Zwiespalt: Twitter sieht Trump-Sperre weiterhin als richtig an

Michael Schäfer
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Zwiespalt: Twitter sieht Trump-Sperre weiterhin als richtig an
Bild: geralt | CC0 1.0

Nach der Aufregung der letzten Tage hat sich Twitter-CEO Jack Dorsey wegen der Sperrung des privaten Accounts von Donald Trump zu Wort gemeldet. In mehreren Nachrichten auf Twitter verteidigte er das Vorgehen, erkennt aber auch die damit verbundenen Probleme.

Dorsey sei den von ihm veröffentlichten Nachrichten zufolge nicht stolz auf die Entscheidung, den privaten Account von US-Präsident Trump zu sperren. Für ihn stelle die Entscheidung ein Versagen dar, „letztlich einen Dienst zu schaffen, der einen zivilen Diskurs und gesunde Unterhaltungen aufrechterhalten könne“. Der Zwiespalt, dem Twitter in den vergangenen Tagen ausgesetzt war, könnte dabei nicht größer sein: In rechtsgerichteten Kreisen wurde immer mehr versucht, den Nachrichtendienst zu diskreditieren, während Mitarbeiter und die Öffentlichkeit immer stärker eine Erklärung für die Suspendierung Trumps und das Löschen von rund 70.000 Konnten durch das Unternehmen einforderten – trotz großer Zustimmung in der Sache. Twitter hatte in der vergangenen Woche nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington DC das private Konto von Donald Trump mit rund 88 Millionen Anhängern gesperrt, weil es die Gefahr weiterer Gewalt durch Anhänger des Präsidenten als gegeben ansah.

Entscheidung sei richtig für Twitter gewesen

Ich glaube, dass dies die richtige Entscheidung für Twitter war“, gibt Dorsey nun bekannt, fügt aber hinzu, dass er das Unternehmen außergewöhnlichen und unhaltbaren Umständen ausgesetzt sah und dass der Dienst sich nun vor allem auf die öffentliche Sicherheit konzentrieren müsse. Der daraus resultierenden gefährlichen Konsequenz ist er sich dabei bewusst. So könnten viele Nutzer zu anderen Diensten abwandern, die ihrer politischen Haltung eher passend erscheinen, was in der Konsequenz eine Zersplitterung der Online-Konversation nach sich ziehen würde.

Die in den letzten Tagen entstandene Dynamik mag seiner Meinung nach die getroffenen Entscheidungen erfordert haben, „aber auf lange Sicht wird sie destruktiv für den edlen Zweck und die Ideale des offenen Internets sein“. Für ihn stellt es einen Unterschied dar, ob ein Unternehmen eine gesellschaftliche Entscheidung trifft, sich selbst zu mäßigen, oder ob eine Regierung den Zugang unterbindet. Er räumt aber ein, dass sich beides ähnlich anfühlen kann.

Präzedenzfall geschaffen

Dorsey gilt als starker Befürworter des Aufbaus von Plattformen, die so viele Stimmen wie möglich auf sich vereinen können. Der dafür nötige Spielraum und die Pro-Free-Speech-Haltung ist bei Politikern sogar noch deutlich weiter gefasst als bei normalen Nutzern, indem die Netzwerke lange Zeit Ausnahmen für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Bezug auf ihre Hate-Speech-Richtlinien gewährt haben. Dies geschah mit der Begründung, dass das, was diese Personen zu sagen haben, berichtenswert und einer öffentlichen Debatte würdig sei. Die Entscheidungen der letzten Woche, diese Stimmen effektiv zum Schweigen zu bringen, so Dorsey, hätten große Auswirkungen. Seiner Ansicht nach würden diese das Potenzial für Klärung, Wiedergutmachung und Lernen einschränken. Dadurch bestehe die Gefahr eines Präzedenzfalls, den er für gefährlich hält – die Macht, die eine Einzelperson oder ein Unternehmen über einen Teil der globalen öffentlichen Konversation besitzt.

Snapchat sperrt ebenfalls, Google bannt temporär

Die Konsequenzen für Noch-US-Präsident Trump werden indes immer größer: Nachdem bereits Twitter ihn permanent ausschloss, sind in der Zwischenzeit die zu Amazon gehörende Videoplattform Twitch und Snapchat nachgezogen. Das hat der Anbieter am späten Mittwoch bekannt gegeben, nachdem er Trump in der letzten Woche bereits für unbestimmte Zeit gesperrt hatte. In einer Erklärung gab der Instant-Messaging-Dienst an, dass aufgrund der öffentlichen Sicherheit und wegen Trumps Versuchen, Fehlinformationen, Hassreden und Anstiftung zur Gewalt zu verbreiten, die klare Verstöße gegen die eigenen Richtlinien darstellen, Snapchat die Entscheidung getroffen habe, das Konto dauerhaft stillzulegen. Auf einige der Inhalte kann zwar weiterhin zugegriffen werden, Trump und sein Team können durch die Sperrung aber keine neuen Inhalte mehr hinzufügen.

Etwas nachlässiger verhält sich neben Facebook auch Google. Nachdem Facebook Trump unbefristet, aber mindestens bis nach der Amtseinführung von Joe Biden als neuer US-Präsident am 20. Januar sperrt, wird YouTube den Account von Donald Trump temporär für sieben Tage stilllegen, was ebenfalls auf das Ende seiner Amtszeit hinauslaufen wird.

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