LG Chem vs. SK Innovations: Der (angeblich) große Batterie-Technologie-Klau

Update 3 Volker Rißka
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LG Chem vs. SK Innovations: Der (angeblich) große Batterie-Technologie-Klau
Bild: LG Chem

LGs Batteriesparte für Elektroautos ist seit Monaten in Aufruhr, die Ausmaße kommen erst jetzt ans Licht: SK Innovations stahl demnach im großen Stil Patente von LG Chem. Die Analysen offenbaren, dass sie dadurch zehn Jahre eigene Entwicklungszeit einsparen konnten. Die Folgen werden weltweite Auswirkungen haben.

LG Chem ist Marktführer für Batterien für Elektrofahrzeuge, GM und Tesla gehören zu den großen Kunden, mit General Motors (GM) soll LG Chem eine neue Fabrik für Batterien in den USA aufbauen, heißt es heute.

SK Innovations (SKI), so heißt die Sparte der SK Group, die sich mit Energieträgern befasst, so wie SK Hynix in der Gruppe für Speicherchips und Halbleiter zuständig ist, will ebenfalls groß im Batterie-Markt für Elektroautos mitmischen. Unter anderem gehören Ford, Kia und VW zur Kundschaft. In den USA wurde das kürzlich offiziell unterbunden, denn SK soll Patente verletzt haben. In welch großem Stil, wird erst jetzt richtig klar.

Geschichte von riesigem Ausmaß

Es dürfte einer der größten und interessantesten Geschichten dieser Art der letzten Jahre sein. Sogar die eigentlich eher zurückhaltende und diplomatisch agierende United States International Trade Commission (USITC) nannte das Vorgehen von SK „extraordinary“; außergewöhnlich, mit dem Hang zu beeindruckend. In dem 96-seitigen Report kommt die Behörde zu dem Schluss, dass SKI ohne den Diebstahl bei weitem nicht in der gleichen Liga wie LG Chem spielen würde, vermutlich sogar zehn Jahre Rückstand hätte.

It is clear that SKI, without the stolen LG Chem Trade Secrets, would not have been able to develop the information in the stolen trade secrets in anything less than ten years.

USITC

Bereits vor einem Jahr tendierte die Behörde zugunsten von LG Energy Solution (LGES), wie LG Chems Batteriesparte seit neuestem heißt. Am 10. Februar dieses Jahres bekräftige sie ihr Urteil und belegte SKI mit einem zehnjährigen Bann auf verschiedene Arten von Batterien und Batterieteilen, mit bis zu vierjähriger Ausnahme für Lieferungen an VW und Ford, die dafür in heimischen Kreisen bereits viel Kritik einstecken müssen.

SKI versuchte seitdem zusammen mit dem Governor Brian Kemp aus Georgia den letzten Strohhalm zu greifen und die US-Regierung um Hilfe zu bitten. Denn das Unternehmen plant den Bau respektive hat bereits mit dem Bau einer Batteriefabrik in Georgia, USA, begonnen und will damit 2.600 Arbeitsplätze schaffen. Diese sind auch in den USA gern gesehen, weshalb US-Präsident Biden sein Veto gegen das Urteil der Handelsbehörde aussprechen könnte. Tut er dies nicht – keine USITC-Entscheidung wurde jemals zurückgenommen – ist es rechtskräftig und SKI für die nächsten zehn Jahre als Batteriezulieferer in den USA quasi gestorben. Ein Horrorszenario nicht nur für SKI, sondern auch deren Kunden. Denn der Markt ist hart umkämpft, aufstrebende chinesische Hersteller wollen mitmischen, bisher sind die Koreaner und Japaner marktführend.

Sogar die BOM mitgenommen

Nachdem SKI in dieser Woche versuchte seine Sicht der Dinge darzulegen, legte LGES am Freitag mit ihrer Ansicht der Dinge noch einmal nach, die eine ausführliche Erklärung des USITC-Berichtes sind. Insgesamt 22 Patente habe SKI gestohlen, Beweise vernichtet und das alles auf so hoher Ebene geplant und ausgeführt, was die Handelsbehörde bereits zur entsprechenden „Anerkennung“ kommen ließ.

Heraus stellt LGES dabei, dass SKI sogar die „bill of materials“ mitgenommen hat. Die BOM listet nicht nur alle Arten von Material auf, sondern auch die Lieferanten, Preise und alles was dazu gehört und seitens LGES genutzt wird. Sie kommen letztlich zu den Schluss, dass SKI quasi in jedem Bereich der Batteriefertigung Technologie gestohlen habe.

Interessanterweise versuchte sich LGES sogar an einer Einigung mit SKI, nicht nur vor dem Urteil sondern auch noch einmal danach. Aber SKI wollte nicht oder reagierte nicht einmal auf die Anfrage, erklärte LGES. Denn SKI sieht sich laut koreanischen Medien weiterhin als unschuldig an:

"Its [LG] carefully crafted statements leave out the fact that no judicial process or legal authority ― including the ITC ― has ever found that SK stole any of its technology

SKI-Statement
Update

The Elec schreibt zum Wochenabschluss aus Korea, dass LGES umgerechnet rund 2,7 Milliarden US-Dollar Schadensersatz verlangen wird. SKI will diese Summe auf deutlich unter eine Milliarde drücken, heißt es aus dem Umfeld. LG betont, dass die Tür für Verhandlungen von ihrer Seite aus weit geöffnet ist, die Gelder könnten in verschiedenster Form von Barauszahlung bis hin zu Lizenzgebühren überwiesen werden.

Eine Einigung scheint letztlich noch nicht ausgeschlossen, zumal sogar der südkoreanische Ministerpräsident bereits zum zweiten Mal beide Parteien dazu aufrief, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, da der Streit der Interessen des gesamten Landes nicht dienlich sei.

Update

Überraschende Wende zugunsten von SK: In einer vorläufigen Entscheidung hat die US International Trade Commission (ITC) erklärt, SK Innovation habe keine Patente verletzt, primär indem drei der vier Patente für ungültig erklärt wurden. Dieses Verfahren lief parallel zu der Bann-Entscheidung, gilt aber als wichtiger Meilenstein, wie damit zukünftig verfahren wird. Die finale Entscheidung wird für Anfang August angestrebt, schreiben koreanische als auch US-Medien übereinstimmend. US-Präsident Biden könnte unter den neuen Voraussetzungen den Bann aufheben – das fordert SK seit Wochen und droht dabei stets damit, sich aus den USA zurückzuziehen.

Update

SK Innovations hat am Ende und quasi nur Minuten vor dem Inkrafttreten des Banns doch noch nachgegeben. Sie werden umgerechnet 1,78 Milliarden US-Dollar an LG Energy Solution zahlen, womit die Importbeschränkungen außer Kraft gesetzt werden, heißt es in koreanischen Medien heute. Denn im Zuge dessen wurden alle Klagen fallen gelassen, auch soll sich in der nächsten Dekade zu dem Thema nicht vor Gericht wieder begegnet werden. Das sieht nach einer Einigung hinter den Kulissen aus, wie genau die aussieht, ist aber noch nicht klar.