, vermeintlich rückständigen Völkern hervorragend zu aktuellen Diskursen. Was auf den ersten Blick Lust auf mehr macht, geht allerdings binnen kürzester Zeit leider komplett verloren: „James Cameron’s Avatar“ wirkt inhaltlich insbesondere aufgrund der äußerst spärlichen Präsentation über Zwischensequenzen und Dialoge – normative Öko- und Toleranz-Keule hin oder – eher fade als fesselnd, was leider auch vom Missionsdesign bestärkt wird.

Missiondesign

Im Zusammenhang mit dem Missiondesign ist zunächst zu erwähnen, dass die Macher den Versuch wagen, einen klassischen Third-Person-Shooter mit eindeutigen RPG-Elementen zu verquicken. Dies gelingt leider nur mäßig. So erhält der Spieler u.a. für abgeschlossene Missionen Erfahrungspunkte, die beim Level-Aufstieg automatisch in Upgrade-Pakete investiert werden. Diese enthalten vornehmlich neue Waffen und einige Spezial-Verbesserungen. Letztere erlauben es beispielsweise für eine kurze Zeit schneller zu laufen, unsichtbar zu sein oder Gegner zu betäuben. Leider hat der Spieler allerdings keinerlei Einfluss auf die Zusammensetzung dieser Pakete, sodass eine tatsächliche Charakterentwicklung de facto nur vorgegaukelt wird und dementsprechend kaum Auswirkungen auf den Spielverlauf hat.

Missionsdesign: Allzu oft müssen Kommandotürme und Co. gesprengt werden
Missionsdesign: Allzu oft müssen Kommandotürme und Co. gesprengt werden

Inhaltlich kann das Missionsdesign in den ersten zwei Stunden durchaus überzeugen: Bestimmte Punkte auf der Karte wollen geschützt oder erobert bzw. befreundete Einheiten unterstützt werden. Außerdem erlaubt der sogenannte Conquest-Modus, zwischendurch auf Rundenbasis Truppen aufzustellen und Pandora aus der Vogelperspektive zu betrachten – ein nett-gemeintes aber eher oberflächliches Feature. Auf Dauer fällt die insgesamt eigentlich akzeptable Varianz allerdings durch die Verbindung mit der bereits erwähnten flauen Präsentation der Handlung zu eintönig und dementsprechend demotivierend aus, was leider auch nicht dadurch kompensiert werden kann, dass sich Na'vi und Mensch spielerisch tatsächlich unterschiedlich Spielen und man jeweils auf eigene Fahrzeuge und Waffen zurückgreifen kann.

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