Chatkontrolle: Ohne Zustimmung soll es keinen Bild-Upload geben

Michael Schäfer
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Chatkontrolle: Ohne Zustimmung soll es keinen Bild-Upload geben
Bild: VinzentWeinbeer | gemeinfrei

Der EU-Rat versucht zu retten, was noch zu retten ist: Im Ringen um eine Einigung in der Causa Chatkontrolle wird ein neuer Vorschlag in den Ring geworfen: Nutzer sollen einer Chatkontrolle zwingend zustimmen, wenn sie Bilder und Videos hochladen wollen.

Der jetzt gemachte Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft geht aus einem von Netzpolitik.org veröffentlichten Verhandlungsprotokoll hervor. Demnach soll sich die Kontrolle nur noch auf visuelle Inhalte, also Bilder und Videos, beschränken, Audio-Inhalte und Texte sollen dagegen ausgenommen werden. Gleiches gilt für verschlüsselte Nachrichten, die ebenfalls nicht mehr Teil der Kontrolle sein sollen.

Keine Zustimmung – kein Upload

Auch das so genannte Client-Side-Scanning, bei dem Inhalte bereits auf dem jeweils genutzten Gerät geprüft werden sollen, steht nicht mehr auf der Anforderungsliste. Hier schlägt Belgien einen moderierten Upload vor, dem Nutzer zwingend zustimmen müssen, um visuelle Inhalte hochladen zu können – ohne Zustimmung also keine Bilder und Videos. „Verweigere ein Nutzer die Zustimmung, könne er einen Dienst weiter nutzen, aber keine Bilder und Videos hochladen“, heißt es im Verhandlungsprotokoll, das bislang nur als PowerPoint-Präsentation vorliegt.

Nicht nur Beifall

Da für die gemachten Vorschläge noch keine Ausarbeitungen in Textform vorliegen, wurden diese von den Delegierten lediglich unter Vorbehalt diskutiert. Kritische Fragen ließen nicht lange auf sich warten: So merkte die französische Vertretung an, wann die Zustimmung des Nutzers erfolgen müsse und wie verbindlich diese sein solle. Nach Ansicht der belgischen Ratspräsidentschaft könnte dies entweder generell über die AGB oder beim Hochladevorgang über ein zusätzliches Pop-up-Fenster erfolgen. Ob dies nur einmal oder bei jedem Hochladevorgang erfolgen soll, blieb stattdessen offen. Spanien, das als Befürworter der Chatkontrolle gilt, fragte hingegen, wie es sich mit gemischten Inhalten von Bildern und Texten, wie unter anderen PowerPoint-Präsentationen, verhalten wird. Auch Bilder, die in gepackten Dateien versendet werden und eventuell mit einem Passwort versehen sind, wurden nicht angesprochen.

Ebenso merkten die Vertreter Portugals an, dass der Vorschlag noch sehr viele Fragen aufwerfe. Deutschland bat um eine schriftliche Form der Vorschläge, um diese angemessen prüfen zu können.

Wackelkandidat Frankreich, Irland beharrt auf bisherige Umsetzung

Dass Länder wie Bulgarien, Dänemark, Polen oder Rumänien, die dem Vorhaben bisher positiv gegenüberstanden, den gemachten Vorschlägen einiges abgewinnen können, dürfte nicht überraschen. Aber auch für Frankreich, das in den letzten Monaten die Seite gewechselt hatte und der Kontrolle zunehmend kritisch gegenüberstand, geht der nun vorliegende Vorschlag in die richtige Richtung. So scheint derzeit zumindest eine Einigung im Rat greifbar.

Dennoch geht dieser einigen EU-Staaten nicht weit genug. So wird die Beschränkung auf rein visuelle Inhalte von vielen Mitgliedern kritisiert: Für Irland, seit jeher einer der stärksten Befürworter, würde das Kontrollvorhaben dadurch „an Effektivität verlieren“. Dänemark dagegen besteht weiterhin auf eine Erfassung von Texten.

Ein weiterer Streitpunkt war die Erfassung von CSAM (Child Sexual Abuse Material) und Grooming, die die Niederlande aus Angst vor einer zu hohen Fehlerquote weiterhin strikt ablehnen. Auch hier bemüht sich Belgien um Zugeständnisse: So soll nach dem Willen der Ratspräsidentschaft neues Material erst ab dem zweiten Treffen an Behörden weitergeleitet werden. Dieser Kompromiss wird jedoch von anderen Ländern wie erneut Irland abgelehnt, für das „strafrechtlich hochrelevante Inhalte“ ignoriert werden würden.

Darüber hinaus haben mehrere Staaten beantragt, den juristischen Dienst des Rates der EU zum Vorschlag des „Zwei-Treffer-Systems“ zu konsultieren. Von dort ist jedoch wenig Hilfe zu erwarten, in der Vergangenheit hatte dieser bereits mehrfach betont, dass der Vorschlag nicht mit den rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union in Einklang zu bringen und daher als rechtswidrig einzustufen ist.

Umsetzung ungewiss

Das Tauziehen rund um die als Chatkontrolle benannte Kontrolle von Nachrichten auf strafbare Inhalte währt nun rund zwei Jahre und ein Ende ist nicht in Sicht. Nach wie vor stehen sich die Meinungen von EU-Rat und der EU-Kommission auf der einen Seite und dem Europäischen Parlament auf der anderen Seite diametral gegenüber, eine Einigung in den Trilog-Verhandlungen wird dadurch nicht einfacher. Ob das Vorhaben überhaupt jemals umgesetzt wird, ist derzeit mehr als fraglich. Nach den Europawahlen am 9. Juni werden die Karten neu gemischt und es bleibt abzuwarten, ob es dann überhaupt noch eine Mehrheit für das Unterfangen gibt. Und selbst wenn, würden am Ende die Gerichte entscheiden. Hier hat der juristische Dienst des EU-Rates bereits angedeutet, dass die Chatkontrolle seiner Einschätzung nach spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern wird.

Auch innerhalb des EU-Rates ist es fraglich, ob zeitnah eine Einigung gefunden werden kann. Ende Juni 2024 wird die Ratspräsidentschaft an Ungarn übergehen, für die das Thema Beobachtern nach keine hohe Priorität genießt. Am morgigen Donnerstag will der Rat erneut über die vorgelegten Vorschläge beraten.

Nur Textnachrichten keine Option

Für den Europaabgeordneten der Piratenpartei Patrick Breyer ist jedoch klar, dass das Kontrollinstrument im Kern unverändert beibehalten werden soll. Zudem ist für ihn eine rein textbasierte Nutzung von Messenger-Diensten im 21. Jahrhundert keine ernsthafte Option, wie er in einem aktuellen Blog-Beitrag verlauten lässt. „Und Auswüchse der Chatkontrolle zu streichen, die ohnehin in der Praxis keine Rolle spielen, ist eine Mogelpackung“, so der Jurist und Bürgerrechtler weiter.

Auch mit Kritik an der Bundesregierung hält sich Breyer nicht zurück: Für ihn ist durch ihr Schweigen diese seit Monaten „nicht sprechfähig“ – nicht zuletzt auch wegen SPD-Innenministerin Faeser. Deshalb käme es auch nicht zu Allianzen mit anderen kritischen Staaten.