Automatisiertes Fahren: Mercedes-Benz setzt ab 2024 auf Nvidia Drive AGX Orin

Nicolas La Rocco
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Automatisiertes Fahren: Mercedes-Benz setzt ab 2024 auf Nvidia Drive AGX Orin
Bild: Mercedes-Benz

Mercedes-Benz und Nvidia gehen eine langfristige Partnerschaft für das automatisierte Fahren ein. Ab 2024 neu vorgestellte Autos werden standardmäßig mit Drive AGX Orin ausgestattet sein. Mercedes-Benz will die Fähigkeiten des Autos künftig stärker per Software definieren. 2024 soll passend dazu das eigene MB.OS fertig werden.

Nach der vorzeitigen Aufkündigung der gemeinsamen Entwicklung zwischen BMW und Mercedes-Benz für das automatisierte Fahren hat es bereits in der Luft gelegen, dass die Marke mit Stern bald einen neuen Partner vorstellen könnte. Überraschend kommt die Kooperation mit Nvidia nicht, denn schon zur CES 2019 ließen beide Unternehmen verlauten, gemeinsam einen Supercomputer für das Auto entwickeln zu wollen.

Nvidia sind die Besten, wenn es darum geht, diese Technologie auf die Straße zu bringen.

Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG

Automatisiertes Fahren bis zu Level 3

Nachdem vor anderthalb Jahren zur Messe in Las Vegas noch viele Details der Kooperation fehlten, steht nun ein der Öffentlichkeit präsentierbares Grundgerüst. Ab 2024 soll jedes neue Fahrzeugmodell von Mercedes-Benz standardmäßig mit Nvidia Drive AGX Orin ausgestattet sein, das automatisiertes Fahren gemäß der Level 2 und 3 beherrschen wird und hochautomatisiertes Parken nach Level 4 ermöglicht. Mit Level 3 ist es möglich, auf vordefinierten Strecken wie etwa Autobahnen dauerhaft die Hände vom Lenkrad zu nehmen und die Überwachung der Umgebung dem Fahrzeug zu überlassen. Der Fahrer muss mit entsprechender Vorwarnung, sei es visuell oder durch einen Warnton, aber dazu in der Lage sein, bei Bedarf wieder die Kontrolle zu übernehmen.

Orin-SoC nutzt Ampere-Architektur

Konkret wird Mercedes-Benz Drive AGX Orin in der Konfiguration mit einem Orin-SoC und einer Rechenleistung von 200 TOPS verwenden. Orin ist ein System-on-a-Chip mit 17 Milliarden Transistoren, das für die CPU zwölf Hercules- alias Cortex-A78-Kerne nutzt und bei der Grafikeinheit respektive für die KI-Beschleunigung auf die jüngst vorgestellte Ampere-Architektur setzt. Erste Samples von Orin sollen im kommenden Jahr ausgeliefert werden, 2022 soll die Plattform einsatzbereit sein. Nvidia sieht Konfigurationen mit bis zu zwei Orin-SoCs und zwei A100-GPUs mit 2.000 TOPS vor.

Nvidia Orin
Nvidia Orin (Bild: Nvidia)

2024 kommt auch das MB.OS

Bei Mercedes-Benz wird Drive AGX Orin aber erst 2024 seine Premiere feiern. Die Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie sind zwar bekanntermaßen extrem lang, doch ohnehin soll das passende Betriebssystem ebenfalls erst 2024 debütieren. Mit der heutigen Ankündigung von Nvidia als Partner für das automatisierte Fahren hat Mercedes-Benz bestätigt, dass das neue, für das gesamte Auto gedachte Betriebssystem MB.OS Hand in Hand mit der neuen Hardware-Plattform gehen wird.

Die Software definiert künftig das Auto

Software spielt im Auto eine immer wichtigere Rolle und wird zum entscheidenden Merkmal kommender Fahrzeuggenerationen. Mercedes-Benz spricht vom „Software-defined Car“, mit einer Hardware-Plattform, deren Fähigkeiten Mercedes-Benz und die Kunden über die Software anpassen können. Die Software-definierte Architektur sieht vor, moderne automatisierte Fahrfunktionen nach Level 2 und 3 auf regelmäßigen Strecken zu ermöglichen. Dabei ist mit Hilfe von Nvidia ein fortwährender Kreislauf aus dem Fahrerlebnis im Auto, der Auswertung und Verbesserung durch Mercedes-Benz sowie dem kontinuierlichem Training neuronaler Netze im Datacenter geplant.

Ein fortwährender Kreislauf der Verbesserungen ist geplant
Ein fortwährender Kreislauf der Verbesserungen ist geplant (Bild: Mercedes-Benz/Nvidia)

Denn Nvidia Drive ist mehr als nur die Hardware-Plattform, wie in diesem Fall Drive AGX Orin. Sie besteht auch aus Software wie Drive OS als Fundament der Zusatzsoftware, DriveWorks für den Sensor Abstraction Layer (SAL), den Sensor-Plugins, dem Datenrekorder, der Fahrzeug-I/O-Unterstützung und einem Deep-Neural-Network-Framework. Dazu kommen Drive AV für die Wahrnehmung, Kartografie und Planung sowie verschiedene KI-Modelle. Drive IX für die Kabineninnenraumsensorik ermöglicht darüber hinaus Fahrerüberwachungsfunktionen, Insassenüberwachungsfunktionen, AR-/VR-Visualisierungen sowie Interaktionen in natürlicher Sprache zwischen Fahrzeug und Insassen. Mit Drive Hyperion bietet Nvidia zudem eine Referenz-Architektur für Fahrzeuge an, während Drive Constellation simuliertes autonomes Fahren in einem geschlossenen Kreislauf testet, um Algorithmen zu validieren und verifizieren. Nvidia DGX bildet schließlich das Rechenzentrum für das Training neuronaler Netze.

Mit Software lässt sich Umsatz machen

Mercedes-Benz will über die neue Plattform weitere Sicherheits- und Komfortanwendungen zur Verfügung stellen. Es ist kein Geheimnis: Mercedes-Benz will künftig noch mehr mit Software-Updates Geld verdienen, das hat Daimler-Chef Ola Källenius zuletzt im Mai bekräftigt. Die neue Software-Plattform soll neue Geschäftsmodelle schaffen. Daimler will „softwarebasierte Geschäftschancen“ selbst wahrnehmen, anstatt dies Playern wie Apple und Google zu überlassen. Für cloudbasierte Over-the-Air-Updates prognostizierte Källenius eine wichtige Einnahmequelle für Daimler, die relativ schnell ein Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro erreichen könne. Bei der ab 2024 eingeführten Plattform sollen Kunden Software-Anwendungen und Abonnements mit OTA-Updates über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs kaufen und hinzufügen können.

Das erste Auto ist bereits ausgesucht

Welches Fahrzeugmodell im Jahr 2024 konkret das erste mit Nvidia Drive AGX Orin sein wird, ist bei Mercedes-Benz intern zwar bereits entschieden worden, für die Öffentlichkeit ist diese Information aber noch nicht vorgesehen. Das von Mercedes-Benz für die heutige Ankündigung gewählte Bild zeigt das Konzeptfahrzeug Vision EQS.

ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Mercedes-Benz und Nvidia unter NDA erhalten. Die einzige Vorgabe war der frühest mögliche Veröffentlichungszeitpunkt.