Neuer Bundesjustizminister: Quick Freeze statt Vorrats­datenspeicherung

Andreas Frischholz
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Neuer Bundesjustizminister: Quick Freeze statt Vorrats­datenspeicherung
Bild: Amit Patel | CC BY 2.0

Deutschland soll bei der Vorratsdatenspeicherung einen neuen Weg einschlagen, erklärt der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Interview mit der Berliner Morgenpost. Das entsprechende Gesetz soll angepasst werden.

Konkret sagte Buschmann, er wolle die Vorratsdatenspeicherung streichen. Sie verstoße gegen die Grundrechte und schränke die Freiheit der Bürger ein. Deswegen würden Gerichte die entsprechenden Gesetze auch regelmäßig stoppen. Aufgrund der unsicheren Rechtslage wurde die aktuelle Vorratsdatenspeicherung in Deutschland praktisch von Anfang an ausgesetzt.

Quick Freeze statt umfassendes Sammeln

Laut Buschmann sollen Daten künftig nur dann erfasst werden, wenn auch ein Anlass vorliegt. „Telekommunikationsanbieter sollen bei einem konkreten Anlass auf richterliche Anordnung hin schnell Daten sichern müssen, damit Polizei und Staatsanwaltschaft sie dann auswerten können“, so Buschmann. Gemeint ist damit im Kern das Quick-Freeze-Verfahren, das seit geraumer Zeit als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung diskutiert wird. Entsprechende Vorgaben finden sich auch im Koalitionsvertrag, auf den sich SPD, FDP und Grüne verständigt haben.

Als nächstes wird ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwartet. Zuletzt erfolgten die Schlussanträge, bei denen der Generalanwalt festhielt, dass sich „die Verpflichtung zu einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung auf eine große Vielzahl von Verkehrs- und Standortdaten erstrecke“. Dass die Zeitdauer der Speicherung begrenzt ist, reicht demnach nicht aus, um diesen Mangel zu begrenzen. Denn die allgemeine Speicherung wäre nur bei der Verteidigung der nationalen Sicherheit legitim, ansonsten müsse diese „selektiv erfolgen“.

Die Schlussanträge der Generalanwälte sind bei EuGH-Verfahren bedeutsam, aber nicht bindend. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

Telegram verfolgen

Im Interview mit der Berliner Morgenpost äußerte sich Buschmann auch erneut zu Telegram. In den letzten Wochen verstärkte sich ohnehin die Kritik an dem Messenger-Dienst, der mittlerweile eine der beliebtesten Plattformen für radikale Gruppierungen ist. So nutzten etwa Rechtspopulisten- und extremisten sowie Corona-Leugner den Dienst, um Inhalte in den öffentlichen Gruppen zu verbreiten.

Weil es über Telegram möglich ist, Nachrichten in öffentlichen Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern zu versenden, fällt der Dienst mittlerweile unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Somit gelten für Telegram dieselben Regeln wie für Facebook, Twitter und YouTube. Nach wie vor löscht die Betreiberfirma aber kaum Inhalte und reagiert auch nicht auf Kontaktversuche von deutschen Behörden. Vertreter der neuen Bundesregierung kündigten daher in den letzten Wochen ein schärferes Vorgehen an.

Buschmann setzt dabei unter anderem auf ein europäisches Vorgehen, um den Druck auf die Betreiber zu erhöhen. Außerdem will er bei den Werbeeinnahmen ansetzen. „Die Betreiber dürften also ein Interesse daran haben, weiterhin Zugang zum zahlungskräftigen europäischen Markt zu haben“, sagt Buschmann.

Ein verschärftes Vorgehen gegen Telegram sei aber kein Allheilmittel. „Radikale werden sich neue Wege und Plattformen suchen“, so der Justizminister. Sein Ministerium wolle daher Forschungsaufträge erteilen, um zu untersuchen, wie sich Menschen im Netz radikalisieren.