Update zu Project Silica: Microsofts Cloud-Speicher der Zukunft setzt auf Glas

Update Michael Günsch
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Update zu Project Silica: Microsofts Cloud-Speicher der Zukunft setzt auf Glas
Bild: Microsoft

Nach Jahren der Forschung liefert Microsoft Research wieder ein Lebenszeichen vom gläsernen „Superman-Speicher“ alias Project Silica. Die Speicherkapazität pro Glasplatte wurde inzwischen deutlich erhöht. Zudem gibt es konkretere Methoden für den Einsatz im Rechenzentrum der Zukunft.

Vor fast vier Jahren hatte ComputerBase über Project Silica erstmals berichtet. Seinerzeit wurden die auf Quarzglas basierenden Datenträger als „Superman-Speicher“ betitelt, denn im ersten „Proof-of-Concept-Test“ wurde der Filmklassiker Superman auf Glas gebannt. Auf dem 75 × 75 × 2 mm messenden Stück Quarzglas, das in etwa der Fläche eines Getränke-Untersetzers entspricht, wurden seinerzeit 75,6 GB Daten plus Fehlerredundanzcodes untergebracht. Von über 1.000 Jahren Datenerhalt auf dem einmalig beschreibbaren Archivspeicher war die Rede.

Der aktuelle Stand bei Project Silica

Diesen Herbst meldet sich Microsoft mit einem neuen Blogpost zurück. Die Forschung ist jetzt schon einige Schritte weiter, sodass etwa die Speicherkapazität pro Glasscheibe auf mehrere Terabyte gesteigert werden konnte. Anfangs sei das mit einem Laser durchgeführte Schreibverfahren schlicht ineffizient gewesen, heißt es nun. Mit dem mittlerweile deutlich verbesserten Laser-Schreibverfahren sollen die Daten zudem nun 10.000 Jahre vorgehalten werden – auch dies ist natürlich nur eine Prognose der Forscher.

Immerhin könne ein Glasdatenträger nun etwa 3.500 Filme oder 1,75 Millionen Musikstücke speichern, behauptet Microsoft. Dank KI-Technik (Azure AI) zur Dekodierung könnten die Daten jetzt auch schneller gelesen und geschrieben werden, heißt es weiter. Hier habe man mit den Kollegen der Cloud-Speicher-Sparte Microsoft Azure zusammengearbeitet. Langfristig ist auch angedacht, dass der gläserne Archivspeicher in Cloud-Rechenzentren zum Einsatz kommt.

Einfaches Glas, kompliziertes Drumherum

Während der Datenträger an sich als simple Quarzglasscheibe weitaus weniger komplex als andere Massenspeicher wie Festplatten (HDD) oder SSDs ist, ist das einmalige Beschreiben und anschließende Auslesen der Daten durchaus mit Aufwand verbunden. Microsoft beschreibt die vier Schritte zur Datenverarbeitung wie folgt:

  1. Zunächst werden die Daten mit einem „ultraschnellen Femtosekundenlaser“ in das Glas geschrieben. Die Glasstruktur wird durch den Laser dabei so verändert, dass winzige dreidimensionale Pixel (Voxel) entstehen, die wiederum die Informationen abbilden.
  2. Um die Daten wieder abzurufen, wird ein computergesteuertes Mikroskop eingesetzt, das in schnellen Bewegungen über den Datenträger geführt wird.
  3. KI-Software (Azure AI) hilft anschließend dabei, den gelesenen Code in nutzbare Informationen umzuwandeln.
  4. Eine Robotereinheit organisiert die Datenträger in einer Bibliothek, greift bei Bedarf die jeweilige Glasscheibe heraus und bringt diese zum Lesegerät.

So einiges erinnert dabei an Bandspeicher, der teilweise auch in großen Bibliotheken (Tape-Library) organisiert wird, bei denen Roboter das gewünschte Tape dann zum Lesegerät bugsieren. Die Bibliothek aus Glasplatten spare aber noch einmal deutlich mehr Platz ein.

Nachhaltig, da passiv

Während HDDs und SSDs in großen Serverschränken ständig mit Strom versorgt und gekühlt werden müssen, können solche passiven Datenträger viel Energie und Infrastruktur einsparen. Im Falle des gläsernen Speichers wird nur zum Schreiben, Lesen und den Transport der Scheiben via Roboter Energie benötigt. Ansonsten liegen die Daten in Glas gebannt einfach nur auf Lager. Microsoft spricht daher von „langlebig, nachhaltig und kosteneffektiv“.

Langsamer Einweg-Speicher

Worauf der Blogpost nicht eingeht, sind die Nachteile einer solchen passiven Speichertechnik. Durch die Transportwege und das aufwendige Schreib/Leseverfahren sind keine schnellen Dateizugriffe möglich. Für häufig genutzte Daten wie etwa für Anwendungen ist die Technik damit ungeeignet. Zudem können die Datenträger nur einmalig beschrieben werden.

Noch lange nicht marktreif

Die Forscher sind ehrlich und sagen selbst, dass der Massenspeicher aus Glas noch lange nicht fertig ist und voraussichtlich noch drei bis vier weitere Entwicklungsstadien nötig werden, bevor die Technik kommerziell eingesetzt werden könne.

Update

Einen gläsernen Datenspeicher mit viel mehr Speicherkapazität und bedeutend längerem Datenerhalt hatten Forscher der University Southampton vor gut 7 Jahren mit ihrem 5D Optical Storage beschrieben. Seitdem gab es aber keine neuen Berichte zu diesem Projekt.