Kindle Scribe im Test: Fazit

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Michael Schäfer
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Amazons Scribe ist ein interessantes Konzept mit guter Hardwarebasis, das sich im Test am Ende allerdings in vielen Bereichen als nicht ausgereift erweist und noch viel Luft nach oben bietet.

Das beginnt bei der als Hauptfunktion beworbenen Stiftunterstützung: Das Schreibgefühl ist für ein E-Ink-Display sehr gut. Die Latenz befindet sich beim normalen Schreiben in etwa auf dem Niveau eines Tablets mit 60-Hz-Display, lediglich bei schnellen Bewegungen kommt die Darstellung nicht mehr hinterher. Der induktive Stift liegt dabei gut in der Hand, lediglich für die Funktionstaste ist die Position weniger optimal gewählt und anfällig für Fehlbetätigungen. Die fehlende oder extrem rudimentäre Druckempfindlichkeit (nur sehr starker Druck lässt Linien dicker werden) trübt diesen positiven Ersteindruck allerdings, unterschiedliche Strichdicken stehen derzeit effektiv nur über das Menü in fünf verschiedenen Abstufungen zur Verfügung. Das ist für einen Pen, den Amazon als „Premium-Stift“ bewirbt, zu wenig.

Als das zweite große Manko stellen sich die Notizfunktion und die Möglichkeit, Dokumente mit Kommentaren zu versehen, heraus. Dieses Unterfangen ist an vielen Stellen stark verbesserungswürdig. Das fängt mit der reinen Notizfunktion an, bei der entsprechende Vermerke als reiner Text eingegeben werden können, handschriftliche Notizen aber nicht in normalen Text umgewandelt werden. Auch der ausschließliche Export per E-Mail ist nicht optimal gewählt. Wenn ein Nutzer diese sofort sichern will, ist der Gang über einen Screenshot, bei dem die Notiz als PNG-Bild sofort vom Reader geladen werden kann, unter Umständen sogar der bessere Weg.

Bei PDF-Dokumenten, mit deren Bearbeitung Amazon auch wirbt, ist allein schon das Aufspielen auf den Reader ein Abenteuer für sich. Die schon immer mehr spärlich ausgefallene PDF-Unterstützung des Online-Händlers überträgt sich auch auf den Scribe. So müssen PDFs erst einmal per „Send to Kindle“ auf den Reader gebracht werden, einfach per USB aufgespielte Dateien lassen sich zwar darstellen, aber nicht handschriftlich bearbeiten. Exportieren lassen sich die Dokumente dagegen gar nicht. Auch hier wäre der Weg über den bereits beschriebenen Screenshot die einzige Möglichkeit – wenn auch dann eventuell mit mehreren Dateien.

Kindle Scribe im Test

Dass sich in normalen E-Books Notizen nur in einem separaten Fenster und nicht im Text direkt eingeben lassen, ist dagegen nachvollziehbar und dem Konstrukt des Formats zuzuschreiben. Hier könnte Amazon aber zumindest die entsprechende Markierung besser sichtbar gestalten.

Der Rest des Scribe rangiert auf der bereits von vielen Kindle-Geräten bekannten sehr guten Umsetzung. Das Display ist sehr hell und vor allem sehr gleichmäßig ausgeleuchtet – was bei der Größe und in der Qualität nicht unbedingt selbstverständlich ist. Auch die Verarbeitung des Readers ist sehr gut, lediglich die Rückseite hätte etwas rauer sein können.

Lesen lässt sich mit dem Scribe ebenfalls gewohnt sehr gut, wird sein für einen E-Book-Reader hohes Gewicht außer Acht gelassen. Die bisherigen Kindle-Lesegeräte dürften aber manchem Nutzer handlicher erscheinen.

Auf die von Amazon für den Scribe angebotene Hülle sollte jedoch verzichtet werden, der Reader sitzt darin nicht fest. Für einen wirklichen Erfolg der neuen Scribe-Serie wird sich Amazon also noch kräftig ins Zeug legen müssen, zumindest was die Software angeht. Ob die Druckempfindlichkeit des Stiftes auf diesem Weg ebenfalls nachgereicht werden kann, bleibt dagegen abzuwarten. Sollte der Hersteller die Problempunkte aber gelöst bekommen, wäre der Scribe jeden Cent seines Preises wert. Ob potenzielle Käufer aber das Risiko eines jetzigen Erwerbs verbunden mit der Hoffnung, dass Amazon entsprechende Updates liefen wird, eingehen, oder mit einem Kauf lieber warten sollen, bis genannte Funktionen nachgeliefert wurden, muss jeder für sich entscheiden.

Amazon Scribe (16 GB)
Produktgruppe E-Book-Reader, 29.12.2022
  • Darstellung
    ++
  • Bedienung
    O
  • Verarbeitung
    ++
  • großes Display
  • gute Darstellung
  • helle und gute Ausleuchtung
  • Stifteingabe
  • Import von PDF-Dateien zur Bearbeitung umständlich
  • Umständlicher Export von Notizen
  • Kein Export von PDF-Dateien möglich

ComputerBase wurde der Kindle Scribe leihweise von Amazon für den Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

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