IBM zeigt 100-GHz-Transistor aus Kohlenstoff

Thomas Hübner
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In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science präsentiert IBM seine aktuellen Forschungsergebnisse mit Transistoren auf Kohlenstoffbasis, die mit möglichen Taktfrequenzen von 100 GHz den Weg in die Zukunft für Integrierte Schaltkreise weisen sollen.

Moores Law hat die allgegenwärtige, Silizium basierte Halbleitertechnologie an die Grenzen des technisch Möglichen getrieben. Durch massive Tricks werden 32-nm-Strukturen mit Hilfe von Licht mit einer Wellenlänge von 193 nm geschaffen. Es werden neue Gate-Materialien gesucht. Sie sollen die Leckströme minimieren und kurze Transistorschaltzeiten miteinander vereinen. Momentan sieht es so aus, als könnte das Katz-und-Maus-Spiel mit der Physik bis ca. 2015 weitergehen, bis – aus heutiger Sicht – größere Umwerfungen erforderlich werden damit auch darüber hinaus eine Verdoppelung der auf einem Chip integrierten Transistoren alle 18 Monaten zu erreichen ist. Es ist zwar davon auszugehen, dass diese Grenze noch ein paar Jahre hinaus gezögert werden kann – 2004 ging man noch davon aus, bei 32 nm schon EUV-Lithographie einsetzen zu müssen, was nun erst 2015 bei 11 nm vorgesehen ist –, doch wird bereits allerorts fieberhaft nach Alternativen geforscht um bei Zeiten vorbereitet zu sein. Kohlenstoff gilt dabei als einer der Hoffnungsträger der Industrie. Basierend auf Kohlenstoffnanoröhren konnten bereits sehr kompakte „Kohlenstoff-Nanoröhren-Feldeffekttransistoren“ mit Durchmessern von wenigen Nanometern hergestellt und demonstriert werden.

IBM-Forscher präsentieren nun in der aktuellen Ausgabe der Science unter dem Titel „100-GHz Transistors from Wafer-Scale Epitaxial Graphene“ ihre Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit Kohlenstoff. Sie setzten dabei auf Fertigungsverfahren, die der heutigen Lithographie ähneln. Statt höchstreinem Silizium kam dabei Siliziumcarbid (SiC, siehe auch) zum Einsatz, welches für sich bereits interessante Eigenschaften besitzt: Hoher Schmelzpunkt und höhere Durchbruchfeldstärken. Durch erhitzen auf 1.450°C erzeugten sie eine ein bis zwei Atomlagen Dicke zweidimensionale Kohlenstoffschicht, die auch als Graphen bezeichnet wird und laut bekannten Theoremen der Theoretischen Physik nicht existieren dürfte. Diese besondere Struktur besitzt eine im Vergleich Silizium um den Faktor 100 größere Ladungsträgerbewegleichkeit und ermöglicht bereits bei sehr geringen Spannungen (kleinen Feldstärken) hohe Ströme – und je höher die Ströme, desto schneller kann der Transistor schalten. Auf dem hergestellten Wafer sind verschieden große Transistoren zu finden. Der kleinste hat eine Gatelänge von 240 nm. Als Gatedielektrikum verwendeten die Forscher eine 10 nm dicke Schicht aus Hafniumoxid (HfO2). Für Source, Drain und Gate wurden jeweils Titan, Palladium und Gold mit Dicken von 1 nm, 20 nm und 40 nm übereinander gestapelt. Im Versuch wurde beim kleinsten Graphen-Feldeffekttranistor eine Grenzfrequenz von 100 GHz ermittelt. Laut IBM erreichen die schnellsten Silizium-Transistoren mit vergleichbarer Gate-Länge nur 40 GHz. Allerdings darf man nicht vergessen, dass z. B. Intels Silizium-Transistoren bereits 1997 eine Gate-Länge von nur 200 nm besaßen und heute mit 30 nm (32-nm-Technologie) auftrumpfen können. Transistoren in moderner Technologie sind zweifelsohne schneller. Bereits Ende 2001 konnte AMD z. B. einen 3,3 TeraHertz schnellen Silizium-Transistor in auch heute noch experimenteller 15-nm-Technologie demonstrieren. Zudem sollte man nicht vergessen, dass ein einzelner Transistor nicht mit einem Chip zu vergleichen ist, bei dem zehn oder mehr Transistoren pro Datenstufe in einer Pipeline stecken können.

IBM hat also noch einen weiten Weg zu gehen und muss den Graphen-Transistor auf aktuell übliche Größenordnungen schrumpfen, um ihn zu einer ernsthaften Silizium-Konkurrenz zu machen. Sollte dies gelingen, erlaubt er prinzipiell bei gleichen Technologiestufen mindestens doppelt so schnelle Logik-Schaltungen wie z. B. Prozessoren.

IBM ist es gelungen, einen 2-Zoll-SiC-Wafer mit klassischen Lithographie-Schritten zu prozessieren und Transistoren mit einer Grenzfrequenz von 100 GHz zu erzeugen.
IBM ist es gelungen, einen 2-Zoll-SiC-Wafer mit klassischen Lithographie-Schritten zu prozessieren und Transistoren mit einer Grenzfrequenz von 100 GHz zu erzeugen.

Auch sollte man nicht verkennen, dass der Fokus der Veröffentlichung im Science-Magazin nicht nur auf dem 100-GHz-Transistor selbst liegt. Isoliert ist es ein Leichtes, noch wesentlich schnellere Schalter zu bauen. Der eigentliche Durchbruch der Ankündigung liegt darin, dass ein ganzer Wafer mit diesen Transistoren gefüllt werden konnte. Dieser spielt mit 2 Zoll (50 mm) zwar noch nicht in der modernen 12-Zoll-Liga (300 mm), konnte aber – und das ist von erheblicher Bedeutung für den Einsatz im großen Stil – mit üblichen Lithographie-Schritten bearbeitet werden.

Bis zur Massenfertigung in moderner Technologie ist zwar noch etwas Zeit, doch das von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), einer Behörde des US-Verteidigungsministeriums, geförderte Forschungsprojekt mit dem Ziel eines 1-THz-Transistors scheint auf einem richtigen Weg zu wandeln. Wie schnell der Wechsel auf Graphen vollzogen werden muss, hängt jedoch maßgeblich von der Kreativität der Silizium-Transistor-Bauer ab, die noch viele Ideen in ihren Schubladen haben. Intels Tri-Gate-Transistor etwa musste beim 32 nm-Prozess noch nicht hervorgekramt werden.

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