Vorratsdatenspeicherung: Vorläufiger Stopp durch die Bundesnetzagentur

Update Andreas Frischholz
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Vorratsdatenspeicherung: Vorläufiger Stopp durch die Bundesnetzagentur
Bild: Amit Patel | CC BY 2.0

Die Bundesnetzagentur stoppt die Vorratsdatenspeicherung, bis Gerichte ein finales Urteil gefällt haben. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Die Richter erklärten in der letzten Woche, die anlasslose Datensammlung wäre nicht mit dem EU-Recht vereinbar.

Das Urteil betraf zunächst nur den Münchner Provider SpaceNet, der in einem Eilverfahren geklagt hatte – für andere Provider hatte es keine direkten Auswirkungen. Mit dem Beschluss der Bundesnetzagentur ändert sich das aber: Die Regulierungsbehörde hat die Provider heute von der Pflicht befreit, ab dem 1. Juli die anlasslose Datenspeicherung umsetzen zu müssen.

Ausschlaggebend für diesen Schritt war das deutliche Urteil vom Oberverwaltungsgericht NRW. So heißt es in der Mitteilung der Behörde: Aufgrund der Entscheidung „und ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Begründung sieht die Bundesnetzagentur bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen“ ab. Das bedeutet: Providern drohen vorerst keine Bußgelder, wenn sie die Vorratsdatenspeicherung nicht umsetzen.

Gerichte entscheiden über Zukunft der Vorratsdatenspeicherung

Wie es um die Zukunft der Vorratsdatenspeicherung bestellt ist, entscheiden nun also die Gerichte. Ein Urteil im Hauptverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen steht noch aus, ebenso laufen die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Obwohl die Bundesregierung das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung bereits im Herbst 2015 beschlossen hatte, war der 1. Juli 2017 der Stichtag. Ab dann bestand offiziell die Speicherpflicht: Verkehrsdaten sollten die Provider zehn Wochen lang sammeln, die Standortdaten vier Wochen. Verbände wie der Eco und die Digitale Gesellschaft forderten aber schon seit geraumer Zeit ein Moratorium. Erst müsste geklärt werden, ob das deutsche Gesetz überhaupt mit dem EU-Recht vereinbar sei.

Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Dezember 2016 bestanden daran aber erhebliche Zweifel.

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Reaktion: Die großen Provider verzichten auf Speicherung

In den ersten Reaktionen begrüßen die großen Provider die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Auf Anfrage von ComputerBase erklärten sowohl die Deutsche Telekom als auch Telefónica, Unitymedia, 1&1 und Vodafone, vorerst auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten, bis die finalen Urteile gefällt sind.

Thomas Kremer, Telekom-Vorstand für Datenschutz, teilt in einer Stellungnahme mit: „Für so einen sensiblen Eingriff in Persönlichkeitsrechte muss Rechtssicherheit gegeben sein. Das haben wir von Anfang an betont.“ Genauso sieht es der Telefónica-Konzern, zu dem Anbieter wie O2 zählen. „Für Unternehmen und Verbraucher ist entscheidend, dass es mit Blick auf den Datenschutz einen klaren Rechtsrahmen gibt“, erklärte eine Sprecherin. Viele Fragen wären insbesondere nach dem EuGH-Urteil vom Dezember 2016 noch offen, die „muss der deutsche Gesetzgeber klären“.

Der Münchner Provider SpaceNet, der die Entscheidung der Bundesnetzagentur mit der Klage forciert hat, ist ebenso zufrieden. Es war absehbar, dass „das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung trotz vielfältiger Reparaturversuche wieder scheitern würde“, sagt der Vorstand Sebastian von Bomhard. Was man aber erwartet hätte, wäre „etwas mehr Weitsicht“ von der Bundesregierung. „Langwierige Prozesse hätte man sich sparen können“, so Bomhard.

Das betrifft auch Unitymedia, der Kabelnetzbetreiber begrüßt ebenfalls die schnelle Reaktion der Bundesnetzagentur. Die für die Vorratsdatenspeicherung benötigten Systeme werde man „nicht in den Normalbetrieb nehmen, bis die unsichere Rechtslage final geklärt ist“, so ein Sprecher.

Für Datenschützer und Netzaktivisten besteht politischer Handlungsbedarf

Bestätigt fühlen sich zudem noch Datenschützer und Netzaktivisten. Als „konsequent und richtig“ bezeichnet die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Und Volker Tripp von der Digitalen Gesellschaft sagt: „Nun sind Bundesregierung und Bundestag in der Pflicht, dieses offensichtlich grundrechtswidrige Gesetz aufzuheben.

Ob es allerdings in dieser Legislaturperiode noch zu der geforderten Grundsatzentscheidung kommt, ist fraglich. Bereits Anfang der Woche erklärte das Bundesjustizministerium auf Anfrage von ComputerBase, man wolle zunächst das Hauptverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen abwarten. Ebenso würde noch das Urteil vom Bundesverfassungsgericht ausstehen.

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