Selfies mit „Beauty Filter“: Google will Gesichter nur optional retuschieren

Nicolas La Rocco
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Selfies mit „Beauty Filter“: Google will Gesichter nur optional retuschieren
Bild: Google

70 Prozent aller Fotos von Android-Smartphones werden mit der Selfie-Kamera geschossen, hat Google ermittelt. Dass dabei potenziell durch die Kamera-App eine Retusche stattfindet, sei vielen Anwendern nicht bewusst. Google will Gesichter in der eigenen Kamera-App nur optional retuschieren und dabei wertende Begriffe vermeiden.

Auf der eigenen Plattform Google Photos zählt das Unternehmen mehr als 24 Milliarden Aufnahmen, die als Selfie markiert sind. Mit dabei sind zahlreiche Emoji, Sticker, Bildunterschriften und Filter – aber potenziell auch solche Filter, die der Nutzer beim Knipsen des Selfies vielleicht gar nicht bewusst aktiviert hat. Wie Google erklärt, seien Filter manchmal voreingestellt aktiv, ohne dass dies dem Anwender bewusst sei. In anderen Fällen kommt es dazu, dass das Gesicht dennoch ein bisschen retuschiert wird, obwohl entsprechende Funktionen vorher eigentlich deaktiviert wurden. Ein Beispiel dafür ist das Vivo X50 Pro, wie in einem Test von XDA-Developers festgestellt wurde.

Für Google stellen Retuschen des Gesichts insofern ein Problem dar, als dass sie für Betrachter der Aufnahmen ein unrealistisches Schönheitsideal abbilden würden. Mehrere Studien und Gespräche mit Kinderärzten und Psychologen hätten ergeben, dass manipulierte Selfies einen negativen Einfluss auf das digitale Wohlbefinden haben können, wenn der Person nicht bewusst ist, dass standardmäßig eine Veränderung mit vermeintlicher Verbesserung vorgenommen wurde. Voreingestellte Filter würde ein Schönheitsideal vorgeben, mit dem sich das Foto betrachtende Personen vergleichen würden.

Pixel-Smartphones nutzen neue Beschreibung

Google will deshalb zum einen in der eigenen Kamera-App standardmäßig keine Selfie-Retuschen aktivieren und darüber hinaus, sofern die Funktion doch vom Anwender gewünscht ist und aktiviert wird, keine wertenden Begriffe und Symbole mehr verwenden. Das Pixel 4a (Test) sowie das jüngst vorgestellte Pixel 5 und Pixel 4a 5G sind die ersten Smartphones von Google, die diese neuen internen Standards umsetzen.

Bei allen drei Pixel-Smartphones sind jegliche Retuschen am Gesicht standardmäßig deaktiviert. Sollte ein Anwender die Funktion doch aktivieren wollen, sollen mit einem künftigen Update wertungsfreie Begriffe und Symbole zum Einsatz kommen. Statt „Verbesserung“, „Verschönerung“ oder „Auffrischen“ will Google Begriffe verwenden, die nicht suggerieren, das etwas Negatives verändert werden müsse. Google selbst will in der Kamera-App künftig den Begriff „Retusche“ (Retouching) verwenden.

Darüber hinaus kommen neue Wörter für die Intensität des Filters zum Einsatz. Statt „natürlich“, das suggeriert, dass die Person vorher unnatürlich aussah, wird „dezent“ genutzt. In einem weiteren Beitrag auf dem eigenen Material-Design-Blog schlägt Google auch Begriffe wie „niedrig“ und „hoch“ oder einfach nur Zahlen für die Intensität des Filters vor, um wertungsfrei zu bleiben. Für die passende Symbole zum Filter setzt Google auf einen Stift, der die Bearbeitung verdeutlichen soll, nachdem zuvor funkelnde Sterne zu sehen waren.

Keine Retusche wird mit Android 11 zur Pflicht

Die Anpassungen betreffen erst einmal nur Googles eigene Smartphones und Kamera-App, Partner sollen aber in die Entwicklung mit einbezogen werden. Dazu zählen im ersten Schritt die Apps Snapchat, das standardmäßig alle Filter ausschaltet, sowie Lens Studio, das wertungsfreie Begriffe für Veränderungen am Gesicht verwendet.

Darüber hinaus gibt es für Smartphone-Hersteller mit Android 11 härtere Regeln für Veränderungen am Gesicht, die mit dem neuen Betriebssystem standardmäßig nicht mehr aktiviert sein dürfen. Wie aus dem Android 11 Compatibility Definition Document (CDD) im Abschnitt „7.5.4. Camera API Behavior“ aus Punkt „C-0-12“ hervorgeht, ist es OEMs künftig verboten, standardmäßig Retuschen am Gesicht zu aktivieren.

MUST ensure that the facial appearance is NOT altered, including but not limited to altering facial geometry, facial skin tone, or facial skin smoothening for any android.hardware.camera2 or android.hardware.Camera API.

Android 11 CDD, 7.5.4., C-0-12