Project Cars im Test: Rennsimulation mit Spaß durch Anspruch

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Max Doll
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Ambiente?

Als Fahrsimulation ist Project Cars damit über jeden Zweifel erhaben. Vom Unterhaltungsfaktor her betrachtet kann es in dieser Ausprägung durchaus Maßstäbe setzen, diesen hervorragenden Eindruck aber nicht durchgängig halten. Dabei stellt sich heraus, dass die Slightly Mad Studios zwar Kompromisse machen mussten, aber an den richtigen Stellen gemacht haben. Dies betrifft zuvorderst Details: Nicht jede Streckenumgebung ist, anders als die hervorragend modellierten Boliden, sonderlich hübsch anzusehen, der simulierte Schaltvorgang in der Cockpit-Ansicht mit gelegentlicher Low-Res-Textur stark künstlich. Die Boxengasse bleibt ein steriler Ort, die Garagen absolut leer, die Mechaniker abwesend. Selbst ein Reifenwechsel geht wie von Zauberhand durch anhaltendes Parken von statten.

Dank des einzelnen Werkzeugkoffers die detaillierteste Garage im Spiel
Dank des einzelnen Werkzeugkoffers die detaillierteste Garage im Spiel

Weil sich ansonsten nicht nur um die Simulation von Fahrzeugen, sondern auch der Rennwochenenden und Rennatmosphäre bemüht wird, stört letzterer Patzer stärker als zu vermuten wäre, weil er durch das hohe Niveau der Simulation prägnant in Erscheinung tritt. Wenn schon trainiert, qualifiziert und, je nach Reglement, ein Pflichtboxenstop absolviert werden muss, dann darf dieser Vorgang auch ansprechend in Szene gesetzt werden. Das Fahren steht derweil über derartigen Misstönen, auch akustisch: Der detailverliebten Fahrsimulation, die sogar ein visuelles Schadensmodell aufweist, wird eine ebenso detailverliebte Audiountermalung zur Seite gestellt, die das feine Quietschen von belasteten Bremsen ebenso abbildet wie das Aufsetzen des Fahrzeugbodens auf dem Asphalt - akustisch ist jeder Renner auch an seinen Nebentönen erkennbar. Audio- und Lichteffekte korrelieren zudem angenehm mit der Kameraposition.

Regen und Dunkelheit kombiniert sind besonders hübsch anzuschauen
Regen und Dunkelheit kombiniert sind besonders hübsch anzuschauen

Mit Fake-Twitter und Pseudo-Nachrichten kann das „Drumherum“ die Faszination Rennsport nicht so fein einfangen, wie dies Forza mit der Faszination Auto gelingt. Auch Siege werden mehr lapidar kommentiert denn als großes Ereignis inszeniert, was nicht recht zur Motorsport-Simulation passen will. Ein wenig Champagnerdusche hätte es nach hart erarbeiteten Treppchenpositionen ruhig sein dürfen. Die beste Atmosphäre generiert Project Cars deshalb aus dem Fahren selbst, wobei die grafische Qualität ebenfalls einen positiven Beitrag leistet. Gerade bei Regen und Dunkelheit entstehen beeindruckende Bilder.

Der dafür verfügbare Fuhrpark ruft ins Bewusstsein, wie sehr man als Spieler durch große Zahlen reizüberflutet wird, wenn man den Inhalt der Garage auf „nur“ rund 80 Fahrzeuge inklusive unlizensierter Formel-Wagen taxiert. Diese sind allerdings hochkarätig, leistungsstark und ohne Ausnahme von der Sorte Untersatz, die man auch fahren möchte. Dass sich Project Cars seiner Vorzüge sicher ist, beweist in diesem Zusammenhang der Verzicht auf ein Grinding-System: Weder Strecken noch Fahrzeuge müssen in irgendeiner Form freigeschaltet werden. Mehr als Fahren steht nicht im Mittelpunkt – und das ist durchaus genug, zumal eine beeindruckende Streckenauswahl mit großen Namen und einer Unmenge Flair lockt.

Wer besonders realistisch fahren mag, darf eine Helmkamera auswählen
Wer besonders realistisch fahren mag, darf eine Helmkamera auswählen

Multiplayer

In anderen Bereichen stellt das Spiel seine Parameter ebenfalls zur Wahl. Ob Kameraperspektiven, Force-Feedback, Setup, Art, Umfang und Rahmenbedingungen von Einzelrennen oder das HUD können im Detail den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Schnelle Rennen nach Wunschspezifikation sind damit ebenso möglich wie eine Saison im Karrieremodus in der Lieblingsklasse zu starten, wobei gutes Abschneiden mit Einladungen zu besonderen Events, etwa Rennen mit historischen Fahrzeugen, belohnt wird. Holzautos der Stufe Kleinwagen sucht man dabei vergebens: Was vorhanden ist, hat Flair, PS und genug Geschwindigkeit, um gefahren werden zu wollen. Schranken gibt es keine, auch Rennlänge und Boxenstrategie sind fein wählbar. Die KI-Fahrer erweisen sich dabei als brauchbarer Sparringspartner, der nicht darauf gepolt ist, Kollisionen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Diese Einstellung erweist sich als zweischneidiges Schwert: Einerseits müssen Überholmanöver tatsächlich an den richtigen Stellen und aus der richtigen Position heraus ausgeführt werden, andererseits resultiert das Verhalten in unerwarteten Kollisionen, wenn sich das Spiel über die Vorfahrtssituation uneinsichtig zeigt oder nicht mit einem Manöver rechnet. Was gleichzeitig aber ins Bewusstsein ruft, dass Außenspiegel etwas sind, das der Beobachtung des Renngeschehens dient. Die stufenlos regelbare Geschwindigkeit der Pappkameraden schwankt mitunter von Serie zu Serie stark. Gegenüber dem, was ansonsten Codemasters auf dem PC verbricht, reicht das immerhin für spannende, nicht immer frustfreie Rennen.

Im Mehrspieler-Part gelten dieselben Wahlmöglichkeiten und Regeln wie bei Einzelrennen gegen die KI. Auf Matchmaking verzichtet Project Cars zugunsten eines klassischen Serverbrowsers. Ein System, um Ausstattung in Form des Eingabegeräts, sowie Fähigkeiten, vergleichen zu können, existiert nicht. Damit wird das Finden einer passenden Lobby erschwert, zumal die groben Filteroptionen nicht gespeichert werden. Selbst zum Start des Spiels zur Prime Time funktioniert das System ansonsten einwandfrei, stabil und mit guten Pings. Einer Veranstaltung vor dem eigentlichen Rennstart jederzeit beitreten zu können, gewährleistet volle Teilnehmerzahlen.

Rad-an-Rad-Duelle machen online am meisten Spaß
Rad-an-Rad-Duelle machen online am meisten Spaß

Die Community bevorzugt aktuell grundsätzlich Veranstaltungen mit limitierten Fahrhilfen und Kameraperspektiven, also realistischer Aufmachung. Dass sich Spieler nicht benehmen können und absichtlich auf das Bremsen verzichten, kommt zwar noch vor, sollte aber bei vollem Schaden und Events mit Training und Qualifikation allein aufgrund ihrer Länge und der zu investierenden Mühe von alleine nachlassen. Zumeist lässt sich tatsächlich erwachsenes Verhalten beobachten: Fahrer kehren nach einem Fehler achtsam auf die Strecke zurück, machen schnelleren Fahrzeugen im Training Platz und überholen mit Augenmaß – zumindest als Momentaufnahme stellt dies der Community ein gutes Zeugnis aus. Damit überträgt sich die positiven Einzelspieler-Erfahrung nahtlos auf den Online-Part mit bis zu 32 Spielern, ergänzt um die Befriedigung, durch mühsam gefundene Zehntel und erfolgreiche Setup-Modifikationen echte Menschen geschlagen zu haben.

Alternativ zu direkten Rad-an-Rad-Duellen bieten die Entwickler auch eine asynchrone Meisterschaft an, bei der Spieler saisonal in verschiedenen Events, die parallel zu echten Veranstaltungen stattfinden, um Bestzeiten konkurrieren.