Kommentar: ACTA ist tot, die Zukunft heißt IPRED?

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Andreas Frischholz
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Neues Denken oder Pyrrhussieg?

Für die Netzaktivisten stellt sich nun die Frage, was das Ende von ACTA wert ist. Noch herrscht Euphorie, doch mit der anstehenden Novellierung der IPRED-Richtlinie steht bereits die nächste Urheberrechtsdebatte ins Haus. Bei IPRED handelt es sich um eine Richtlinie, die in Europa einen einheitlichen Schutz von immateriellen Gütern gewährleisten soll. Bereits seit einigen Wochen verlagert sich die Diskussion von ACTA zu IPRED, erklärte der Münsterer Juraprofessor Thomas Hoeren, wobei das mit IPRED verbundene Regelwerk ebenfalls „scharfe Maßnahmen“ beinhalte.

Mit der CleanIT-Initiative sowie dem Überwachungsverfahren INDECT hat die EU-Kommission derzeit noch zwei weitere Vorhaben mit Konfliktpotential in Planung. ACTA selbst wird zumindest im Urheberrechts- und Internetbereich keine Rolle mehr spielen. Derzeit wird aber noch spekuliert, ob die EU-Kommission dem Parlament eine auf Produkt- und Markenpiraterie beschränkte ACTA-Fassung vorlegt.

Hoeren kritisiert indes das schwache Niveau der Urheberrechtsdebatte in Deutschland, bei der lediglich Extrempositionen lautstark die Öffentlichkeit dominieren. Die Fachdiskussion werde stattdessen wenig beachtet, stattdessen sind mehrere Fragen offen, denen mit einfachen Schwarz-Weiß-Lösungen nicht beizukommen ist. „Ich habe die Befürchtung, dass die Diskussion weiter so verläuft wie bei ACTA“, sagte Hoeren. Immerhin, erste Fortschritte sind erkennbar. Lobby-Verbände und die sie unterstützenden Politiker ziehen ihre Konsequenzen aus dem ACTA-Debakel, aus allen Richtungen erschallen Bekenntnisse für mehr Transparenz und für ein Ende der Hinterzimmer-Politik.

Insbesondere die Interessensvertreter aus der Unterhaltungsindustrie haben nach wie vor das Ziel, einen Ausbau sowie eine stärkere Durchsetzung des Urheberrechts zu erreichen. Doch statt sich auf einen Gesetzesentwurf wie etwa ACTA zu konzentrieren, versuchen die Lobby-Gruppen offenbar ihren Einfluss auf mehrere Gesetzesinitiativen zu verteilen. Zudem zeigt sich ein zunehmender Trend, dass Überwachungsmechanismen erst auf nationaler Ebene eingeführt werden – wie etwa die Warnhinweis-Verfahren, die erst in Frankreich und vor kurzem in Großbritannien eingeführt wurden. Ist eine entsprechende Infrastruktur etabliert, ist die Chance ungleich größer, ein System auch auf europäischer Ebene vorzuschreiben.

Für die Netzaktivisten dürfte es in Zukunft schwieriger werden, die Nutzer auf ein omnipräsentes und damit leicht identifizierbares Feindbild wie ACTA einzuschwören. Doch das soll den Erfolg nicht schmälern, die europaweite Protestbewegung hat Eindruck hinterlassen. Offen ist nur, ob sie zu einem grundlegenden Umdenken in der Urheberrechtsdebatte führt, oder sich der Erfolg gegen ACTA letztlich nur als Pyrrhussieg erweist.

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