Spore im Test: Von der Ursuppe bis in den Weltraum

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Sasan Abdi
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Spore auf einen Blick

Die Hauptfrage, mit der sich auch die Entwickler von „Spore“ lange beschäftigt haben dürften, geht dahin, wie man einen hochkomplexen und langwierigen Vorgang auf ein PC-Spiel übertragen kann, ohne dabei zu stark zu vereinfachen, aber auch ohne gleich zu Beginn Langeweile aufkommen zu lassen. Zunächst liegt es dabei nahe, den inhaltlichen Ablauf in die einzelnen, großen Entwicklungsstadien, die die Evolution auf der Erde durchlaufen hat, aufzuteilen. Genau dies tut „Spore“.

So übernimmt der Spieler zunächst die Kontrolle über einen Einzeller, der in der Ursuppe schwimmend um das nackte Überleben kämpft. Bereits an dieser Stelle muss der Spieler, der durch sein Handeln in den folgenden Stunden über das Auf und Ab in der Entwicklung seiner Kreatur im „Survival of the Fittest“ bestimmen wird, wichtige Entscheidung treffen, indem er sich für einen Pflanzen- oder Fleischfresser entscheidet. Auch wenn prinzipiell immer Richtungswechsel im Auftreten der eigenen Kreatur möglich sind, fällt hier in der Regel auch schon eine Entscheidung für die kommenden Epochen, da Fleischfresser sich in späteren Phasen höchstwahrscheinlich eher kriegerisch denn friedlich-wirtschaftlich verhalten werden.

Der „Spore“-Editor im Einsatz beim Gestalten des eigenen Rathauses

Neben der Wahl einer Ernährungsrichtung kommt an dieser Stelle auch gleich eines der interessantesten Features von „Spore“ zum Einsatz: Der Editor (siehe Bilderreihe oben und unten). Mit diesem ist es im gesamten Spiel immer wieder möglich, die eigenen Einheiten und Gebäude individuell zu gestalten. Dieses „Gestalten“ bezieht sich tatsächlich auf alles, was die eigenen Einheiten ausmacht. Je nach Evolutionsphase können verschiedene Grundformen und Haltungen, Extremitäten, Münder, Augen, Ohren und sonstige Körperteile ausgewählt und in verschiedenen Größen und Formen verwendet werden. Überdies ist es möglich, aus einer Vielzahl an Körperschmuck auszuwählen, Fahrzeuge bis ins Detail hinein zu gestalten und die Gebäude der eigenen Zivilisation von der Grundform bis zur Wahl der Fenster zu entwerfen. Zusammengenommen bietet der Editor auch aufgrund seiner gelungenen, schnell erschlossenen Bedienung eine riesige Gestaltungsvielfalt, die dazu führt, dass man allein beim Entwickeln der äußeren Merkmale insgesamt einige Stunden im Editor zubringen kann.

Vom Nackedei zum Stammeskrieger: Mit dem „Spore“-Editor kein Problem

In der Zellen-Phase bedeutet dies, dass zunächst der Einzeller entworfen werden muss. Da es sich bei dem Wesen noch um eine primitive Lebensform handelt, halten sich die Möglichkeiten, mit der die eigene Kreatur gestaltet werden kann, zunächst in Grenzen. So verfügt die erste Version nur über einen frei wählbaren Rumpf sowie rudimentäre Werkzeuge zur Nahrungsgewinnung. Letztere müssen dann auch gleich genutzt werden, denn in der Ursuppe überlebt nur derjenige, der schnell frisst, ohne sich dabei fressen zu lassen. Auf diesem Weg lässt sich der lange Fortschrittsbalken im unteren Teil des Bildschirms füllen, der neben dem vollen Status und dem damit verbundenen Sprung in eine neue Epoche auch einige Zwischenstationen aufweist, bei der die eigene Spezies physisch größer wird und weitere Körperteile zugewiesen bekommen kann. In unserem Test entschieden wir uns für einen Fleischfresser, mit dem wir auch gleich auf die Jagd gingen. Neben schmackhaften Beuteobjekten schwirren in der „Spore“-Ursuppe auch zahlreiche andere Räuber durch die Gegend, die mit ihren verschiedenen Größen entweder ins eigene Beuteschema passen oder aber schnell zu einem Problem werden können. Mit Blick auf diesen Umstand gelingt den Machern von „Spore“ ein wirklich spannender Einstieg: Man ist Jäger und zugleich Gejagter, muss fressen, dabei aber stets nervös Ausschau nach gefährlichen, größeren Fleischfressern halten. Außerdem muss vor jedem Angriff auf ein potentielles Opfer abgewogen werden, ob es die eigene Kreatur tatsächlich mit ihm aufnehmen kann oder eventuell plötzlich selbst Gefahr läuft, gefressen zu werden, denn auch die klassischen Beutetiere, also reine Pflanzenfresser, haben es in der Ursuppe in sich. So haben sich diese in der Regel hin zu wandelnden Festungen entwickelt, die mit Giftpickeln und diversen Zacken nicht gerade leicht zu knacken sind.

Leben in der Ursuppe von „Spore“

In dieser Phase des Spiels gestaltet sich „Spore“ als ein spaßiges und gut durchdachtes Minigame, das Lust auf mehr macht. Weiterhin befördert wird die Euphorie durch die stetigen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Hat die Kreatur soviel gefressen, dass ein erster Zwischenstopp auf dem Weg zur nächsten Epoche erreicht ist, muss nach einem Partner Ausschau gehalten werden. Dieser wird mittels Lockruf herbeigeholt, wonach sich gleich der Editor öffnet und neue Features hinzugefügt werden können. Auf diesem Wege entwickelt sich die Kreatur langsam aber sicher zu einem komplexeren Wesen, das über bessere Kampfeigenschaften, eine verstärkte Abwehr und Details wie mehrere Augen oder Schwimmflossen verfügt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gefahr nennenswert abnimmt – im Gegenteil. Wesen, die bisher nur im Hintergrund als riesige Objekte zu sehen waren, spielen plötzlich in derselben Liga wie die Kreatur des Spielers und machen mit riesigen Zermalm-Apparaten Jagd auf den Neueinsteiger (siehe Bilderreihe oben).

Umso wichtiger ist es deswegen, möglichst bald die nächste Evolutionsstufe zu erreichen. Zu Beginn von dieser treibt es viele Spezies, die bisher im Wasser gelebt haben, plötzlich an Land. Darunter ist natürlich auch der Spieler, der seinen Schützling vorher im Editor aber erst einmal entsprechend anpassen muss, was vor allem bedeutet: Flossen ab und Beine ran. An Land angekommen stellt man dann schnell fest, dass die eigene Art ein Rudel gebildet und einen freudigen Empfang am Nest vorbereitet hat. Dieses ist für die kommende Spielzeit bis zur nächsten Phase der Ausgangspunkt für Erkundungstouren über die neue Materie. Mit einem entsprechend gewachsenen Gehirn verändert sich dabei auch die Komplexität der Aufgabenstellung. Jetzt heißt es nicht mehr nur wachsen, sondern vor allem DNA sammeln. Dies geschieht über möglichst viele Kontakte zu anderen, fremden Spezies. Diese sind einem, je nach Ausrichtung, zumeist neutral, manchmal aber auch von vornherein feindlich gesinnt. Um an die notwendige Menge an Kontakten zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten. So kann man eine fremde Spezies entweder freundschaftlich zu einer Partnerschaft bewegen oder aber man löscht sie kriegerisch aus, indem man eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern tötet.

Landphase in „Spore“

Während sich letzterer Vorgang von selbst erklärt, gestaltet sich ersterer als etwas komplexer, dafür aber auch interessanter, da die zunächst skeptischen Kreaturen über Eigenschaften wie „Tanzen“, „Singen“ und „Posieren“ erst von einem Bündnis überzeugt werden können. Ein Gelingen dieses Vorhabens ist allerdings leider nicht vom eigenen Geschick abhängig – hier hätte man wunderbar ein echtes, auf Geschicklichkeit ausgelegtes Minigame integrieren könnten – sondern schlicht vom Level der Körperteile, mit denen man seine Spezies bestückt hat und die man immer wieder in der Landschaft aufsammeln kann. Sind die Füße also nicht feinfühlig genug, wird man es nie schaffen, die affenähnlichen Arten der „Spore“-Welt von seinen Tanzkünsten zu überzeugen und wenn das Maul primär zum Töten konzipiert wurde, wird man nur sehr rudimentär singen können. Aus diesem Grund muss bei der Verwendung der Evolutionspunkte im Editor sinnvoll abgewogen werden, wie viel in Angriff und Verteidigung und wie viel in soziale Interaktion investiert werden soll, wobei der angestrebte Spielstil (aggressiv vs. sozial) natürlich die entscheidende Rolle spielt.