Forza Horizon 2 im Test: Das beste Rennspiel der neuen Konsolen

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Max Doll
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Kleine Schönheitsfehler

Auch ohne spezielle Aufgaben oder die Road Trips zwischen Meisterschaften macht es Spaß, in der Welt herumzufahren, die Strecken samt gerade genutztem Fahrzeug zu genießen und die Landschaften zu bestaunen, die dank dynamischer Tages- und Nachtzeiten den ein oder anderen malerischen Sonnenaufgang in Szene setzen. Dass Horizon 2 mit nur 30 fps ausgegeben wird, stört aufgrund der konstanten Bildwiederholrate nicht.

Forza Horizon 2
Forza Horizon 2

Der dabei aufspielende Soundtrack wird auf verschiedene Radiosender mit optionaler, gelungener Moderation verteilt, lässt aber trotz seiner Vielfalt und dem gediegenen Qualitätsniveau eine Möglichkeit zum Erstellen eigener Sender vermissen. Zwar finden sich in der insgesamt hübschen Optik die ein oder anderen Flecken, die bei genauer Betrachtung nicht völlig zeitgemäß aussehen, spätestens beim Fahren aber geht derlei unter. Viele nette Details in der Präsentation trösten ohnehin darüber hinweg, ein wenig mehr Liebe bei den Schaltanimationen stünde der Atmosphäre dennoch gut zu Gesicht.

Forza Horizon 2
Forza Horizon 2

Dass wie in Forza 5 abseits des Saisonfinales keine klassische Progression existiert, sondern der Spieler im Prinzip frei mit dem Wunschauto in der gewünschten Meisterschaftsklasse fahren kann, unterstreicht den Fahrspaß-Anspruch des Titels, die Holzklasse mit langsamen Aufstieg wirkt wie ein Gespenst der fernen Vergangenheit. Den vielen Meisterschaften werden jedoch nur eine Handvoll Renntypen an die Seite gestellt. Rundkurs, Sprint und Offroad sind alles, was Playground anbietet. Die hohe Vielfalt an Strecken kann darüber weniger hinweghelfen, auch, weil Geländekurse oft die subjektiv gleichen Baukasten-Hügel zieren. Speziell aufgrund der offenen Welt hätte hier mehr Vielfalt drin sein müssen, gerade weil ein Editor fehlt.

Szenerie im Oldtimer
Szenerie im Oldtimer

Neue Spielmodi warten im Mehrspielermodus, der per Knopfdruck flüssig aktiviert wird. Was gefahren wird, hängt wie üblich von der Meisterschaft ab, auch hier organisiert Forza Meisterschaften als Roadtrip inklusive An- und Abfahrt zu Orten und Events. Zum Siegen verdammt wird jedoch niemand, Platzierungen sind weniger entscheidend als gesammelte Erfahrungspunkte. Auf diese Weise werden Fahrhilfen mit in die Bewertung einbezogen. Ein blindes Auge hat das System allerdings für eigene Setups.

Unabhängig der Tageszeit trüben jedoch Lags das Spielvergnügen. Rad-an-Rad-Duelle sind daher quasi unmöglich, wobei Mitfahrer ohnehin mit Vorliebe über Kofferräume bremsen und Wände drängen. Eigentlich wird jedes Match zu einer Art Demolition Derby, weil weder Harakiri-Fahrer noch Egomanen bestraft werden und Rammstöße oftmals die mühsam aufgebaute Skill-Streak zerstören. Wohl dem, der Freunde hat.

Forza Horizon 2
Forza Horizon 2

Amok-Drivatare

Belebt wird die Welt von „Drivataren“. Das aus Forza 5 übernommene System bevölkert die Straßen mit Repräsentationen anderer Spieler gleichen Könnens, deren Namen wie in Mehrspieler-Modi über ihrem Fahrzeug angezeigt werden. Ähnlich dem „Mutterspiel“ benötigt das System einige Zeit, bis es genug Daten intus hat. Das anfangs seltsame Verhalten der Charakterköpfe hat sich im zweiwöchigen Testzeitraum – vor Verkaufsstart und daher eingeschränkt – schon merklich verbessert, bleibt aber bisweilen erratisch und rüpelhaft. Mit realistischem Schadensmodell zu fahren macht daher hier wie im Mehrspielermodus weniger Spaß. Teils unerklärliche Leistungsschübe und nach dem Zurückspulen des Geschehens Performanceverluste lassen die KI-Fahrer immer wieder aus dem Rahmen fallen. In der offenen Welt fahren die Drivatre ohnehin mit offener Hose, menscheln in ihrem Verhalten damit aber ungemein.

Schadensmodell nach Crash bei 250 km/h
Schadensmodell nach Crash bei 250 km/h

Feintuning wäre auch für die Showcase-Veranstaltungen fällig. Die Wettbewerbe gegen alternative Fortbewegungsmittel leiden am Fehlen besonderer Momente. Erneut stört auch die Abstimmung der KI, die zwecks Fotofinish und Spannung bis kurz vor dem Ziel unangefochten führt und erst dort in den Kriechgang schaltet – das fühlt sich nach Zeitfahren an, weil die Siegbedingung deutlich hervortritt. Ein paar kreativere Ideen für besondere Streckenabschnitten hätten hier ebenso wenig geschadet wie eine ordentliche Belohnung für Siege in Form neuer Fahrzeuge. Man vermisst das Besondere.

Drift bei Dämmerung
Drift bei Dämmerung

So unterscheiden sich die Specials kaum von den regulären Herausforderungen, die zumeist packend wie durchsichtig inszeniert sind, aber vor wesentlich größere Herausforderungen stellen. Mit 1.200 PS auf superleichtem Chassis über die Autobahn zu rutschen bleibt hängen, wenn man die Ziellinie nach mehreren Versuchen knapp im Zeitlimit passiert. Sich vor ein abbremsendes Flugzeug zu setzen hingegen nicht. Aber das sind in Anbetracht des schönen Restspiels wie das visuell bescheidene Schadensmodell oder die leicht detailreduzierten Cockpits nur Mängel am Zierwerk.

Wie viele Spiele für die aktuelle Xbox One greift auch Horizon 2 auf Kinect zurück. Tatsächlich genutzt werden aber nur Sprachbefehle, das eigentlich gut funktionierende Head-Tracking, speziell bei einem Spiel, das auch zum lustbetonten Herumkurven animiert, ein unverständlicher Faux-Pas. Stattdessen wartet eine digitale Helferin auf Befehle: Anna hilft, ohne Wechsel zur Übersichtskarte (und ohne Rücksicht auf Verkehrsvorschriften) interessante Orte zu finden. Das funktioniert erstaunlich gut, reißt Kinect jedoch nicht aus der Gadget-Ecke. Das muss nicht sein und darf es eigentlich auch nicht, weil die Anreize zum Kauf der Gestensteuerung damit weiter mager bleiben.

Auf Staubpisten öffnet sich die Streckenführung
Auf Staubpisten öffnet sich die Streckenführung

Balancing und Progression

Obwohl Horizon 2 kaum verbergen will, dass das ein oder andere Element von seinem Realismus-Bruder stammt, haben die Playground Studios auf dessen Mikrotransaktionen verzichtet. Lediglich der 20 Euro teure VIP-Pass verdoppelt die Anzahl der ausgegebenen Erfahrungspunkte. Da bei mittlerem Schwierigkeitsgrad ohnehin nur rund zwei bis drei Rennen pro Aufstieg erforderlich sind, hält sich der Vorteil in engen Grenzen. Der Wegfall des virtuellen Klingelbeutels hat ansonsten nur positive Auswirkungen. Grinding entfällt in der Regel völlig und in Herausforderungen bekommen Spieler schon früh die Schlüssel für superteure Boliden in die Hand gedrückt.

Levelaufstiege geben zufällige Boni von Credits bis hin zum kompletten Auto. Und das ein oder andere Vehikel wartet erneut in einer Scheune hinter den Hügeln auf seine Entdeckung. Spieler bekommen damit ein bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe, verdienen mit der finalen Veranstaltung einer Saison einen fetten Bonus und können bei freien Rennen gegen besondere KI-Gegner abkassieren. Weiteres Geld winkt durch die Mitgliedschaft in einem Club, wo in wöchentlichen Ranglisten in fünf Stufen abhängig von den im Spiel gesammelten Erfahrungspunkten Boni verteilt werden.

Serienveteranen erhalten über das Belohnungsprogramm von Turn 10 zudem monatliche Boni, aktuell auf Stufe 3 etwa 600.000 Credits im Spiel. Und die Preise für neue Autos? Für besonders rare Oldtimer sind bis zu 4,5 Millionen Credits anzulegen, selbst Supersportwagen wie der Bugatti Veyron kosten jedoch selten mehr eine Million Credits. Lächerlich macht sich Horizon 2 allerdings mit Errungenschaften: Dass fast schon jeder Tastendruck des Tutorials gewürdigt wird, mutet grotesk an.

Stadkurse setzen engere Grenzen
Stadkurse setzen engere Grenzen