Verfassungsschutz warnt: Scientology in sozialen Netzwerken

Jirko Alex
64 Kommentare

Wie aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen hervor geht, sei eine zunehmende Ausnutzung von sozialen Netzwerken und Videoplattformen durch Scientology auszumachen. Die Organisation will dabei vor allem Jugendliche für sich gewinnen.

Die umstrittene neue religiöse Bewegung Scientology, die hierzulande in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nutzt gemäß eines aktuellen Berichtes des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen (NRW) neue Medien gezielt aus, um direkt oder indirekt Kontakt mit jungen Menschen herzustellen. Konkret benennt der Verfassungsschutz mehrere Tarnorganisationen, die über Videoplattformen wie Youtube oder MyVideo, soziale Netzwerke wie SchülerVZ oder Facebook sowie den Microblogging-Dienst Twitter und andere Internetplattformen wie Foren und Blogs aktiv werben. Selten wird dabei die Verbindung der Tarnorganisationen zu Scientology unmittelbar klar. Eine professionelle, an Jugendliche gerichtete Aufmachung sowie eine moralisch zweifelsfrei wirkende Themenauswahl sollen allerdings zur Preisgabe persönlicher Daten oder zum Anschluss an die Scientology-(Unter)organisation bewegen.

Mittels diverser Videoplattformen werden etwa Videos der Organisation „Jugend für Menschenrechte“ angeboten, einer Tochter der US-amerikanischen „youth for human rights“, die auch ein für Jugendliche produziertes Musikvideo „United“ online gestellt hat. Die Videoclips auf Youtube und Co behandeln dabei die Menschenrechte der UN-Charta in einer für sich genommen relativ neutralen Weise. In den Videos wird stets zur Unterstützung der Organisation aufgerufen und auf die Seite von „Jugend für Menschenrechte“ weitergeleitet. Dort kann man weiteres Informationsmaterial bestellen oder der Organisation – hinter der letztendlich jedoch Scientology steckt – direkt beitreten. Ähnlich wird mit einer weiteren Tarnorganisation „Sag nein zu Drogen – sag ja zum Leben“ verfahren, die mit ebenfalls unverfänglichen Videos vornehmlich Jugendliche für sich gewinnen will.

Neben den Videoplattformen nutzt Scientology auch soziale Netzwerke für das Werben neuer Mitglieder. Unter öffentlichen sowie verschleierten Profilen geht die Organisation auf Facebook, SchülerVZ und Co auf Freundessuche. Ist der Kontakt über Tarnprofile hergestellt, ist es den Scientologen möglich, regelmäßig für Aktionen der Organisation zu werben und Jugendliche direkt anzusprechen. Hierin sieht der Verfassungsschutz eines der Hauptprobleme bei der Ausnutzung des Internets durch Scientology: Musste die Organisation früher durch Projekte wie Hausaufgabenhilfen oder dem Werben auf der Straße Zugang zu potenziellen neuen Mitgliedern suchen, kann der Kontakt nun direkt ins Kinderzimmer über den PC hergestellt werden. Oft wüssten die Nutzer der sozialen Netzwerke dabei nicht, wer hinter ihrem Kontakt steht und Erziehungsberechtigte wissen zumeist weder, wen das eigene Kind als virtuellen Freund akzeptiert, noch kann einem jede Tarnidentität der Organisation bekannt sein. Zudem soll Scientology auch Schwachstellen der sozialen Netzwerke ausnutzen, etwa ein Datenleck bei Facebook, das es vor einiger Zeit ermöglichte, Datensätze von rund 100 Millionen Mitgliedern herunterzuladen. Ähnliche Lecks gab es auch bei anderen sozialen Netzwerken wie SchülerVZ.

Nicht auf Mitgliederfang bedacht, sondern auf die Wahrung eines positiven Scheins sind hingegen andere Nutzungsformen etwa des Microblogging-Dienstes Twitter. Unter verschiedenen Profilen werden dabei mit offensichtlichem oder weniger offensichtlichem Bezug zu Scientology positive Tweets abgesetzt, die aktuelle Kampagnen der Organisation bewerben. Auch Internetseiten der Scientologen verfolgen diesen Zweck, wenngleich das virale Vorgehen auf unabhängigen Blogs, in Foren oder auf bekannten anderen Plattformen schädlicher ist. So betreibt Scientology gemäß des Verfassungsschutzberichtes auch verschiedene Nutzerkonten etwa in Internetforen, auf Blogs oder auf Verkaufsplattformen wie Amazon, bei denen Rezensionen möglich sind. Scientology-kritische Artikel sollen dabei selbst von scheinbar unabhängigen Nutzern kritisiert werden, hinter denen allerdings Scientology selbst steht. Auf Amazon etwa habe sich bereits der Pressesprecher von Scientology Deutschland in einer Rezension zu einem der Organisation gegenüber kritischen Buch geäußert – zwar unter richtigem Namen, ohne allerdings seine Tätigkeit zu beschreiben.

Ein großes Problem sei dabei die Masse der Kommentare, die sich vergleichsweise schnell generieren lässt und eine gesellschaftliche Akzeptanz von Scientology vorgaukelt, die so nicht existiert. Zahlreiche Anhänger seien es auch, die dafür sorgten, dass Artikel in der Online-Enzyklopädie Wikipedia noch relativ positiv über Scientology berichteten. Zwar versuchte die Organisation vor einigen Jahren im großen Stil, unliebsame Änderungen durch zahlreiche Autoren im eigenen Sinne zu beeinflussen; Wikipedia sperrte einigen der Scientology-Autoren im Jahr 2009 jedoch den Zugang. Dennoch seien die teils positiven Darstellungen in den Wikipedia-Artikeln ein stiller Beweis dafür, dass aufgrund der Mitgliederstärke von Scientology kein rechtes Mittel gegen diese Art der Beeinflussung gefunden ist.