Leserartikel 3D am Computer - die vergessene Technik

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3D am Computer - das kennt man doch und ist ein alter Hut. Die Grafikkarte berechnet ein 3D Modell der Umgebung und bannt es dann als 2D auf den Bildschirm.
Aber, was ist mit richtigen 3D? Welche Technik gibt es da? Dies wird in diesem Artikel behandelt.

Während auf dem Bildschirm nur ein 2D Modell ist, das zusammen mit dem Gehirn eine 3D Umgebung simuliert, hat sich eine weitere Variante nie durchgesetzt: Brillen.


Inhalt:
  • Einführung
  • Varianten
  • Elsa
  • ASUS
  • Rot/Blau Brille
  • Autostereoskopische Technik
  • Paintball
  • Impressionen


Einführung

Damit das Gehirn seine Umgebung als 3D ansieht, benötigt es mehrere Grundvorrausetzungen.
So können z.B. Perspektiven genutzt werden, das bedeutet das man ein Objekt nicht nur strikt von vorne sieht, sondern auch eine Tiefe simuliert wird. Dazu zeigt man dieses etwas schräg, und nutzt auch ein spitzes zulaufen von Linien im Raum.
Auch hilft es, Modelle zu verdecken. Zeige ich Figuren alle nebeneinander, wirkt es, als wenn alles auf einer Ebene ist. Zusätzlich werden weiter entfernte Objekte kleiner dargestellt, als sie es tatsächlich sind.
Dann kommt der Schatten, damit der User eine Orientierung zwecks des Bodens hat. Eine gewisse Unschärfe, allgemein als Bokeh oder Depth of Field (DoF) bekannt, hilft zusätzlich, die einzelnen Bildbereich zu trennen. Während dass verdecken von Personen oder Gegenständen schon in den ersten Ego Shootern genutzt wurde, kam das DoF erst mit dem T-Buffer in der Voodoo 4/5 auf. Dabei wird mit Hilfe des Z-Buffer (wichtig für den Abstand Nutzer/Objekt und ob Modelle verdeckt werden) weiter entfernte Modelle unscharf gezeichnet.

3D Vers. 1.2.jpg


Als nächster Schritt kommt die Geräuschkulisse.
Im Alltag kommt den Geräuschen eine große Bedeutung zu, man kann die Quellen orten, ohne sie sehen zu müssen und kann ebenfalls abschätzen, wie weit das Objekt von uns entfernt ist.
Am PC können wir im einfachsten Fall links und rechts, bis hin zu hinter jemanden, aber z.B. weiter entfernt und damit leiser, oder vor dem User und relativ nah unterscheiden. Dafür setzt man 2.0 bis 7.1 Soundsysteme ein.
Voila, fertig sind die ersten Eindrücke und der Gamer kann sich jetzt schon besser orientieren.
Um nicht nur einfache 3D Effekte auf dem Monitor zu erhalten, braucht es die Augen. Diese haben einen Abstand zueinander, um ein richtiges 3D Objekt aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Dies kann auf der 2D Mattscheibe natürlich nicht funktionieren, also kommt der letzte Schritt, am PC Monitor: die 3D Brille.


Varianten

Es gibt hier mehrere Varianten, die Stück für Stück erklärt werden:
  • Brille mit zwei Gläsern, die sich abwechselnd verdunkeln (Elsa u. Asus)
  • Eine Brille mit einem roten und einem grünen Glas
  • Ein 3D fähiger Monitor, ohne Brille (Switch oder Smartphone z.B.)
  • Paintball in der Realität

Elsa ASUS animiert.gif


Elsa

Schon Elsa hat Ende der 90er Jahre eine Version verkauft, zusammen mit einer Riva TNT 2 Karte oder höher.
Damit gehörten Sie zu den Pionieren, im aufkeimenden Markt der 3D fähigen Spiele. Denn nach und nach füllten sich die Welten mit echten 3D Objekten. Die ersten Spiele nutzten noch Zwei Dimensionale Objekte, die sich dem Betrachter einfach nur zu drehen, doch mit Ultima IX und anderen Vorreitern wurden auch große Spielwelten mit echten Objekten gefüllt.

Elsa 3D Grafikkarte 2021-05-27 (7-1).jpg


Für den nächsten Schritt machte man sich in Aachen Gedanken: wie verbessere ich das Mitten-Drin-Gefühl.
Heraus kam eine Stylische Brille, versorgt mit Knopfzellen, gesteuert per Infrarot. Damit die Brille nicht dauerhaft eingeschaltet ist, befindet sich am rechten Bügel ein Schalter, der aktiviert wird, sobald man diese aufsetzt. Ab hier ist die Brille empfangsbereit und der Spaß kann losgehen.

Buegel ohne Schalter Links.jpg
Buegel Schalter Rechts.jpg


Zu der Karte gehört ein kurzes Adapterkabel, welches das VGA Signal durchschleift und einen Anschluss für die Sende-Einheit bietet.
Es existiert natürlich auch eine Variante, die Kabelgebunden ist, wobei die Infrarot Version eindeutig überlegen ist, da hier bis zu 8(!) Brillen angesteuert werden können. Außerdem ist die Bewegungsfreiheit nicht so stark eingeschränkt.
Nachteil ist, dass das Kunststoffglas um die Shutterelemente doch sehr stark spiegelt und auch Brillenträger werden hier nicht glücklich, Abhilfe schaffen nur Kontaktlinsen.
Da die Elsa keinen proprietären Anschluss nutzt, kann sie auch an anderen nVidia Grafikkarten genutzt werden, sofern ein Elsa eigener Treiber verwendet wird.

ASUS

Kommen wir zur Asus Version, die Kabelgebunden ist und über einen proprietären Stecker verfügt.
Während Elsa wie Catwoman daher geschlichen kommt: katzenhaft - schön - unaufdringlich, ist die Asus eher die Robin Maske: breit – schwarz – klobig und viel zu groß

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Catwoman 02.jpg

Quelle: Batman und Robin Serie der 60er, Batman - The Dark Knight Rises

Als Brillenträger könnte man sie theoretisch tragen, aber, wenn die Nase nicht gerade anziehend ist, rutscht die Brille schnell runter, Abhilfe könnten Gummis oder Bänder schaffen, die hinten über den Kopf laufen.
Auch ein Ausweichen auf andere Grafikkartenhersteller oder selbst bei Asus eigenen Designs standen dem Klinkenstecker der Brille im Weg. Benutzerfreundlich geht anders.

3D Brillen (4).JPG


Beide Designs fußen auf der Shuttertechnik, hierbei wird abwechselnd ein Glas abgedunkelt und im Gehirn entsteht der Eindruck, der 3-dimensionalen Tiefe.
Um Kopfschmerzen vorzubeugen, muss die Bildwiederholfrequenz des Monitors extrem hoch sein, 120 Hz, besser 150 müssen es schon sein, da pro Auge nur noch die Hälfte zur Verfügung steht. Zusammen mit den nötigen FPS, für einen flüssigen Spielablauf wurden der Technik somit hohe Hürden aufgezwungen, was es zu einem Kostspieligen Vergnügen machte.


Funktion Gif.gif


Rot Grün oder Rot Blau

Eine weitere Variante sind Rot/Grün oder Rot/Blau Brillen, die einfach ein Teil des sichtbaren Lichtes verschlucken.
Anaglyphen 3D nennt sich dieses Verfahren, mit dem wohl schon jeder mal in Berührung gekommen ist. Seien es Dinosaurier Bilder in Kinderzeitschriften oder auch Filme fürs Fernsehen.
Es ist dabei das älteste System, das 1853 von Wilhelm Rollmann erfunden wurde.
Außer ein paar Abstecher im TV und bei Minecraft wurde diese Technik aber nicht weiterverfolgt.

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Der Räumliche Eindruck entsteht durch zwei versetzte Bilder, wobei eines rot ist und das andere blau. Ohne Brille hat man das Gefühl, das die Kamera beim Knipsen verwackelt ist.
Das rote Bild bildet hierbei die obere Ebene, die, z.B. mit dem Radierer in Gimp, leicht durchsichtig ist und auf der blauen aufliegt.
Rot lässt das Blau als Schwarz oder sehr dunkel wirken, so dass das linke Auge wirklich nur das rote sieht und umgekehrt. Im Gehirn werden aus den zwei Perspektiven dann das 3D Bild erstellt.
Ein großer Nachteil ist, dass der Vordergrund zwar schön in 3D ist, beim Hintergrund sind dagegen die Perspektiven schon zu weit auseinander, so dass es eher störend ist.
Auch kann durch eine falsche Kamerapositionierung der 3D Effekt völlig zerstört werden, obwohl man im Hintergrund kaum einen Unterschied erkennt.

3D:
Rot/Blau
Rot Gruen Blau Vers. 1-1.jpg


Rot/Gruen
Rot Gruen Blau Vers. 1-2.jpg


Rot/Blau
Rot Gruen Blau Vers. 2-1.jpg


Rot/Gruen
Rot Gruen Blau Vers. 2-2.jpg

Meine Versuchsbilder wurden mit dem Smartphone geschossen, wobei jeweils ein Glasfilter in Rot, Blau oder Grün vorgehalten wurde.

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Autostereoskopisches Verfahren

Eine weitere Variante ist das Autostereoskopische Verfahren. Beim Aufnehmen werden auch hier zwei Kameras genutzt, die leicht auseinander liegen.
Durch eine Streifenmaske, die vor dem Bildschirm „schwebt“, sieht das linke Auge, nicht das, was das rechte Auge sieht. Die seitliche, also horizontale Auflösung sinkt aber auf die Hälfte.

Autostereoskopisch 01.jpg


Viel Bewegungsfreiheit wird dem Kopf hier nicht gewährt und auch das Scharfstellen auf einen Nahen Gegenstand (das Display) obwohl man in die Ferne sieht (das eigentliche Bild) führt zu Irritationen und möglicherweise Kopfschmerzen.
Der Umsatzstärkste Vertreter ist hier Nintendo, mit dem 3DS, während es hTC und LG beim Smartphone versuchten. Letztere stellten die mir einzigen, bekannten Versuche im Mobile Bereich dar.

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Hätte man die Technik 3 – 4 Jahre später, mit entsprechend entwickelter Kameratechnik, auf den Markt gebracht, hätte es, in meinen Augen, auch eine breitere Öffentlichkeit interessiert.

Dieser Anblick, würde in 3D auf dem Smartphone ein ganz anderes Gefühl erzeugen, als dieses flache Bild (bin mir jetzt nicht sicher, ob das 120 oder 140m Höhe sind):
IMG_2091-1.JPG


Auszüge aus einem Video, aufgenommen mit dem LG Optimus 3D:
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Paintball

Warum Paintball? Es gibt nichts Besseres als die Realität, also nutzt das Wochenende und geht raus, erfreut euch an der realen 3D Welt und lächelt, auch wenn Ihr mal fluchen könntet.


Dieser Artikel umfasst natürlich nur einen kleinen Teil, der langen 3D Geschichte, ich hoffe, er hat euch trotzdem gefallen.


Impressionen:

Elsa 3D Grafikkarte 2021-05-27 (11-1).JPG


Elsa 3D Grafikkarte 2021-05-27 (16).JPG


Elsa 3D Brille (2-1).JPG


Elsa 3D Brille (5-1).JPG


Elsa 3D 2021-05-25 (30-1).JPG
 
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es fehlt eine wichtige technik: der kasten bier :D

xentar3d.png


aus der anleitung von "knights of xentar"
 
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Wobei tatsächlich noch ein Verfahren fehlt das zumindest bei einem Spiel zu Einsatz kam: Stereogram

Magic Carpet hatte einen Modus der auf den ersten Blick aussah wie Bildstörung... wenn man sich drauf konzentrierte hatte man aber ne 3D Abbildung ;-) war aber eher ein technisches Gimmick als das man wirklich so zocken konnte...

Das Spiel hatte aber auch einen Rot-Blau Modus und die passende Brille lag bei.
 
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Ich habe die ASUS Version damals mit der GeForce 4Ti 4200 erhalten und so weit wie ich mich erinnere hab ich sie aber nie wirklich eingesetzt.

Ein sehr sehr schöner Artikel, wie immer eine fantastische Arbeit, vielen Dank dafür. 😊
 
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Hab gerade das He-178 Foto gesehen...

andi_sco schrieb:
Gerade gesehen: das Foto wurde mit dem Handy LG Optimus 3D aufgenommen
.. und mir gedacht. "Hey, das wäre doch auch mal einen Artikel wert".
Zack, da war er schon längst fertig.

Wie machst du das nur? Danke sehr dafür!

Ich hab übrigens noch'n LG 3D Tv.
Naja, sagen wir es mal so. Am Anfang recht häufig genutzt.
Jetzt zu 99,99% nicht.
Meist kommt der 3D Effekt nicht rüber* und in den ersten Minuten plagt mich noch etwas die Übelkeit.
(* außer in "Gravity", die Szene mit dem fliegenden Tropfen. Der kam wirklich in die Stube ;) )

Die meisten Spiele unterstützen es nicht nativ und über die Treiber geht es nur bei Nvidia, soweit ich weiß.
 
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Butterhützchen schrieb:
Wie machst du das nur?
War schon länger geplant und noch länger in Vergessenheit geraten. Bis ich wieder durch das Heinkel Foto dran erinnert wurde😁

Also nochmal schnell die Brillen rausgekramt und geschaut, wie ich ein Rot/Blau Foto aufnehmen muss. Denn das ist wirklich erst Gestern Abend entstanden.
 
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Der Computer Club des WDR hat sich 1987 auch mal mit dem Thema beschäftigt:
 
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@andi_sco nettes video, interessant auch die vorstellung einer powerline-lösung aus 1987 mit "rasanten" 9600 baud anstatt der standard 2400 baud :D
 
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Sehr cooler Artikel! Danke Dir dafür!

Das lässt direkt die Idee für ein Projekt aufkommen.
Ich habe mir mit einem Kollegen die OAK-D Lite bestellt (1 Farbkamera, 2 Grauwertkameras als Stereopaar). Wenn ich das richtig verstanden habe, müsste ich für eine Rot/Blau-Ansicht im Prinzip die beiden Bilder der Grauwertkameras färben und übereinander legen. Oder ich nehme zwei mal das Farbbild, verschiebe die Ansicht anhand der Tiefeninformation und färbe ein. Kann das so funktionieren?
@andi_sco du hast für die Aufnahme im Prinzip nur die Kamera um ein paar cm verschoben, um die zwei Perspektiven für die einzelnen Augen zu bekommen, korrekt?

Ergänzung ()

0x8100 schrieb:
ausgiebig getestet, funktioniert jedes mal!
 
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Ja, die Kamera ist leicht verschoben, um den Abstand der Augen zu simulieren.

Und weil ich faul war, habe ich jeweils einen Farbfilter vor die Kamera gehalten. So erspare ich mir die Nachbearbeitung in Gimp.

Wichtig ist, zu experimentieren, also ruhig mal nur ein wenig zu verschieben und lieber ein Foto zuviel zu machen.
Und am besten ein neutraler Hintergrund. In meinem Beispiel ist der störend, da er nichts zum 3D Effekt beiträgt, trotz Verschiebung.
 
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Ja, so 7 bis 10cm sind meist ganz gut für so Fotos (also etwa das was wir auch als Augenabstand haben). Hab damit auch schon mal experimenteiert, mit nem Stativ und einem quer montierten Macro-Schlitten ;-)
 
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Vergessene Technik?
Mein Hauptmonitor und ein Weiterer können immer noch 3D Vision und die passenden Brillen liegen im Schrank.
Den 3D Treiber kann man noch nachträglich installieren und los gehts.
Tatsächlich ne geile Sache für Spiele, auf die man herunterschaut (Iso) zb Spiele wie Diablo 3 oder Starcraft 2.
Sobald es um Ego Perspektive geht ist die VR Brille immer meilenweit voraus.
 
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andi_sco schrieb:
Je nach Abstand vom Objekt.
Jepp, die 10cm sind eher für Landschaftsaufnahmen. Für nahe Objekte eher die 7cm oder sogar weniger.
 
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