Intel Labs Day 2020: 1.000 ist nur eine Zahl

Volker Rißka
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Intel Labs Day 2020: 1.000 ist nur eine Zahl
Bild: Intel

Intels Forschungslabore haben zum Jahresausklang 2020 einen Blick hinter die Kulissen freigegeben. Die Jagd nach „1000x“ ist allgegenwärtig, denn in quasi unberührtem Territorium versprechen Forschung und Entwicklung massive Leistungssteigerungen oder Einsparungen beispielsweise beim Energiebedarf.

Mehr als 700 Wissenschaftler beschäftigt die Sparte Intel Labs, 500 von ihnen haben mindestens den Doktor-Titel. Die Abteilung sorgt im Schnitt für über 500 Patente im Jahr und über 100 mögliche reguläre Anwendungsfälle für die Zukunft aus mehr als 30 Bereichen und ist so eines der Aushängeschilder des Konzerns.

In den Zeiten der Probleme mit der Fertigung und auch ansonsten hier und da vermehrten negativen Schlagzeilen rückt Intel deshalb eines seiner Aushängeschilder in das Scheinwerferlicht und zeigt mit einem mehrstündigen Intel Labs Day 2020, was der Konzern als Zukunftsgebiete betrachtet. Natürlich geht ganz vorn mit das Thema Quantencomputer, aber auch das seit einigen Jahren bekannte Thema Neuromorphic Computing bis hin zur Aufgabe, in Zukunft doch elektrische Interconnects in Servern durch optische zu ersetzen, die Integrated Photonics.

Für die nächste Dekade stellt Intel in gewissen Bereichen 1.000-fache Verbesserungen in Aussicht. Klingt überdramatisiert, da viele Bereiche aber erst am Anfang stehen und noch nicht einmal in den Kinderschuhen stecken, ist das Potenzial riesig, sofern Durchbrüche gelingen und auch umgesetzt werden.

Integrated Photonics für Skalierbarkeit auf Chip-Ebene

Licht als Basis für Daten ist keine neue Erfindung, doch die Umsetzung in der IT bisher schwierig. Silicon Photonics brauchte Jahre bis zu Einsatzbereitschaft – geforscht wurde bei Intel Labs seit dem Jahre 2004 daran – auf den Erfahrungen wird nun an Interconnects gearbeitet, die nicht nur Server untereinander verbinden, sondern bereits zum Teil intern damit ausgestattet sind. Die Mischung aus optischer und klassischer CMOS-Technologie könnte sowohl die Kosten als auch den Energiebedarf massiv senken und die sich schnell nähernde I/O bandwith and power wall, die unendliche Skalierung nach oben verhindert, durchbrechen.

Dabei beginnt es bereits bei gewissen Bauteilen. Intel hat einen Micro-ring modulator entwickelt, der um mehr als den Faktor 1000 geschrumpft wurde und so ein Kernelement der zukünftigen Verwendung optischer Technologien darstellt. Denn klassische silicon modulators sind viel zu groß und zu teuer, müssten aber in Form von Hunderten verbaut werden, damit es funktioniert.

Das Proof of Concept von Intel legt nahe, dass Silicon Photonics in Zukunft auf dem Compute-Package, also dem Prozessor für Serverumgebungen, beispielsweise via Stacking integriert werden kann.

Lenovo & Mercedes-Benz treten Intels Neuromorphic-Forschung bei

Zwei Jahre nach dem Start der Intel Neuromorphic Research Community (INRC) ist sie auf über 100 Mitglieder angewachsen, fünf Jahre nach dem Start in dem Produktfeld. Zu den neuesten gehören Lenovo, Logitech, Mercedes-Benz und Prophesee, auf der Liste sind auch deutsche Universitäten vertreten.

Laut Intel hilft eine stetig wachsende Community, das Potenzial der neuen Art Computing freizuschalten, die die grundlegenden Züge eines menschlichen Gehirns adaptiert. Die Chips dafür werden lernfähig gestaltet, müssen aber nicht wie andere AI-Lösungen viel Zeit mit dem Training verbringen.

Es sind dann auch genau diese menschlichen Züge, mit denen die Testchips hervorragend umgehen können. Zu den neuesten Errungenschaften zählt die Spracherkennung, die auf Loihi genau so treffsicher war wie bei einer klassischen GPU, dabei aber bis zu 1.000-fach energieeffizienter und noch bis zu 200 Millisekunden schneller zu Werke geht. Mercedes-Benz sieht sich das genauer an, es könnte in Zukunft in Autos genutzt werden.

Auch Gestiken und Bilder erkennen die Loihi-Chips von Intel deutlich flotter und dabei viel sparsamer als klassische Lösungen. Als weitere Stärke wurden Constraint-Satisfaction-Probleme ausgemacht, die gegenüber klassischen CPUs über 1.000 Mal effizienter und auch noch 100 Mal schneller ablaufen könnten, wie Intel an einem Beispielvergleich von einer programmierbaren Drohne mit einem Papagei zeigte. Die Forschung zielt nun darauf, es irgendwann einmal so wie der Papagei zu machen.

Auch hier ist Software eine Baustelle, die ab dem kommenden Jahr noch mehr in den Fokus rücken wird. Im ersten Quartal 2021 soll ein Framework zur Verfügung stehen, das alle Bereiche abdecken soll.

Quantencomputer als Dauerbrenner-Thema für die kommenden Jahre

Auch beim Thema Quantencomputer hat Intel die Forschung in den letzten Jahren intensiviert, verspricht so doch eine der größten Errungenschaften für die nächste Dekade. Dabei gibt es jedoch noch so viele Baustellen, dass es nach wie vor Jahre dauern wird, bis die kommerzielle Nutzung auch nur in Reichweite kommen wird. Denn dafür sind Systeme mit Millionen qualitativ hochwertigen und möglichst langlebigen Qubits nötig, aktuell sind bis zu 50 Qubits die Regel. Auch die Ausmaße von den heutigen Geräten und „tausende Kabel“ für vergleichsweise geringe Leistung sind Hindernisse bei der Skalierbarkeit.

Problematisch dabei ist aktuell, dass es keinerlei Fehlerkorrekturen von außerhalb gibt. Die nur Sekunden lang lebenden Qubits sind extrem anfällig für jedweden äußeren Einfluss, weshalb Control Chips mit zusätzlichen Fertigkeiten besondere Aufgaben zukommen. Intel hat sein bisheriges Modell mit dem Codenamen Horse Ridge zu Horse Ridge II aufgewertet. Der 22-nm-Chip ist für Aufgaben bei einer Temperatur von 4 Kelvin ausgelegt, die von Intel genutzten Silicon Spin Qubits arbeiten mit rund 1 Kelvin und damit bei 50 Mal höheren Temperaturen, klassische Qubits aus supraleitenden Systemen müssen auf unter 20 mK herunter gekühlt werden, was die bekannten futuristischen Kühlkonstrukte nach sich zieht.

Am Ende benötigt es zudem nicht nur neue Testverfahren, sondern natürlich auch passende Software. Bei Quantencomputern ist nichts vergleichbar mit dem, was bei klassischen Computern genutzt wird. Es braucht deshalb völlig neue Ansätze. Doch ganz ohne klassische Lösungen wird es nicht gehen. Intel selbst sieht hybride Ansätze als eine Möglichkeit, bei der eine klassische CPU beispielsweise Randaufgaben übernimmt. Am Ende ist aber auch das nur ein Baustein für die unzähligen, die es beim Thema Quantencomputer noch zu bewältigen gibt.

ComputerBase wurde von Intel zum Intel Labs Day 2020 eingeladen, der in diesem Jahr rein online stattfand. Einige Informationen wurden vorab zur Verfügung gestellt, die Präsentationen erfolgten am frühen Abend unter NDA. Die einzige Vorgabe war der frühest mögliche Veröffentlichungszeitpunkt.