Alcatel-Lucent: Milliardenstrafe für Microsoft

Sasan Abdi
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Alcatel-Lucent scheint der große Wurf gelungen zu sein: Das US-Geschworenengericht in San Diego verurteilte den Softwaregiganten Microsoft in einem Präzedenzfall zu einer Strafzahlung von 1,5 Milliarden US-Dollar, weil der Vorwurf der Patentrechtverletzung in Hinblick auf die MP3-Format-Rechte von Alcatel-Lucent als gegeben gesehen wurde.

Mit dem Urteil steht nun die gesamte Nutzung der MP3-Technologie juristisch auf dem Prüfstand. Da selbstredend nicht nur Microsoft mit der beliebten Komprimierungstechnologie zu tun hatte, dürften, nachdem Alcatel-Lucent Recht bekommen hat, weitere Klagen anstehen. Das nun ergangene Urteil geht auf eine Klage von Lucent aus dem Jahr 2003 zurück, in welcher der Telekomausrüster Microsoft vorwarf, über den Einsatz von Windows auf Rechnern der Lucent-Partner Dell und Gateway die Rechte an der MP3-Technologie zu verletzen.

Während man bei Alcatel-Lucent das Urteil feiert, üben die Rechtsvertreter Microsofts scharfe Kritik an der Entscheidung. Besonders sauer stößt den Anwälten die Höhe der Strafe auf. Zum Vergleich: Die Fraunhofer-Gesellschaft forderte für die Lizenz mit 16 Millionen Dollar einen vergleichsweise geringen Betrag. Dieser war aber für die Geschworenen und den das Urteil abgebenden Richter kein Richtwert. Stattdessen legten sie den durchschnittlichen Verkaufswert eines Windows-PCs zwischen 2003 und 2005 sowie die Verkaufszahlen bei ihrem Rechtspruch zugrunde. Außerdem, so erzürnt man sich bei Microsoft, entbehre das Urteil jedweder Rechtsgrundlage und auch die Fakten seien nicht gründlich genug zur Kenntnis genommen worden. So sei Microsoft seinen lizenztechnischen Pflichten durch die Zahlung von Gebühren an die Fraunhofer-Gesellschaft sehr wohl ordnungsmäß nachgekommen - das Urteil werde einzig dazu führen, dass Alcatel-Lucent „hunderte andere Firmen“ verklagen werde.

In der Tat dürfte in Hinblick auf die Nutzung der MP3-Technologie nun ein wahrer Sturm von Klagen hereinbrechen. Genauso wie Microsoft haben zahlreiche weitere Unternehmen direkt oder indirekt etwas mit der Technologie zu tun und berufen sich – genauso wie die Microsoft-Anwälte – darauf, beim bis dato gültigen Lizenzgeber, der Fraunhofer-Gesellschaft, bezahlt zu haben. Genau an dieser Stelle findet sich aber das rechtliche Problem: In der Tat wurde die Technologie von 1982 an hauptsächlich am deutschen Fraunhofer Institut entwickelt. Dabei kamen aber teilweise Patente der Firma Bell Labs zum Einsatz, welche nach dem Kauf von Bell Labs durch Lucent sowie nach dem Zusammenschluss von Alcatel und Lucent, dem nunmehr zweitgrößten Netzwerkausrüster weltweit, in der Gegenwart bei Alcatel-Lucent liegen.

Entsprechend dieser verfahrenen rechtlichen Lage ist nicht abzusehen, wie sich etwaige neue Klagen entwickeln werden. Mit einem gewonnenen Präzedenzfall im Rücken wird es Alcatel-Lucent in jedem Fall leichter fallen, auch in anderen Prozessen Recht zu bekommen. Microsoft hat derweil weitere rechtliche Schritte angekündigt.