Bore-Out und Burn-Out im Wechsel

Defragger

Ensign
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Dez. 2015
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Hallo zusammen,

ich fange dieses Thema mal an, da es glaube ich viele Leute in der IT betrifft, vor allem bei professionellen Dienstleistern, die Konzernen zuarbeiten.

Ich habe das Problem, dass es an meinem aktuellen Arbeitsplatz einen stetigen Wechseln zwischen Bore-Out-ähnlichen und Burn-Out-ähnlichen Situationen kommt. Konkret heißt das, entweder ich bin nach zwei Stunden fertig oder man bekommt eine Zielvereinbarung, die eigentlich so gut wie uneinhaltbar ist.

Ich bin nun seit knapp über einem Jahr in einer IT-Firma, die sich auf Software-Testing spezialisiert hat. Nun ist es so, dass ich mit meinen Arbeiten immer gut voran gekommen bin, in den ersten drei Quartalen den vollen Bonus bekam und im letzten Quartal sogar noch etwas extra, weil ich so gut war. Es gab immer mal wieder Aufgaben, bei denen viel zu viel in viel zu wenig Zeit gefordert wurde, es gab einen enormen Zeitdruck und kaum Hilfe durch Kollegen, da diese genauso gefordert waren. Wir hatten damals Personalmangel und sowohl meine Kollegen als auch ich hatten das Problem offen mit unseren Vorgesetzten angesprochen. Passiert ist wenig, uns haben Kollegen verlassen und es gab nur einen neuen, der aber gleichzeit völlig neu in der Thematik ist.

Nun ist diese Phase aber geprägt von extrem einseitiger Arbeit. Als ich bei der Firma anfing durfte ich mich in SQL austoben, durfte in VBA programmieren, Testfälle schreiben, Tests durchführen, es gab viele Test-Engineering-spezifische Themen zu dokumentieren usw.

Nun habe ich aber seit einiger Zeit das Problem, dass genau das Gegenteil eintritt. Ich bin extrem schnell mit meiner Arbeit fertig und habe dann eigentlich nichts mehr zu tun. Mittlerweile bin ich soweit, dass selbst die internen Aufgaben erledigt sind. Ich habe das mit meinem Vorgesetzten besprochen und er meinte, ich solle mich in das modellbasierte Testen einarbeiten. Falls das irgendjemandem von euch etwas sagt oder sogar schon mal damit zu tun gehabt hat - es ist furchtbar langweilig. Ich arbeite im Automotive-Bereich und würde mich gerne im Bereich Penetration-Testing weiterbilden bzw. eine Programmiersprache lernen und dann selbst für unser Unternehmen Testing-Tools erstellen. Das wäre für uns meines Erachtens wesentlich zielführender.

Jedenfalls habe ich nun seit mehreren Monaten das Problem, dass ich mir entweder 1-Stunden-Arbeiten aussuchen, zwischendurch mit ordentlich Zeitdruck eine Unmenge an Testfällen durchführen und dann wieder 1-Stunden-Arbeiten aussuchen bzw. Bücher durchlesen darf.

Eine Einarbeitung in ein neues Themengebiet ist durchaus sinnvoll, jedoch hätte ich wesentlich lieber ein breites Spektrum an Aufgaben von Programmierung über SQL bis hin zu Testfalldesign und Testdurchführung als ständig nur nach neuen Aufgaben zu suchen.

In letzter Zeit brauche ich meine restlichen Urlaubstage auf, in dem ich sie in Überstunden umwandle, die ich dann für diese Tage nutze, an denen ich fast nichts zu tun habe.

Aber mittlerweile ist das nur noch anstregend und es belastet mich auch. Als ich das Thema ansprach, war die Antwort in etwa so: "So ist das eben in der Projektarbeit". Aber diese Antwort stellt mich nicht zufrieden, vor Allem da die Meetings und alles was damit zu tun hat bei uns stetig durch die Testmanager bzw. Anforderungsmanager erledigt wird, wir Test-Engineers dürfen uns mit der produktiven Arbeit befassen, die natürlich nicht aus Lachen und Kaffe trinken besteht.

Ich frage mich, wie ihr damit umgeht. Ist es bei euch auch ein so krasser Wechsel Im Projektgeschäft? Habt ihr vielleicht Vorschläge, wie man die Situation besser angehen kann?

Vielen Dank im Voraus! :)
 
Das Projektgeschäft kann immer extrem hohe Fluktuationen aufweisen. In anderen Teilen der Industrie ist das viel extremer, sodass die Mitarbeiter teilweise nach ihrem Projekt entlassen werden.
Was bedeutet "seit einiger Zeit"? Wenn du schon lange nicht wirklich was zu tun hast, kann das darauf hinweisen, dass es grad keine neuen Projekte gibt.

Wenn dich das ganze tatsächlich so stark belastet, wäre es vermutlich wirklich sinnvoll sich neu zu orientieren.
 
Naja, er hat ja durchaus konkrete Ideen die er umsetzen möchte, aber anscheinend will das Unternehmen das nicht so ganz.

Mir würde als erstes einfallen, dass man die Unmengen an Testfällen die du durchführen musst unter Umständen automatisieren könnte um Zeit zu sparen (falls das geht, ich weiß ja nicht was da gemacht wird, in der Regel gibts aber für alles etwas - wenn manches auch ziemlich aufwendig zum umsetzen ist).

Das wäre sicher eine Idee, falls du das machen willst und kannst. Ich weiß aber auch das Vorgesetzte nur ungern in sowas investieren, auch wenn es langfristig Zeit spart aber man kann es ja versuchen.
 
Tests werden bei uns nur automatisiert, sofern dafür ein Auftrag durch den Kunden vorliegt. Die Test-Automatisierung ist bei uns eine eigene Abteilung, ich bin im Bereich des manuellen Testdesigns uns der manuellen Testdurchführung.

Dass das Projektgeschäft teils mehr, teils weniger Aufwand ist ist mir bewusst. Nur die Verteilung bei uns ist enorm unausgeglichen. Normalerweise erwarte ich von einer Firma, dass das Verhältnis so ist, dass beispielsweise in Hochphasen 120% bis 140% nötigt sind und in Niedrigphasen dann 60% bis 80%. Am liebsten wäre mir natürlich eine 100%-Auslastung, aber das ist im Projektgeschäft wohl eine utopische Vorstellung.

Jedenfalls hatte ich im letzten halben Jahr das Gefühl, wir wären dauerhaft zwischen 120% und 160% und nun fühle ich mich zu ca. 20% bis 40% ausgelastet. Ich weiß heute nicht, was ich die kommende Woche über tun soll. Das einzige was ansteht wäre die oben angesprochene Einarbeitung oder möglicherweise wieder monotone Testdurchführung.

Testdesign ist durchaus kreativ, bei der Testdurchführung allerdings kann man meines Erachtens auch einen Affen hinsitzen, dafür ist kaum Vorwissen notwendig, abgesehen von der Fachlichkeit des jeweiligen Testumfelds.

Ich frage immer wieder nach neuen Aufgaben, das Problem ist nur, dass mir sofort die Aufgaben zugewiesen werden, die kein anderer machen will, d. h. die schwierigsten Testfälle durchführen, bei denen das Zeitbudget von vorneherein als zu gering einzustufen ist oder die Einarbeitung in ein Thema, das sowieso nicht zukunftsträchtig ist. Meines Erachtens sollten wir Testtools entwickeln, die modellbasierte Schnittstellen zu Anforderungsmanagementtools erlauben bzw. Algorithmen entwickeln, die die Testfälle aus den Modellen berechnen und dabei die am besten geeignetsten erstellen. Denn die Arbeit an den Modellen selbst wird über kurz oder lang sowieso automatisiert, also ist eine Einarbeitung in einen solchen Aufgabenbereich meines Erachtens viel zu kurzfristig gedacht.

Anfangs gab es zeitlich viel Druck, was schlecht war. Jetzt ist der zeitliche Druck gesunken, was positiv ist, jedoch fühle ich mich aufgabentechnisch absolut unterfordert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf jeden Fall vermeiden Urlaubstage in Leerstunden umzuwandeln um Tage aufzufüllen. ;) Es ist die Aufgabe Deiner Vorgesetzten Dich auszulasten und im Projektgeschäft sind Schwankungen durchaus üblich.
 
Hast du Kollegen die ähnliches machen? Ich mein, wenn man mal in einer Abteilung weniger zu tun hat dann kann man ja auch mit "Fachgesprächen" den Tag füllen ;)

Ansonsten ist das natürlich schwierig.
 
Das mit den Projektschwankungen und der Auslastung stimmt. Meine restlichen Urlaubstage werde ich wahrscheinlich an Weihnachten nutzen, d. h. ich werde voraussichtlich keine Urlaubstage mehr in Überstunden umwandeln.

Ich bin jemand, der sehr ungern unproduktiv ist, daher sind die "Fachgespräche" für mich meistens eher kontraproduktiv, weil es mir das Wissen gibt, dass man in der Zeit produktiver sein kann. Reden usw. hebe ich mir lieber für meine Kumpels auf. :)

Ich habe mir in letzter Zeit folgendes durch den Kopf gehen lassen:
- 1 Monat unbezahlten Urlaub anfragen, bis wieder einigermaßen was zu tun ist. Leisten kann ich es mir und Urlaub wäre aktuell auch nicht verkehrt. Jedoch habe ich hier Bedenken, wie es bei meinem Vorgesetzten ankommt.
- Auf 30 Stunden reduzieren und die gewonnene Freizeit in ein Hobby oder einen Nebenjob investieren, der mir zusagt, z. B. irgendwas, wo man gut Leute kennenlernt, z. B. Baarkeeper oder im Fitnessstudio arbeiten.
- Einen dualen Master in meinem Unternehmen anfragen und den dann im Sommersemester beginnen.
 
Das hier geschilderte Problem ist wohl gängig im Projektgeschäft.
Dass man allerdings MBT für langweilig hält aber trotzdem Tests "schreibt" finde ich amüsant. Gerade ich fand das Thema sehr viel spannender als selbst manuell die Tests reinzuklopfen.

Ich bin selbst noch nicht lange fertig, aber versuche stets einen sinnvollen Ausgleich zu schaffen. Aufgaben schätzen wir generell selbst bzw. im Team. Wenn die Zeit nicht reicht, dann solltest du das rechtzeitig kommunizieren. Auch wenn etwas bis Tag X fertig sein muss. Das muss aber auch der Kunde verstehen. Es ist nicht immer möglich, wenn heute eine Anforderung oder Änderung kommt, mit dieser am nächsten Tag fertig zu sein. Wenn das dein Chef/Projektmanager nicht einsieht, dann ist er eine Pfeife und sollte erst einmal seine Aufgaben besser machen.

Den Master zu machen bringt nur bedingt etwas. Zumal man mindestens 2 Jahre braucht und es kein Garant für komplexere Aufgaben oder mehr Gehalt ist. Letzteres wird dich wohl auch nicht glücklicher machen.

Mit einem Monat Urlaub könnte ich zur aktuellen Jahreszeit nur wenig anfangen. Das hängt aber von mir persönlich ab. Wenn dann würde ich diesen nutzen um eine schöne Reise und eine persönliche/fachliche Weiterbildung im Selbststudium zu machen.

Das mit dem Nebenjob klingt eher danach, dass du selbst nicht glücklich mit deiner Situation bist. Vllt. solltest du dir tatsächlich eine andere Aufgabe suchen. Die sollte dir aber langfristig etwas nützen und nicht innerhalb eines Jahres erreicht werden können. Wenn man stetig auf ein Ziel hinarbeitet, dann ist das bestimmt aufregender als ein Nebenjob, der nach ein paar Monaten auf langweilig wird. Selbstverständlich solltest du das nur tun, wenn du nicht nahe an einem "Burn-Out" bist. Sonst ist es kontraproduktiv!
 
Kurz zu den drei Alternativen:
1) Imo keine gute Idee, bräuchte auch eine überzeugende Begründung. Freistellung wegen Minderauslastung ist wenn überhaupt eine AG Maßnahme und kommt nicht von Dir als AN und würde sicherlich nur zu dummen Überlegungen führen. ;)
2) Ist eine Maßnahme, aber zum einen bleibt es selten bei den 30h (sieht man schön bei Elternteilzeit) und zum anderen sagt man damit der Karriere in diesem Unternehmen adieu.
3) Den Job mit der geringen Auslastung nutzen um ein Studium einigermassen angenehm zu stemmen klingt zumindest für mich am sinnigsten.
 
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