Netzneutralität: Telekom wagt sich allmählich aus der Deckung

Andreas Frischholz
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Netzneutralität: Telekom wagt sich allmählich aus der Deckung
Bild: Deutsche Telekom | CC BY 2.0

Nachdem das EU-Parlament den Kompromiss zur Netzneutralität inklusive der zahlreichen Hintertüren abgesegnet hat, wagen sich die Provider nun allmählich aus der Deckung. So verkündet Telekom-Chef Timotheus Höttges, dass Spezialdienste vor allem für Startups wichtig wären, um mit Branchengrößen wie Google konkurrieren zu können.

Schnellere Netzanbindung ein paar Prozente vom Umsatz

Die Argumentation von Höttges lautet dabei: Unternehmen wie Google könnten sich weltweite Serverparks leisten, um die jeweiligen Dienste möglichst schnell an das Internet anzubinden. Startups hätten diese Möglichkeit allerdings nicht, weswegen die Deutsche Telekom eine entsprechende Übertragungsqualität im Rahmen von Spezialdiensten anbieten will – und zwar für eine „Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent“. Im Kern handele es sich also um ein neues Geschäftsmodell für die Deutsche Telekom, das zudem für mehr Wettbewerb im Netz sorgen würde.

Neu ist diese Idee nicht, bereits in der Vergangenheit hat der Bonner Konzern mit solchen Ideen kokettiert. Doch bereits damals fiel die Kritik deutlich aus. Denn für Internetaktivisten wird auf diese Weise der Weg in ein Zwei-Klassen-Internet geebnet: Dabei stehen auf der einen Seite die Internetfirmen, die für Spezialdienste zahlen, um eine schnellere Anbindung an das Netz zu erhalten. Und auf der anderen Seite steht der Rest, der sich die entsprechenden Angebote nicht leisten kann oder will – und damit automatisch in das Hintertreffen gerät.

Wenig begeistert zeigten sich zuletzt auch Startups und kleinere Anbieter von Plänen, wie sie nun von Höttges skizziert wurden. So erklärte etwa der Berliner Hosting-Anbieter SysEleven, dass die Gleichbehandlung aller Daten untergraben werde, wenn der Datenverkehr von Spezialdiensten privilegiert wird. Das führe zu einem fragmentierten Netz, von dem nur einige wenige Anbieter profitieren. Dass solche Spezialdienste ein Hemmnis für Innovationen darstellen, erklärten auch einige amerikanische Startups in einem offenen Brief, der im Vorfeld der Abstimmung im EU-Parlament veröffentlicht wurde.

Provider lieben Spezialdienste, konkrete Pläne sind aber Mangelware

Spezialdienste will die Deutsche Telekom allerdings nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Internetnutzer anbieten. Doch die Pläne sind nach wie vor äußerst vage. Demnach fangen die potentiellen Anwendungen „bei Videokonferenzen und Online-Gaming an und gehen über Telemedizin, die automatisierte Verkehrssteuerung und selbststeuernde Autos bis zu vernetzten Produktionsprozessen der Industrie“, so Höttges.

Ähnlich äußerte sich die Deutsche Telekom bereits am Dienstag auf Anfrage von ComputerBase. Allerdings erklärte ein Sprecher des Konzerns in diesem Kontext auch: „Konkrete Pläne zur Einführung von Spezialdiensten gibt es noch nicht.

Derweil ist die Deutsche Telekom nicht der einzige der Provider, der Spezialdienste einführen will. So erklärte etwa auch Vodafone auf Anfrage von Spiegel Online: „Vodafone verfolgt derzeit keine solchen Planungen, die Aussagen der Telekom sind aus unserer Sicht aber richtig.“ Mit bestimmten VoIP- und Internet-TV-Diensten würde es ohnehin bereits Spezialdienste geben. Und in Zukunft sollen noch weitere folgen.

Das letzte Wort hat die Bundesnetzagentur

Wie weit die Provider gehen können, muss aber die Bundesnetzagentur entscheiden. Denn die Regulierungsbehörde ist letztlich die entscheidende Instanz, um die vage EU-Verordnung in ein konkretes Regelwerk zu übersetzen.

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