Streaming-Webcams im Test: Bildqualität im Vergleich

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Fabian Vecellio del Monego (+1)
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Sensoren und Objektive im Vergleich

Hinsichtlich der Sensorik sind sich Facecam und Kiyo Pro ähnlich: Elgato und Razer setzen beide auf einen Starvis-CMOS-Sensor von Sony. Zur Erinnerung: Der rückwärtig belichtete Sensor bietet maximal eine Auflösung von 2,1 MP respektive 1920 × 1080 Pixeln (Full HD) bei 60 FPS im Videomodus und wurde laut Sony für Überwachungs­kameras entwickelt – daher rührt auch die beworbene gute Eignung für dunkle Umgebungen. Zur Größe des Sensors beziehungsweise der einzelnen Pixel äußert sich Elgato indes nicht. Razer spricht allerdings bezüglich der Kiyo Pro von einem 1/2,8 Zoll großen Sensor – es handelt es sich um eine Fläche von rund 5,2 × 3,9 mm – mit einer Pixelgröße von 2,9 µm. Es ist folglich davon auszugehen, dass die Facecam genau diese Spezifikationen teilt, bestätigt ist das aber nicht.

Der nachfolgenden Tabelle sind die Daten der weiteren drei Kameras im Testfeld zu entnehmen. Hervorzuheben ist dabei einerseits, dass das iPhone und die Alpha 7 III über einen deutlich höher auflösenden Sensor verfügen, wobei dieser bei der Vollformatkamera in Relation schier riesig ist. Folglich fällt bei ihr trotz der höheren Auflösung auch die Größe der einzelnen Pixel am höchsten aus. Das ist insofern relevant, als dass größere Pixel mehr Licht einfangen können, weswegen das Bild entweder heller oder aber, bei niedriger Lichtempfindlichkeit des Sensors, qualitativer – sprich schärfer, kontrastreicher und gesättigter – ausfällt. So weit zumindest die Theorie, in der Praxis kommen weitere Faktoren hinzu.

Elgato Facecam Razer Kiyo Pro Logitech C270 Apple iPhone 12 Sony Alpha 7 III &
Tamron 28–75 F/2.8
Sensorgröße 5,2 × 3,9 mm** 5,2 × 3,9 mm 3,6 x 2 mm** 4 × 3 mm 35,6 × 23,8 mm
Auflösung 2,1 MP 0,9 MP 12 MP 24 MP
Pixelgröße 2,9 μm** 2,9 μm 2,8 µm** 1,4 μm 5,93 µm
Brennweite* ~ 24 mm (84°) ~ 18 mm (100°) ~ 40 mm (55°) 26 mm (80°) 28 mm (75°)
Offenblende f/2.4 f/2.0 ? f/1.6 f/2.8
Naheinstellgrenze 30 cm 5 cm ~ 20 cm 7 cm 19 cm
*KB-Äquivalent    **Angaben nicht bestätigt

Einer davon ist das verwendete Objektiv. Hier unterscheiden sich Facecam und Kiyo Pro schließlich: Elgato setzt auf eine eigens entwickelte – und stolz als „Elgato Prime Lens“ beworbene – Festbrennweite mit acht beschichteten Glaselementen, darunter auch asphärische Linsen. Die Brennweite entspricht einem Kleinbildäquivalent von 24 mm, bietet also ein Sichtfeld von rund 84 Grad. Die Offenblende liegt bei f/2.4. Razer hingegen verfügt gar über lichtstärkere f/2.0. Das wird dadurch begünstigt, dass auch die Brennweite des Kiyo-Pro-Objektivs abweicht: Mit einem KB-Äquivalent von 18 mm – das entspricht gut 100° – fällt die Webcam nicht nur in den Weitwinkel-, sondern schon in den Ultraweitwinkel­bereich.

Unterschiedliche Brennweiten und Naheinstellgrenzen

In der Praxis bedeutet das, dass das Gesicht des Anwenders bei gleichem Abstand zur Webcam kleiner abgebildet wird als bei der Facecam. Zwar bietet Razer die bereits erwähnte Möglichkeit, per Software den mittleren Bildausschnitt zu Vergrößern, doch geschieht das stets auf Kosten der Auflösung respektive Schärfe des Bildes. Deutlich einfacher haben es das iPhone und die Alpha 7 III, die ohnehin aus einer viel größeren Anzahl von Pixeln schöpfen können. Und mit passendem Objektiv ist ein optisches Zoomen ohne jegliche Änderung der Bildqualität sowieso möglich.

Alternativ besteht selbstredend die Möglichkeit, die Kamera näher ans eigene Gesicht zu bringen, um es größer abzubilden. Hierbei ist schließlich die Naheinstellgrenze von Relevanz: Sie legt fest, wie nah ein Motiv am Sensor sein darf, damit das Objektiv noch scharfstellen respektive fokussieren kann. Bei der Facecam ist dieser Wert offensichtlich: Die Elgato Prime Lens ist stets auf den Bereich von 30–120 cm fokussiert, wobei die schärfste Ebene bei rund 60 cm erreicht wird. Objekte, die näher als rund 30 cm an der Webcam sind, können nicht mehr scharf abgebildet werden. Die Kiyo Pro hingegen kann auch noch rund 5 cm vor dem Sensor ordentlich scharfstellen. Dann wirken die Motive – insbesondere Gesichter – durch die immense Winkelverzerrung aber arg verstellt.

Ohnehin hat das Ultraweitwinkel­objektiv der Kiyo Pro das Problem, dass die optischen Verzerrungen am Bildrand beim weitesten gebotenen Sichtfeld sehr stark werden. Sofern gerade Linien durch das Bild verlaufen, werden sie folglich deutlich gekrümmt, was das gesamte Bild ein wenig unnatürlich wirken lässt. Bei den engeren, gestutzten Sichtfeldern und auch bei der Facecam fällt der Effekt weniger stark aus.

Fixer Fokus, Autofokus, manueller fixer Fokus?

Schließlich stellt sich noch die Frage, ob denn nun Elgatos Ansatz mit fixem Fokus oder aber Razers Ansatz mit Autofokusobjektiv die bessere Nutzererfahrung bietet. Vorweg kann hier angemerkt werden: Die Kiyo Pro kann per Software ihres Autofokus beraubt und somit bei Bedarf eigenhändig zur Fixfokuswebcam modifiziert werden. Dieser Fixfokus ist dann aber eben als variabler, manueller Fokus zu verstehen. Dementsprechend ist Razers Kamera der Facecam in dieser Hinsicht durch ihrere Flexibilität klar überlegen.

Das bedeutet aber nicht, dass Elgatos Lösung unbrauchbar ist. Da Anwender sich vermutlich ohnehin stets im Bereich von 30–120 cm vor der Webcam befinden, geht von dem einfacheren Konzept in den meisten Fällen kein Nachteil aus. Insbesondere den unschönen Effekt eines pumpend respektive atmend suchenden Autofokus umgeht Elgato auf diesem Weg völlig: Das Bild ist stets ruhig und das Gesicht des Nutzers stets scharf, sofern es im genannten Schärfebereich bleibt. Anwender sollten sich aber bewusst sein, dass Nahaufnahmen mit der Facecam eben nicht möglich sind – hier ist die Kiyo Pro eindeutig im Vorteil. Razers Autofokus funktioniert meistens gut, wenngleich er häufig nicht sonderlich schnell arbeitet. Bei ungünstigen Lichtverhältnissen kann es sich wiederum auszahlen, den Fokus manuell zu setzen. Der Schärfebereich ist aufgrund des kleinen Sensors ähnlich groß wie bei der Elgato Facecam – nur eben variabel nach vorne und hinten verschiebbar.

Test-Aufnahmen in zwei Beleuchtungssituationen

Die folgenden Aufnahmen sollen einen Eindruck der Bildqualität der im Test verglichenen fünf Webcam-Setups bieten. Es handelt sich um jeweils zwei 20-Sekunden-Aufnahmen – zunächst bei mittelstarker direkter Beleuchtung mit warmem Licht, wie sie zuhause bei verdunkelten Fenstern zumeist anzutreffen ist. Der zweite Teil hingegen zeigt die Leistung der Kameras bei düsteren Verhältnissen und mehreren indirekten Lichtquellen mit sehr warmer Farbtemperatur. Befestigt wurden die Kameras am oberen Bildschirmrand eines gewöhnlichen 27-Zoll-Monitors, lediglich die Alpha 7 III befand sich auf einem dahinter aufgestellten Stativ. Abgesehen von der zu gering auflösenden C270 wurde stets in Full-HD-Auflösung aufgenommen, um einen realistischen Vergleich zu bieten.

Komplizierter verhält es sich bei den Bildraten: Die C270 bietet nur maximal 30 FPS. Ebenso verhält es sich mit dem Gros der Webcam-Apps, sodass auch die Testvideos des iPhone 12 in 30 FPS erstellt wurden. Und während die Elgato Facecam die beworbenen 60 Bilder pro Sekunde auch annähernd aufrechterhalten konnte, sank die Bildrate der Kiyo Pro teils drastisch: Im helleren Abschnitt der Testaufnahmen liegt sie durchschnittlich bei 50 FPS, im dunkleren Abschnitt gar nur noch bei durchschnittlich rund 16 FPS. Gerendert wurden die Aufnahmen allerdings allesamt mit 60 FPS.

Elgato Facecam

Insofern verwundert es nicht, dass die Facecam – besonders bei dunkleren Lichtverhältnissen – stark mit hohem Bildrauschen zu kämpfen hat: Um stets 60 FPS halten zu können, müssen die Belichtungs- und auch die Nachbearbeitungszeit geringer ausfallen, sodass einerseits mit höheren ISO-Werten gearbeitet werden muss und weniger softwareseitig kaschiert werden kann. Hinzu kommt das Problem, dass Camera Hub nur sehr grobe Abstufungen bei der Rauschunterdrückung zulässt. So können Nutzer de facto zwischen einem stark rauschenden, dafür aber schärferen oder aber einem deutlich schwächer rauschenden, aber auch etwas matschigen Bild wählen. Abseits dessen ist in beiden Abschnitten ein Rotstich auffällig.

Razer Kiyo Pro

Die Kiyo Pro hingegen liefert ab Werk eine höhere Bildqualität. Gerade bei sehr dunklen Lichtverhältnissen sticht die gefallene Bildrate jedoch deutlich ins Auge. Im Gegenzug sind die Aufnahmen detaillierter, das Bild erscheint allerdings dennoch weicher und weist kaum Bildrauschen auf. Auffällig präsentierten sich die bereits angesprochenen verzerrten Bildränder und der Weißabgleich. Im Abschnitt mit warmem Licht flüchtet die Kiyo Pro in ein grün-gelbes Bild, bietet damit einhergehend in Relation zur Facecam aber auch ein helleres Bild. Die Farbtemperatur lässt sich allerdings im Fall beider Kameras problemlos selbst korrigieren. Eine höhere Bildrate der Kiyo Pro lässt sich indes nur mit stärkerer Beleuchtung erzwingen. Dann erreicht auch Razers Webcam stabile 60 FPS.

Logitech C270

Der Vergleich zu Logitechs günstiger C270 offenbart derweil schnell, dass die höheren Preise der Facecam und der Kiyo Pro keinesfalls ohne – drastische – Wirkung daherkommen. Einerseits hat die günstige Webcam arge Probleme mit der Belichtung bei zu geringem Dynamikumfang, andererseits fällt der Detailgrad trotz deutlich engerem Bildwinkel geringer aus. Im zweiten Abschnitt mit schlechterer Ausleuchtung werden die Unterschiede noch markanter.

Apple iPhone 12

Umso interessanter ist nun der Vergleich mit einem hochpreisigen Smartphone. Das iPhone 12 schlägt hinsichtlich der Bildqualität tatsächlich beide Webcams, vor allem der höhere Detailgrad bei weicherer Schärfe und der hohe Dynamikumfang fallen ins Auge. Zwar konnte auf beschriebenem Weg mit Webcam-App nur eine Bildrate von 30 FPS genutzt werden, prinzipiell sind aber mit aufwändigerem Capturing auch 60 FPS möglich. Potentiell nachteilig ist derweil der engere Bildwinkel. Zwar bietet das iPhone 12 eine Ultraweitwinkelkamera, deren Bildqualität unterliegt der in diesem Fall verwendeten Standardkamera aber maßgeblich.

Sony Alpha 7 III + Tamron 28–75 F/2.8

Wenig überraschend fällt die Bildqualität der Sony Alpha 7 III in Kombination mit Tamrons Standardzoomobjektiv nochmals höher und vor allem lebendiger aus: Die Vollformatkamera bietet einen abermals höheren Dynamikumfang und das bei FHD-Aufnahmen verwendete Downsampling bei immenser Bitrate sorgt für einen sehr hohen Detailgrad. Überdies verfügt der große Sensor trotz nicht allzu hoher Lichtstärke des Objektivs über ein wahrnehmbares Bokeh, wobei der Autofokus trotz kleiner Schärfeebene zuverlässig arbeitet. Und ebenso wenig überraschend fällt diese Qualität auch beim Wechsel zur dunkleren Beleuchtung nicht ab.

Es kommt auf die Anforderungen des Nutzers an

Am Ende entscheidet aber der persönliche Geschmack, ob ein solches Bokeh überhaupt erwünscht ist – letztlich werden im Hintergrund platzierte Details dadurch fast unsichtbar. Der Wechsel zu F/4 oder gar F/5.6 schafft hier selbstredend Abhilfe, generell bietet die Systemkamera den größten Konfigurationsrahmen. Doch auch Facecam und Kiyo Pro gehen in dieser Hinsicht weit über das hinaus, was bei günstigen Webcams geboten wird, zumal die Bildqualität in beiden Fällen deutlich besser ausfällt als bei der parallel getesteten C270.

Razers Webcam bietet Nutzern – insbesondere durch ein Objektiv mit Fokuslinsen – eine höhere Individualisierbarkeit als die Facecam und auch die Bildqualität fällt besser aus. Im Gegenzug hält Elgato das Versprechen von 60 FPS stets ein. Auch die kaum wahrnehmbare Weitwinkelverzerrung der Facecam ist in Relation zur Kiyo Pro ein deutlicher Pluspunkt. Dass das iPhone 12 es mit beiden Kameras locker aufnehmen kann, mag ein wenig überraschen, stellt Nutzer aber letztlich vor die Wahl, ob sie ihr Smartphone als Webcam entbehren können. Für vereinzelte Meetings mit höherer Qualität, als sie eine günstige Webcam bieten kann, mag die Smartphone-Kamera daher infrage kommen, aber wohl kaum für regelmäßige Twitch-Streams.

Da war noch das Mikrofon der Kiyo Pro …

Eine letzte Testaufnahme bleibt derweil noch: Razers Webcam verfügt – wie eingangs beschrieben im Gegensatz zur Elgato Facecam – über ein integriertes Mikrofon. Gleiches gilt selbstredend auch für Smartphone und Systemkamera, ist in diesen Fällen aber allseits bekannt respektive irrelevant, da wohl kein Streamer eine Vollformatkamera fürs Bild verwendet, ohne ein dem angemessenes dediziertes Mikrofon zu besitzen. Diesen Gedanken teilt auch Elgato bezüglich der Facecam, macht die Webcam in Relation zur Kiyo Pro damit jedoch zumindest für Gelegenheitsanwender unattraktiver. Das Mikrofon der Razer-Webcam ist nämlich durchaus akzeptabel – insbesondere unter Berücksichtigung des hohen Abstands zwischen Webcam auf dem Bildschirmrand und sprechendem Nutzer.

Razer Kiyo Pro Mikrofon