Atari 2600+ im Test: Kleiner Geniestreich und dennoch nicht perfekt
Die Neuauflage des Atari VCS kann großen Spaß machen, wobei sich die Unterstützung von Originalmodulen als Geniestreich erweisen könnte – zumindest wenn genügend Titel neu aufgelegt werden. Der Verzicht auf die native Unterstützung von ROM-Dateien und weiteren Einstellungsmöglichkeiten dürfte aber manchen Retro-Fan verprellen.
Miniaturisierte Neuauflage
In seiner äußerlichen Gestaltung setzt die als Atari 2600+ bezeichnete und für 120 Euro erhältliche Neuauflage der legendären 8-Bit-Spielekonsole nicht auf das 1977 zunächst nur in den USA veröffentlichte und schließlich 1979 auch hierzulande erschienene Original des Atari VCS, sondern auf die 1981 freigegebene revisionierte Ausgabe mit lediglich vier Schaltern in Front. Bei der Größe müssen jedoch Abstriche gemacht werden, das sie nur noch 80 Prozent des Originals beträgt.
Über die genannten Schalter lässt sich die Konsole einschalten, wie beim Original der TV-Typ (Color, SW) sowie die jeweilige Spielvariante wählen und das Spiel auf Wunsch neu starten. Die Schalter sind dabei stabil gefertigt, wobei der Einschaltknopf etwas leichtgängiger hätte sein können. Zwischen diesen befindet sich der Einschub für die Spielemodule, der nicht nur angedeutet, sondern vollkommen funktionsfähig ist und über den das System mit den benötigten Inhalten versorgt wird.
Die beiden beim Original sich ebenfalls in Front befindlichen Schalter für den Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Spieles sind dagegen wie bei der 1981er-Version auf die Rückseite der Konsole gewandert. Dort sind auch die bekannten und bei zahlreichen Computern verwendeten 9-poligen Peripherie-Anschlüsse für Joysticks, Paddle-Controllers oder andere Geräte platziert. Dem Set liegen jeweils eine Nachbildung des bekannten Joysticks und zwei Paddles bei, deren Bezeichnungen (CX40 und CX30) übernommen und lediglich mit einem „+“ versehen wurden. Warum von letzteren zwei, dafür aber nur ein Joystick beigelegt ist, lässt sich zumindest ansatzweise deuten: So werden die beiden Drehregler über einen einzigen Port angeschlossen, was damit zu tun haben könnte, dass diese Controller-Art nur jeweils eine Achse anspricht und beide sie sich somit aufteilen – der eine Controller die X-, der andere die Y-Achse. Theoretisch könnten somit vier dieser Paddles gleichzeitig verwendet werden – sofern das vom jeweiligen Spiel unterstützt wird.
Auf Wunsch können weitere Steuergeräte optional erworben werden, der CX40+ wird separat für 23 Euro und zwei weitere Paddles für 35 Euro angeboten. Ein Nachbau des mit dem Atari 7800 ausgelieferten Gamepads ist ebenfalls angedacht.
Die Geschichte von Atari beginnt wie die vieler kleiner IT-Start-ups, die in dieser Zeit aus dem Boden sprießen. Anfänglich hört das junge Unternehmen, das zu dieser Zeit sein Auskommen mit der Vermietung von Flipper- und anderen Spielautomaten bestreitet, noch auf den Namen „Syzygy“ und Gründer Nolan Bushnell gehört den Erzählungen nach eher zu dem Firmen-Chefs, die lieber im „Black Sabbath“-Shirt als im Anzug ihr Tagwerk verrichten. Da die Anzahl der Mitarbeiter nur sehr langsam stieg, musste anfänglich an vielen Stellen improvisiert werden: So bestand unter anderem das Sekretariat aus Nolans Babysitterin, die nach der Schule im Büro in Santa Clara, Kalifornien, vorbeischaute und den täglichen Papierkram erledigte.
Für die erste Berührung zwischen Nolan und Videospielen sorgte die Arbeit des aus Deutschland stammenden Ralph Baer, der von den meisten Experten als der eigentliche Urvater der Video-Spiele angesehen wird. Dieser schuf bereits 1968 mit seiner „Brown-Box“ ein Spiel, bei dem ein auf einem Monitor dargestellter Punkt zwischen zwei Balken hin und her geschlagen werden konnte. Wofür heute zu integrierten Schaltungen gegriffen werden würde, war Baer gezwungen, seine Idee mit zahlreichen diskreten Schaltungen umzusetzen, da sie den damaligen Stand der Technik widerspiegelten. Im Zuge dieser Arbeit erschien über Umwege 1972 die Spielekonsole Odyssey von Magnavox – unter anderem mit einem auf der Brown-Box basierenden Game. Bushnell sah die Konsole bei einer Vorführung und wollte genau so etwas als ein Automatenspiel für Atari.
Atari schreibt Geschichte
Um den 1972 fertig- und in einer kleinen Kneipe in Sunnyvale aufgestellten Prototyp dieses Automaten ranken sich zahlreiche Legenden, die sich Computerspiel-Veteranen nachts an virtuellen Lagerfeuern erzählen. So soll Atari eines Tages einen Anruf erhalten haben, dass mit dem Automaten angeblich etwas nicht stimmen soll, da dieser ständig abstürzen würde. Bei einer näheren Untersuchung soll sich schnell herausgestellt haben, dass der Münzbehälter in Form eines kleinen Weidenkorbs übergelaufen war, sich die Münzen bereits im ganzen Gehäuse verteilt und dadurch Kurzschlüsse ausgelöst haben. In Wirklichkeit war es zwar ein wenig anders, dennoch hatte der Automat nach rund einer Woche bereits 100 US-Dollar eingespielt. Das veranlasste Bushnell dazu, das Spiel, das ihn an Ping Pong erinnert, zukünftig als Pong selber zu vermarkten und Multimillionär zu werden. Der Erfolg von Pong stellte somit die Basis für alles dar, was Atari in den nächsten Jahren noch erreichen sollte.
Inwieweit die Steuereinheiten den Originalen entsprechen, kann an dieser Stelle nicht genau beschrieben werden. Neue Controller für den VCS dürften dieser Tage rar gesät sein und eine neue Nachbildung lässt sich nur schwer mit einem „abgenudelten“ Exemplar vergleichen. Wer jedoch das Original bereits einmal in der Hand gehabt hat, dem wird auch die Neuauflage vertraut erscheinen. Das fängt beim Gummiüberzug des Sticks an und endet in der leichten Trägheit, die das Original aufgrund der verbauten einfachen Technik ausgemacht hat. Von der Reaktionsfähigkeit eines späteren Competition Pro war der Atari-Joystick somit weit entfernt.