PC Building Simulator im Test: Traum-PC-Systeme bleiben auch virtuell noch ein Traum

Max Doll
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PC Building Simulator im Test: Traum-PC-Systeme bleiben auch virtuell noch ein Traum

tl;dr: Virtuell zu lernen den Traum-PC zu bauen, das verspricht der PC Building Simulator. Die versprochene Mischung aus Bildungs- und Unterhaltungsprodukt hat jedoch noch deutliche Grenzen: In diesen Early-Access-Titel muss noch eine Menge Arbeit gesteckt werden.

Das Grundgerüst steht – immerhin

Bislang skizziert der PC-Bau-Simulator lediglich das Gerüst eines Spiels, das in Grundzügen funktioniert. Wesentliche Features sind an Bord, folgen wird vor allem Breite, also Inhalt. Das Angebot ist dennoch schon jetzt verlockend: Als Inhaber eines PC-Shops an Rechnern zu schrauben, Diagnosen auszuführen und, wahlweise im Freiform-Modus auch ohne Einschränkungen, optimale (Traum-)Systeme mit lizenzierten Komponenten zu bauen, ist für Enthusiasten ein hübscher Sirenenruf. Anfänger freuen sich über eine virtuelle Umgebung, in der unter Anleitung und ohne Hardware in Gefahr zu bringen ausprobiert werden kann.

Allein: Keine der beiden Seiten des Simulators will ohne weitere Arbeit so recht überzeugen. Aktuell zeigt der Titel lediglich, was er sein könnte, und umso schmerzhafter, was er nicht ist. Spaß kam im Test trotzdem auch auf.

Systemanforderungen

Niedrige Mindestanforderungen und eher zweckmäßige Grafik bedeuten noch kein flüssiges Spiel, wenn das Spiel selbst nicht mitspielt. Flüssig fühlt sich die Simulation, konstante 60 FPS zum Trotz, nur beim Herumschrauben an Rechnern an. Aufgrund wackelnder und ruckender Kamera werden Positionswechsel der Spielfigur in der winzigen Spielwelt hingegen zum unangenehm unflüssigen Spießrutenlauf.

Dass die Grafik rudimentär ausfällt, mag dem Indie-Segment geschuldet sein, für Enthusiasten, die Gefallen an der Zusammenstellung und Abstimmung von Rechnern finden, darf die Qualität aber gerne einige Größenordnungen besser ausfallen; sie lässt für diese Zielgruppe wörtlich etwa im Bereich Beleuchtung und Oberflächenstrukturen zu wünschen übrig.

Offizielle Systemanforderungen für PC Building Simulator
Testsystem Minimal
Betriebssystem Windows 10 Windows 7 oder neuer
Prozessor AMD Ryzen 7 1700X Intel Core i5-2500K
Arbeitsspeicher 32 GB RAM 4 GB RAM
Grafikkarte Nvidia GeForce GTX 1080 Ti AMD R9 285
Nvidia GeForce GTX 660
HDD 4 Gigabyte

Als Unterhaltungsprodukt

Was der Simulator simuliert, ist auch das Leben als Besitzer eines kleinen Garagenshops. In dieser Rolle werden Spieler mit dem mühsamen Alltag eines Berufsschraubers konfrontiert. Alltag heißt hier Komponenten zu tauschen, Viren zu entfernen und Upgrades auszuführen. Die per Mail eingehenden Aufträge haben durchaus Unterhaltungswert, sind anfangs aber zäh. Bis mehr Komponenten geordert werden können, die Geldbörse gefüllt ist, die Aufträge vielfältiger werden und ein paar lebensnotwendige Upgrades gekauft wurden, vergehen rund drei Stunden und viel zu viele HDD- und RAM-Upgrades – und langwierige 3DMark-Durchläufe, weil zunächst nicht parallel an Projekten gearbeitet werden kann.

Virenscans, Benchmarks und Co gehören zum Schrauber-Alltag
Virenscans, Benchmarks und Co gehören zum Schrauber-Alltag

Die ersten Stunden foltern

Gerade am Anfang bedrückt die Monotonie der Tätigkeit. Jede Schraube mühsam manuell zu lösen und für jeden Funktionstest selbstständig Kabel in das I/O-Panel zu stopfen, hat den Anstrich von Folter und eines Klick-Simulators, weil zunächst auf den einen, dann auf den anderen markierten Punkt geklickt werden muss. Bis sich für die Karriere exklusive Upgrades kaufen lassen, die solch Mondänes beschleunigen und automatisieren, wird immerhin eine Lektion über den nutzerfreundlichen Aufbau von Gehäusen vermittelt: Je weniger langwierig zu lösende Schrauben und Cover es hat, desto mehr freut sich der Shopbesitzer, weil es die stumpfen Wartezeiten und Klicktätigkeiten reduziert. Das allerdings mag am Anfang sicherlich ein besonderes Problem des Experten sein, der dank Routine von solchen Tätigkeiten nicht gefordert wird.

Erkenntnisse über den subjektiven „Fummelfaktor“ einmal beiseite geschoben, fordert der Shop-Alltag Anfängern einiges ab. So ist bei Upgrade-Aufträgen, die eine 3DMark-Punktezahl fordern, unklar, welche Komponente hierfür verbessert werden muss und welche ausreichend Leistung besitzt. Ohnehin sind Vergleiche zwischen Komponenten unmöglich, zumindest ohne die Anfangs zu teure Info-Software zu kaufen. Das ist ärgerlich, denn erstens gibt es dergestalt keine saubere Lernkurve und keine Möglichkeit, die Lukrativität der Offerte zu beurteilen, zweitens für jeden Auftrag lediglich eine fixe Summe, die auch gekaufte Teile abdecken muss; der Gewinn ist, so platt es klingt, das, was nach Abzug der Einkäufe übrig bleibt.

Billig ist König!

Durch diesen Kniff kommt allerdings Stimmung auf. Als natürliche Reaktion auf solche Parameter liegt es nahe mit Kunden in stereotyper Shop-Manier umzuspringen, indem jede greifbare Methode zur hemmungslosen Gewinnmaximierung genutzt wird. Wege dazu gibt es viele. Da der Einsatz von Gebrauchtteilen nur ein Upgrade-Pfad ist – der Zugang zu „Ebay“ muss separat gekauft werden –, bleibt zunächst übrig, Unsinniges zu verbauen und Altteile aus anderen Aufträgen zu verwenden. Da erhalten Kunden nun einmal für ihren stromhungrigen Spielerechner ein 250-Watt-Netzteil, weil es nur 20 Dollar kostet, oder eine kaputte 1-Terabyte-Festplatte wird durch ein 120-GB-Modell getauscht – es soll ja nur funktionieren. Wer ein Grafikkarten-Upgrade möchte, bekommt eben ein zehn Prozent schnelleres Modell, der Core i5-6500 wird durch den i5-6600 ausgetauscht.

Der Zynismus dieses Handelns wird jedoch nur dem Experten ersichtlich, dem Anfänger wird zur Einordnung nicht genug Wissen an die Hand gegeben. Andersherum wird Experten zu viel vorgegeben und dem Spiel letztlich der Anspruch genommen. Fehlerdiagnosen etwa sind zu trivial, weil die defekte Komponente im Inventar als „defekt“ markiert wird und es damit reicht, alle Komponenten einmal auszubauen, um Fehler zu finden. Das Gameplay reduziert sich dann darauf, auf Schrauben und Kabel zu klicken – zu wenig für langfristigen Spaß.

Wer die typischen „Cheese“ der Simulator-Genres sucht, wird also fündig, wenngleich es keine echte Teilephysik gibt, die kreativen Unsinn erlauben würde. Was funktioniert, ist kreativer Besitztransfer: Freche Kunden, die utopische 3DMark-Werte für kein Geld verlangen, deren Berechnung dem Spieler nicht einmal erklärt wird, dürfen ihren Rechner gerne einschicken. Er wird dann fachgerecht zerlegt und der Auftrag dann abgebrochen, was den Eigentumsvermerk im Inventar entfernt und alle Komponenten dem Shop für weitere Aufträge übereignet.

Viele Mängel, aber Spaß

Beim Schrauben selbst beginnt nach einer Weile die fehlende physische Präsenz von Teilen zu stören; alles muss über ein Inventar genutzt werden, dem eine ordentliche Sortierung nach Projekten sowie ein Schnellzugriff fehlt. Und doch steht am Ende einer nicht recht kleinen Liste von Unzulänglichkeiten ein interessanter Befund: Spaß macht das Basteln trotz seiner Limitierungen, weil Basteln, die Diagnosen, das Schrauben vernünftig eingefangen werden. Kurz gesagt lebt das Spiel, weil nicht nur und eher widersinnig für ein Unterhaltungsprodukt die montonen Aspekte des Schraubens, sondern auch seine interessanten Aspekte, die vielfältigen Herausforderungen eingefangen werden. Bis das Gameplay ermüdend wirkt, vergeht daher ein wenig Zeit. Das lässt für die Zukunft hoffen – die Grundlagen sind da, man müsste sie nur erheblich verfeinern.

Als Lernumgebung

Um Anfängern eine Handreichung beim Bau von Rechnern zu geben, funktioniert der Simulator ähnlich, das heißt mit Abstrichen. Grundsätzlich wird Überblick über die benötigten Komponenten, ihren Platz im Gehäuse und auch den Aufbau eines Rechners vermittelt. Wer noch nie geschraubt hat und Handbücher scheut, braucht Orientierung, die hier vermittelt wird. Da aber unter anderem Kabel visuell nicht unterscheidbar sind, bleibt das Wissen notwendig grob und letztlich zu grob, um verlässlich zum Rechnerbau zu führen.

Unfug: Ein CPU-Kühler wird zum Betrieb nicht vorausgesetzt
Unfug: Ein CPU-Kühler wird zum Betrieb nicht vorausgesetzt

Problematisch sind trotz eines guten, aber unübersichtlichen Tutorials fehlende Detailinformationen und Ungenauigkeiten der Darstellung. Das Spiel gibt keinerlei Hilfestellung über den Nutzen von Komponenten und ihre relative Leistung. In der Karriere muss ein Info-Tool erst gekauft werden, anstatt eine Pseudo-Online-Seite zur Recherche zur Verfügung zu stellen und damit eine vernünftige Strategie zur Recherche zu vermitteln. Auch fehlt ein Sysinfo-Tool, mit dem sich eine vorhandene Hardwarekonfiguration auslesen lässt, oder vernünftige Beschreibungen der Hardware im „Shop“ des Spiels, denn die Produktbeschreibungen bestehen zur Hälfte aus für Anfänger nutzlosen technischen Spezifikationen, zur Hälfte aus werbender Produktbeschreibung für die lizenzierten Markenkomponenten.

Dass unter anderem SSDs und Wasserkühlungen fehlen, stößt ebenso sauer auf wie die eher kleine Auswahl von lizenzierten Komponenten namhafter Hersteller, die nur einen kleinen Teil des riesigen Marktes abbilden und überdies nur den ATX-Formfaktor berücksichtigen. Teils stehen die Aspekte allerdings auf der Roadmap der Entwickler und werden in den kommenden Monaten nach und nach eingepflegt.

Kein echter Rechner kommt ohne RGB-LEDs aus!
Kein echter Rechner kommt ohne RGB-LEDs aus!

Anfänger haben so zu wenig Gelegenheit, etwas über die Komponenten und ihre Funktion in Erfahrung zu bringen. Übergangen wird, warum etwa ein Rechner mehr oder weniger Watt benötigt, was der Unterschied zwischen billigen und guten Grafikkarten gleichen Chips oder der Unterschied zwischen einem 600-Watt-Netzteil für 40 und für 140 Euro ist, den etwa gute Netzteile Kaufberatungen erläutern. Unterschiede in der Güte der Komponenten ignoriert das Spiel nicht nur, es heißt auch falsche Konfigurationen gut. So wird nicht gegengesteuert, wenn RAM nicht in Dual- oder Quad-Channel-Bestückung oder in unterschiedlichen Geschwindigkeiten verbaut wird, wenn ein Rechner ohne Kühler oder eine GeForce GTX 1080 Ti und Intels 8700K von einem 250-Watt-Netzteil versorgt werden soll.

Zum Lernen nicht geeignet

Damit sind die Limitierungen des PC Building Simulators als Lernumgebung umrissen. Das Spiel zeigt grob, was wie aussieht und welcher Komponente beziehungsweise welcher Stecker in welchen Bereich eines Computers gehört. Bei Feinheiten hört die Genauigkeit aber auf, was unter dieser Perspektive problematisch ist, da Anfänger Ungenauigkeiten und Grenzen der Simulation nicht beurteilen können.

Fazit

Aktuell fehlt es dem Simulator an allen Ecken und Enden: An Abwechslung, an Präzision, an Vielfalt, an Feintuning und das für Anfänger wie Experten, was dem Unterhaltungs- wie auch dem Lernaspekt im Weg steht. Das Basteln erzeugt hingegen durchaus schon jetzt den Stolz eines Schöpfers auf seine Kreationen, kann aber nicht genug Substanz liefern, um diese Begeisterung längerfristig zu erhalten. Aktuell eignet sich das Spiel also bedingt um Entzugserscheinungen vom Basteln zu bekämpfen, als Anleitung sind unzähligen Video-Tutorials auf YouTube ein geeigneterer Weg, sich das nötige Wissen anzueignen.

Beobachten, nicht kaufen: Noch läuft der Simulator nicht rund
Beobachten, nicht kaufen: Noch läuft der Simulator nicht rund

Early Access hin oder her: Was für rund 20 Euro an den Mann gebracht werden soll, bietet aktuell noch zu wenig Inhalt und nur etwa zwei bis vier Stunden Unterhaltung. Vor einer solchen kritischen Beurteilung schützt das Label „Early Access“ nicht: Wer sich auf den Markt wagt, muss liefern; Und zwar keine Träume, sondern einen Gegenwert verkaufen.

Viele angesprochenen Punkte können sicherlich behoben werden, eine Garantie aber gibt es dafür nicht. Käufer müssen sich damit anfreunden, viel Geld für das Versprechen einer besseren Spiels in der Zukunft zu zahlen. Empfohlen werden kann das aufgrund des Risikofaktors nicht, wohl aber, die weitere Entwicklung des PC Building Simulator zu verfolgen und das Spiel im Hinterkopf zu behalten.

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