Empire: Total War im Test: Fortsetzung gewagt, Fortsetzung gelungen

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Sasan Abdi
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ETW auf einen Blick

Betrachtet man die Rahmenbedingungen, so fällt auf, dass „Empire“ eine konsequente Fortsetzung der „Total War“-Reihe bedeutet. Nach ehrenhaften Kämpfen zu Zeiten der Samurai und kurzen Zwischenstopps im Mittelalter und im alten Rom stand „Total War“ bis vor kurzem erneut vor allem für ansehnliche Kämpfe zwischen diversen mittelalterlichen Horden. Dies hat sich mit ETW insofern geändert, als dass die Zeit auch hier fortgeschritten ist, sodass der Hobby-Stratege nunmehr eine Kugeln verschießende Streitmacht des 18. Jahrhunderts befehligen kann.

Dementsprechend hat sich auch die Größe der „Total War“-Sphäre verändert. Statt nur über Europa und Nordafrika reicht der potentielle Einfluss der „Empire“-Generäle je nach Nation dieses Mal bis nach Nordamerika und Indien. In dieser Hinsicht passt der Titel „Empire“ also ganz vortrefflich zu dem neuen Teil. Die Erweiterung der geografischen Grenzen bringt natürlich auch eine erhöhte Komplexität mit sich: Wer Kolonien in Übersee besitzt, wird sich in der großen Kampagne über kurz oder lang mit verschiedenen Gegnern in verschiedenen Teilen der Erde konfrontiert sehen, was ein umsichtiges Problem-Management erfordert. Denn wie schon in den Vorgängern gilt auch bei ETW, dass nicht etwa nur die Feinde, sondern auch die Freunde und vor allem das eigene Volk bei Laune gehalten werden müssen. Mit Blick auf die Stimmung des Volkes ist es darum äußerst löblich, dass die Macher von The Creative Assembley erneut die ein oder andere Möglichkeit zur automatischen Verwaltung eingebaut haben und sich einzelne rebellische Städte über eine 0-Prozent-Steuer zumindest vorläufig befrieden lassen. Dies bedeutet jedoch auch, dass gerade Anfänger (aber auch versiertere Freizeit-Generäle) unbedingt die Tutorials und die vergleichsweise leichte Kurz-Kampagne zum US-amerikanischen Weg in die Freiheit spielen sollten.

Sehenswerte ETW-Landschlachten

Doch nicht nur auf der Mini-Karte hat sich die Einflusssphäre vergrößert, sondern auch auf der Übersichtskarte des natürlich weiterhin vorhandenen Runden-Modus'. Hier fällt sofort ins Auge, dass die bisher gegebene Zentralisierung aller Gebäudetypen in der jeweiligen Provinzhauptstadt aufgebrochen wurde. Stattdessen finden sich vor allem wirtschaftliche Schlüsselbauten wie Bauernhöfe, Minen und Häfen aber auch Schulen und Webereien realistischer Weise außerhalb der Stadt. Dies schafft nicht nur mehr visuelle Vielfalt auf der alles in allem ansehnlichen Übersichtskarte, sondern eröffnet auch völlig neue taktische Möglichkeiten, da jedes dieser separaten Gebäude temporär eingenommen und beschädigt oder infiltriert werden kann. Letzteres geschieht nach wie vor über Spione (neuerdings Lebemänner), wobei diese wie Edelmänner weitere wichtige Funktionen erfüllen: Während der eine Typ nach wie vor dem Sabotage- und Meuchelmörder-Handwerk nachgehen, erlauben andere die Ruhigstellung von bestimmten Bevölkerungsgruppen bzw. eine Erhöhung der Forschungsgeschwindigkeit. Neu ist hierbei auch, dass diese Sondereinheiten nicht gebaut werden können, sondern durch das Errichten von gesellschaftlich bedeutenden Gebäuden wie einem Theater oder Lusthaus automatisch und in regelmäßigen Abständen erschaffen werden, was die Attraktivität der Errichtung von kulturellen Bauten neben dem positiven Effekt auf die Zufriedenheit der lokalen Bevölkerung deutlich erhöht. Da die Zufriedenstellung der in Adel und Normalbürger gespaltenen Bevölkerung natürlich auch in ETW von großer Bedeutung ist, muss zum neuen System der Spezial-Charakter-Beschaffung allerdings angemerkt werden, dass im fortgeschrittenen Spielverlauf unter Umständen derart viele Personen zur Verfügung stehen, dass schnell die Übersicht verloren geht.

Aufmerksame Strategen werden bemerkt haben, dass hier eine Umsetzung geschildert wird, die an das „Große Persönlichkeiten“-Feature aus „Cilivization“ erinnert. Und tatsächlich haben die Macher einige weitere gelungene Aspekte aus dem rundenbasierten Strategie-Klassiker einfließen lassen. Die Forschung spielt in ETW beispielsweise eine weitaus größere Rolle als noch in den Vorgängern. In akademischen Gebäuden (auf der ersten Stufe in Schulen, später in Universitäten) können und müssen neue Technologien erforscht werden, um die eigene Nation voranzubringen. Die möglichen Verbesserungen reichen von überarbeiteten Bajonetten über verbesserte Landwirtschaftskonzepte bis hin zu wissenschaftlichen Errungenschaften wie dem Empirismus. Viele der in mehreren Runden zu erforschenden Verbesserungen sind zwingend notwendig, um Gebäudetypen aufzuwerten und weiterentwickelte Militäreinheiten ausheben zu können, was die neue Stellung der Forschung in ETW deutlich unterstreicht. Selbiges gilt im Übrigen auch für die Diplomatie, die im Vergleich zu den Vorgängern noch interaktiver und vor allem nachvollziehbarer gestaltet wurde: Gegnerische Mächte verhandeln hart, machen Gegenvorschläge und willigen bei aussichtslosem Stand im Krieg endlich in einen Waffenstillstand ein, was eine nennenswerte Verbesserung zu den zumeist bis zum Schluss kämpfenden „Medieval 2: Total War“-Gegnern bedeutet.

ETW-Seeschlacht
ETW-Seeschlacht

Trotzdem kracht es auch in „Empire: Total War“ regelmäßig, sodass die fulminanten Landschlachten auch im neuesten Teil der Serie einen, wenn nicht sogar den ultimativen Kernaspekt darstellen. Spätestens dann, wenn die Ansicht wechselt und man sich auf einem wunderbar animierten Schlachtfeld wiederfindet, auf dem sich zwei riesige Streitmächte gegenüberstehen, ergreift einen jeden Hobby-General das Strategiefieber: Da werden in der Aufstellungsphase Kanonen hin- und hergeschoben, Kavallerie auf die Flanken gesetzt und die Linienstärke der schussbereiten Infanterie variiert. In der folgenden Schlacht verfügt der Spieler je nach Status der Forschung über höchst unterschiedliche Einheiten, die sich zudem durch besondere Spezialeigenschaften unterscheiden. Aus diesem Grund wird eine große ETW-Schlacht gegen einen eher schwer eingestellten KI-General schnell zur echten Zerreißprobe für die Nerven, die gut und gerne bis zu 40 Minuten andauern kann. Ähnliches gilt für die brandneuen Seeschlachten, die erstmals in Echtzeit geschlagen werden können. Die Umsetzung weiß auch in dieser Hinsicht mit einer herausragenden Atmosphäre zu überzeugen, wobei auch hier auf taktische Finessen geachtet werden muss: Wer nur schwere Schlachtschiffe ins Gemetzel führt, könnte von einer aus schweren und wendig-schnellen Schiffen bestehenden gegnerischen Armada unter Umständen aufgerieben werden.