Funkzellenabfrage: Bundesgerichtshof schränkt Überwachung ein

Michael Schäfer
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Funkzellenabfrage: Bundesgerichtshof schränkt Überwachung ein
Bild: blickpixel | gemeinfrei

Wie niedrig dürfen Ermittler die Schwelle für eine Funkzellenabfrage setzen? Mit dieser Frage hatte sich Anfang des Jahres der Bundesgerichtshof zu befassen, dessen Beschluss nun veröffentlicht wurde. Anders als die Vorinstanz schränkt das Gericht darin die Möglichkeiten der Strafermittlungsbehörden deutlich ein.

Grundsätzlich dürfen Funkzellenabfragen nur bei schweren Straftaten eingesetzt werden, in Hessen kamen diese jedoch zur Aufklärung eines „normalen“ Einbruches zum Einsatz. Dabei werden von Mobilfunknetzbetreibern die Verkehrsdaten all der Geräte angefordert, die sich zum fraglichen Zeitpunkt mit Basisstationen in einem bestimmten Gebiet verbunden haben. Durch die Auswertung der Daten soll dann der Tatverdächtige ermittelt oder im Idealfall seine Tat nachgewiesen werden. Da in solchen Fällen auch Daten Unbeteiligter in nicht unbedingt geringem Umfang erhoben werden, hat der Gesetzgeber hohe Hürden für die Verwendung aufgestellt, die sich unter anderem in § 100g Absatz 2 der Strafprozessordnung finden. Dazu gehören unter anderem Hochverrat und die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Bildung krimineller Vereinigungen, Mord und Totschlag sowie gemeingefährliche Straftaten.

Abfrage ohne Transparenz

Dennoch machen die Behörden von ihren Möglichkeiten regen Gebrauch: In Berlin belief sich die Zahl der Abfragen im Jahr 2019 auf 612, was im Durchschnitt 12 Abfragen pro Woche bedeutet. Aus diesen Abfragen wurden 569 Verfahren abgeleitet. Im Jahr 2020 ging die Zahl leicht zurück, blieb aber mit 523 immer noch hoch. Unterrichtet werden die Betroffenen im Übrigen nicht, ein Transparenzsystem zur Funkzellenabfrage wird seit 2021 nicht mehr fortgeführt.

Im vorliegenden Fall, mit dem sich der Bundesgerichtshof Anfang des Jahres beschäftigt hatte, versuchten die Ermittler mithilfe der genannten Werkzeuge einen Einbruchdiebstahl aufzuklären. Zwar kennt auch die Strafprozessordnung diesen Tatbestand, allerdings nur in Bezug auf eine dauerhaft genutzte Privatwohnung. Der Diebstahl von Gegenständen aus einem Kiosk oder einer Gaststätte fällt laut dem BGH nicht unter die Vorgaben. Aus diesem Grund hob der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die zuvor vom Landgericht Frankfurt am Main am 3. Juni 2022 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wieder auf.

Abfrage rechtswidrig

In dem nun veröffentlichten Beschluss (PDF) kommen die vorsitzenden Richter zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall keine besonders schwere Straftat im Sinne des § 100g Abs. 2 StPO vorliege, sodass die gewonnenen Erkenntnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Obwohl in der Verhandlung weitere Beweismittel vorgelegt wurden, konnte der Senat konnte jedoch nicht ausschließen, „dass das Landgericht ohne die Verwertung der Funkzellendaten zu einem für den Angeklagten günstigeren Beweisergebnis gelangt wäre“. Dazu kam es jedoch nicht, da sich die Frankfurter Richter nach Ansicht des BGH zu sehr auf die gewonnenen Daten verlassen hätten.

Dies hatte zur Folge, dass mit dem Wegfall der Einzelstrafe auch die Gesamtstrafe aufgehoben wurde. Darüber hinaus war nach Ansicht der Richter bereits die Anordnung der Funkzellenabfrage rechtswidrig, da zu diesem Zeitpunkt kein Verdacht einer besonders schweren Straftat vorgelegen habe.

Weitreichende Folgen

Das Urteil hat nun weitreichende Folgen für die Ermittlungsbehörden. So müssen diese in Zukunft vermehrt befürchten, dass bei einem unzureichenden Verdacht die gewonnenen Beweise nicht verwertet werden dürfen und damit einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot unterliegen.