Generalbundesanwalt soll gegen NSA ermitteln

Andreas Frischholz
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Generalbundesanwalt Harald Range soll binnen der nächsten zehn Tage doch noch ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen der NSA-Spionage einleiten, hat die Frankfurter Rundschau aus nicht näher beschriebenen Quellen erfahren.

Bislang ist aber noch nicht bekannt, welche Aspekte des NSA-Skandals im Rahmen des Ermittlungsverfahrens thematisiert werden. Im Zentrum der Ermittlungen können sowohl die massenhafte Überwachung von Kommunikationsdaten der Bürger als auch die gezielte Spionage gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie weitere Regierungsmitglieder stehen. Die Ermittlungen ermöglichen der Generalbundesanwaltsschaft, Auskünfte bei US-Behörden einzuholen und Zeugen wie etwa den NSA-Whistleblower Edward Snowden zu befragen – zumindest in der Theorie. Sollte der Generalbundesanwalt tatsächlich das Ermittlungsverfahren einleiten, lässt sich derzeit kaum prognostizieren, wie es in der Praxis ablaufen wird.

Nach Informationen der Frankfurter Rundschau blickt die Bundesregierung dem Verfahren gelassen entgegen, weder das Bundeskanzleramt noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Justizminister Heiko Maas (SPD) würden Einwände erheben. Das wäre grundsätzlich möglich, denn der Generalbundesanwalt kann gemäß der Strafprozessordnung von einem Verfahren absehen, sofern es die „Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen“ könnte – und in einem solchen Fall untersteht der Generalbundesanwalt dem Justizminister. Und bis dato erweckten die Bundesregierung und die Generalbundesanwaltschaft den Eindruck, dass man im Fall der NSA-Spionage diesen Paragraphen nutzen will, um Ermittlungen gegen Vertreter der US-Regierung zu vermeiden.

Nun erhoben allerdings zahlreiche Kritiker den Vorwurf, die Bundesregierung und die Generalbundesanwaltschaft würden den NSA-Skandal verschleppen. Daher hatten der Chaos Computer Club und Digital Courage erst vor wenigen Tagen beim Generalbundesanwalt eine Strafanzeige erstattet, die sich eine unter anderem gegen die Bundesregierung, den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, den Militärischen Abschirmdienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz richtet.

Mir ist bewusst, dass schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im politisch-diplomatischen Bereich eine ganz schwerwiegende Nachricht sein könnte“, sagte Range Mitte November im Deutschlandfunk. Zudem erklärte er letzten Dezember im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Bundesanwaltschaft, seiner Behörde würden keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass „die NSA oder das GCHQ den deutschen Telefon- und Internetverkehr systematisch überwacht haben“. Selbst bei der Handy-Spionage gegen Kanzlerin Merkel blieb Range skeptisch.

Dasselbe gilt für die Bundesregierung. Diese lehnte ein Ermittlungsverfahren ebenfalls mit dem Verweis auf die negativen Folgen für die transatlantischen Beziehungen ab und setzte stattdessen auf die Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen. Welches Ziel mit der Einleitung eines formalen Ermittlungsverfahrens verfolgt wird, bleibt aber fraglich. Womöglich soll der Druck auf die US-Regierung erhöht werden, da diese nach wie vor kein Interesse an einer expliziten Vereinbarung zeigt.