Alan Wake im Test: Die Nacht ist dein Feind

 3/4
Sasan Abdi
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Alan Wake auf einen Blick

Was für die Erzählung und den „Drive“ hervorragend ist, bedeutet aber zugleich, dass sich „Alan Wake“ in engen Grenzen bewegt. Denn auch hier gilt: Je dichter und kohärenter die Erzählung, desto weniger Freiheit kann dem Spieler geboten werden. Die „wie ein Film“-Konzeption bringt es also mit sich, dass man in keiner Weise Einfluss auf das Gebotene nehmen oder gar aus dem Vorgegebenen ausbrechen kann. Der potentielle freie PC-Spieler wird also zum reinen Konsumenten von klar vorgegebenen Abläufen.

Eine solche Konzeption bietet Vor- und Nachteile und kann kontrovers diskutiert werden. Im Falle von „Alan Wake“ funktioniert sie in der Summe sehr gut, zumal der Anspruch eindeutig ist: Nicht die Erschaffung einer freibegehbaren Welt, in der sich der Protagonist nach eigenem Gustus erschaffen kann, sondern das Erzählen einer spannenden Geschichte stehen im Vordergrund.

Aus diesem Grund sind auch die im Vergleich sehr engen Areale verzeihbar, durch die sich Alan im Verlauf der Episoden schlagen muss. Dies gilt auch deswegen, weil die engen, teils unsichtbaren Grenzen in den unterschiedlichen Abschnitten selten wirklich auffallen: Zu sehr ist der Spieler damit beschäftigt, sich auszumalen, welche Grässlichkeit ihn wohl hinter der nächsten Kurve erwarten könnte, was sich im dichten Nebel direkt voraus verbirgt und woher die unterschiedlichsten Geräusche der Umgebung herwirken.

In diesen, sehr häufig vorkommenden Momenten setzt sich „Alan Wake“ angenehm vom Genre-Standard ab, bei dem der Faktor „Action“ immer häufiger die viel subtilere, geschicktere, auf bloßer Verunsicherung basierenden Gänsehaut-Momente übertüncht. Oder anders gesprochen: Der Gedanke an das mögliche Schrecken ist manchmal weitaus packender als die plumpe Präsentation desselbigen.

Ersteres erreicht „Alan Wake“ immer wieder: Man streift durch dichte Wälder, erklimmt Aussichtsplattformen, durchsucht verlassene Gebäude – zumeist in tiefster Nacht, ausgerüstet mit diversen Schusswaffen (Revolver, Leuchtpistole, Schrot- und Jagdgewehr), Leuchtfackeln, Blendgranaten und einer Taschenlampe.

Die letztere Gegenstände stellen dabei den essentiellen Grundstock des Inventars dar, denn Alan sieht sich immer wieder mit von der Dunkelheit besessenen Menschen, anderen Lebewesen und Gegenständen konfrontiert, die erst ins „rechte Licht“ gerückt werden müssen, bevor man sich effektiv gegen sie wehren kann. Diese Spielmechanik garantiert in den ersten Episoden maximale Motivation, da Schockmomente – auch aufgrund der sehr eng am Protagonisten klebenden Kameraführung – immer wieder garantiert sind.

Später nimmt die Attraktivität des Gebotenen zwischendurch ab, weil sich manche Effekte wiederholen und die Konfrontation mit den Standard-Gegnern nicht mehr so gruselig ausfällt, wie zu Beginn; in diesen Momenten setzt dafür aber umso stärker das Interesse an der eigentlichen Geschichte an, sodass sich die Motivation bis zur letzten Sekunde auf einem sehr ordentlichen Niveau bewegt. Doch selbst wenn man der wendungsreichen, ebenso diffusen wie spannenden Handlung nicht so viel Beachtung schenkt, lässt sich das Ausmaß des Herausforderung im Zweifel dadurch erhöhen, dass in den höchsten von drei Schwierigkeitsgraden gewechselt wird – in diesem Fall macht sich der chronische Munitions- und Batteriemangel noch deutlicher bemerkbar, wird der Streifzug über die Insel zu einem echten Höllenritt.

Gepaart werden die actionreichen Momente immer wieder mit kleinen, zumeist sehr einfachen Rätselabschnitten und der Möglichkeit, in kleinstem Maßstab unterschiedliche Vorgehensweisen auszuprobieren. Scheitert man beispielsweise an einer Gegnermeute, kann man versuchen, den Angriffen auszuweichen und sich rennender- und schießenderweise zum nächsten Lichtkegel zu retten, aber Vorsicht: Die Dunkelheit ist dann unter Umständen nur temporär gebannt, sodass unvorsichtige Zeitgenossen auch nach einer Verschnaufpause noch angefallen werden können.

Voraussetzung für solche, bei Munitionsmangel teilweise zwingend notwendigen, Aktionen ist eine einwandfreie Steuerung. In dieser Hinsicht muss erwähnt werden, dass man dem Spiel die ursprüngliche Konsolen-Fokussierung durchaus anmerkt, sodass sich Alan in Third-Person-Perspektive hervorragend mit einem Gamepad steuern lässt. Doch auch die klassische PC-Kombination aus Maus und Tastatur funktioniert sehr ordentlich, sodass es in dieser Hinsicht keinen wirklichen Grund zur Kritik gibt. Dies gilt allerdings nicht für die wenigen Momente, in denen man sich hinter ein Steuer schwingt: Hier fällt die Steuerung über die Tastatur ausgesprochen schwammig aus.

Die lange, unstete Entwicklungszeit von „Alan Wake“ bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung auf die grafische Umsetzung, sodass man keine weltbewegende Präsentation erwarten darf. Ein Reinfall ist das Gebotene aber keinesfalls, da einige Ressourcen in die Aufbohrung der Grafik investiert wurden. So wird Bright Falls wunderbar über grandiose Wasseroberflächen, dichten Nebel und ein grundsätzlich authentisches Leveldesign stimmig in Szene gesetzt, wobei man sich – entsprechende Technik vorausgesetzt – auch im stereoskopische 3D-Modus in die Untiefen von Bright Falls stürzen kann.

Weitere Eindrücke aus „Alan Wake“

Löblich ist auch, dass die Umsetzung keinen allzu riesigen Hardware-Hunger entfaltet. Auf unserem praxisnahen Testsystem lief der Titel bei „hohen“ Details, aktiviertem V-Sync und einer Auflösung von 1680 x 1050 bei stabilen 50 bis 60 Bildern pro Sekunde.

Auch die Sprach- und Soundumsetzung verdient sich insgesamt ein umfassendes Lob. Die deutschen Sprecher – allen voran Alans Synchronstimme – passen wunderbar und machen obendrein auch noch einen sehr ordentlichen Job. Auch die Vertonung ist mit passenden Klängen sehr ordentlich gelungen; wirklich nervig ist aber der erstens viel zu leise und zweitens auch noch variierende Gesamt-Lautstärke-Pegel, der nicht selten dazu führt, dass man manuell nachjustieren muss.